NPD
Dass die NPD rassistisch, antisemitisch und sexistisch ist, ist nicht überraschend. Aber Landespolitik hat die Partei auch nicht so recht verstanden. Nicht nur ist das Wahlprogramm kaum auffindbar und knappe drei Seiten lang, die Partei fordert auch rassistische Maßnahmen auf Bundes- und EU-Ebene, jedoch kaum etwas worauf sie in einer Landesregierung größeren Einfluss hätte. Die Forderung, Moscheen und islamische Zentren nicht mehr zu genehmigen ist eine der wenigen, die direkt auf Sachsen-Anhalt bezogen ist. Der rote Faden durch das Parteiprogramm ist die Obsession der NPD mit geflüchteten Menschen und der Wunsch, Frauen würden doch bitte mehr Kinder bekommen. Auf mindestens einen dieser beiden Punkte wird so ziemlich jede Forderung bezogen. Dementsprechend seien die Coronamaßnahmen schuld an einer vermeintlichen Ausbreitung von gefährlichen Shisha-Bars und Frauen würden keine Kinder bekommen, aus Angst von linken Menschen als „Gebärmaschine“ bezeichnet zu werden. Zwischendrin eingestreut klassische Neonazinarrative. Es ist davon die Rede, Produktivkapital zu fördern: Die Gegenüberstellung von „schaffendem“ und „raffendem“ Kapital diente im Nationalsozialismus dazu Juden und Jüd:innen abzuwerten. Außerdem wird die Privatisierung von „Volkseigentum“ kritisiert, die „Raumgebundenheit“ von Kapital und die „Meinungs- und Gewissensfreiheit“ an Schulen gefordert.
Spannender wird es aber dann, wenn es zu Überschneidungen zu anderen Parteien kommt. So wird der Mittelstand als schützenswertes Opfer unfairer politischer Machenschaften stilisiert und die Familie als bedrohte Einheit, unter ständigem Einfluss von Meinungsmanipulation dargestellt.
Liberal-Konservative Reformer (LKR)
Diese Narrative finden sich auch in der von Ex-AfD-Chef Bernd Lucke gegründeten Partei Liberal-Konservative Reformer (LKR). Auch sie will den Mittelstand vor der vermeintlichen Instrumentalisierung von Umweltschutz schützen. Auch sei die Erziehung von Kindern nicht genug durch Disziplin, Respekt und Mäßigung geprägt. Das will die LKR in Sachsen-Anhalt ändern und besonders Sexualerziehung „nicht überbetonen”. Frauen würden nicht mehr genug Kinder gebären, da sie negativ durch Rollenerwartungen und Lebensziele „geblendet“ würden. Aber natürlich finden sich auch Ängste gegenüber der Migration im Programm. Es wird von „Zuwanderungsphantasien“ der „etablierten Parteien“ gesprochen. Eine Aussage, die schwer an die rechtsalternative Phantasie des Bevölkerungsaustauschs durch wahlweise die Regierung, oder eben gleich die Juden erinnert. „Qualifizierte Zuwanderung“ ist dann aber doch wieder in Ordnung. Dafür müsse aber auch dem „ausländerfeindlichen Klima” begegnet werden. Sich selbst zählt die Partei also nicht als Teil eines solchen Klimas. Interessanterweise spricht die LKR sich an einer Stelle gegen „Neoliberalisierung“ aus. Gleichzeitig betont sie aber immer wieder das Leistungsprinzip, ob in der Schule, zwischen Kommunen oder auf EU-Ebene, in einer Art, die einen leicht sozialdarwinistischen Beigeschmack hat.
Der Glaube an Autorität bei der LKR-Sachsen-Anhalt wird noch deutlicher, wenn es um Sicherheitspolitik geht. Die Polizeipräsenz soll erhöht werden und es sollen „unmittelbar anzuwendende Strafen“ als „Warnschuss“ für jugendliche Ersttäter:innen eingeführt werden.
Corona erkennt die Partei an und fordert sogar schnelle Impfungen. Allerdings kritisiert sie so ziemlich alle andere Maßnahmen, die getroffen wurden. Die Schulen und der Einzelhandel sollten sofort geöffnet werden, die „Corona-bedingten Einschränkungen von Grundrechten auf ein absolut notwendiges Maß reduziert“ und die „panikgetriebene“ Berichterstattung solle beendet werden. Und trotzdem, Coronaleugner:innen dürfte dies abschrecken. Dafür gibt es aber gleich zwei weitere Alternativen: Die Basis und WiR2020.
Basisdemokratische Partei Deutschland/ Die Basis
Auffällig ist, dass die Parteien offensichtlich aus einer anderen Richtung kommen. Einige Forderungen und Gründungsmitglieder sind eher in einer links-alternativen Ecke oder in der „Friedensbewegung“ zu verorten.
Die Basis hat aber mit der NPD gemeinsam, dass auch sie kein wirkliches Wahlprogramm veröffentlicht hat. Das ergibt deswegen Sinn, weil die Partei eine direktere Demokratie anstrebt, in der Wähler:innen selbst entscheiden. Eine grobe Ausrichtung wird aber dann doch deutlich. So wird für mehr „Vielfalt medizinischer und therapeutischer Ansätze und Methoden“ plädiert, für „Freie Impfentscheidungen“. Die „Zensur“ müsse beendet werden und es solle Meinungsfreiheit ohne „gesellschaftliche oder berufliche Repression“ geben. Die Partei erklärt weiter: „[Die] sofortigen Aufhebung aller freiheitsbeschränkenden Maßnahmen bzgl. COVID19 und der Wiederermächtigung der Parlamente muss als Grundlage für notwendige Reformen die Aufklärung der Corona-Politik in geeigneter Form durch unabhängige Experten folgen.“ Die Parlamente wurden also nach Ansicht der Partei entmachtet. Ob diese Anspielung auf das Ermächtigungsgesetz von 1933 absichtlich ist, lässt sich nur vermuten. Auch die Anspielung, jetzige Expert:innen sein nicht unabhängig erinnert an die verschwörungsideologische Grundannahme, die Wissenschaft sei durch Politik und Eliten gesteuert. Gleichzeitig plädiert die Basis an anderer Stelle für eine stärkere Berücksichtigung von „Schwarmintelligenz“ gegenüber Expert:innennwissen. So wichtig scheint die wissenschaftliche Expertise also doch nicht zu sein.
Das zeigt auch das Verhalten des Vorstands in Sachsen-Anhalt. Alkje Fontes verbreitet auf Facebook Falschmeldungen. Wie ein Demobericht auf der Website zeigt, geht Dirk Talkenerger mit Querdenker:innen in Berlin auf die Straße und Jens Vollman erklärt in klassisch verschwörungsideologischer Manier: „Politik soll nicht durch einige starke Lobbyisten gelenkt werden, sondern durch die wahren Bedürfnisse der Menschen.“
Was die Partei gefährlich werden lassen könnte, ist die vermeintlich wissenschaftsfreundliche und progressive Selbstdarstellung. In Youtube-Videos bezieht sich beispielsweise das Vorstandsmitglied Alkje Fontes immer wieder auf Parteimitglied und Mediziner Wolfgang Wodarg. Dieser wurde bereits mehrmals wegen Halbwissens, verkürzter und falscher Aussagen kritisiert (vgl. Tagesspiegel und ZDF Faktencheck). Auch die restlichen Grundsätze sind vergleichsweise progressiv. Es wird sich für Einwanderung, Tier- und Umweltschutz ausgesprochen.
WiR2020
Sehr ähnlich funktioniert die etwas jüngere Partei WiR2020. Das ist auch gar kein Wunder. Sie wurde nämlich von der gleichen Person gegründet. Nachdem Querdenkerpromi und Schwindel-Arzt Bodo Schiffmann im Frühling 2020 die Basis gegründet hatte und nur wenige Monate später ausgetreten war, gründete er im Sommer darauf die Partei WiR2020, nur um im August wieder auszusteigen.
Hauptziel der Partei ist die Rücknahme von allen „sogenannten COVID-19-Maßnahmen“. Die Partei ist sogar so angefressen, dass sie gleich einen außerparlamentarischen Untersuchungsausschuss zur „sogenannten COVID-19-Pandemie“ fordern und Politiker:innen für „Fehlentscheidungen“ haftbar machen wollen. Auch hier wird gefordert, dass „Schul- und Alternativmedizin“ sich ergänzen sollten und die vermeintliche Impfpflicht verhindert werden solle. Klares Feindbild sind die Lobbyisten, das unkontrollierte Banken- und Geldsystem und die „wenigen globalen Konzerne“. Außerdem müssten die Medien unabhängig, die Forschung und die Wissenschaft frei und Folgen von Technik, wie 5G und Impfungen wissenschaftlicher abgeschätzt werden. Kurz gesagt, die Bösen sind „die da oben“ die Medien und Wissenschaft kontrollieren. Auch ein Nationalsozialismus-Vergleich ist nicht weit. Vorstandsmitglied in Sachsen-Anhalt Karsten Voigt schreibt auf der Website
„Nicht ich stehe dabei in erster Reihe, sondern die Zukunft unserer Kinder und deren Kinder. Denn ich möchte später kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich auf die folgende Frage meiner Enkelkinder antworten muss: und wo warst du als man uns die Grundrechte und Freiheit nahm?“. Etwas nationalistischer wird der Jugendvorstand Christof Wolff: „in der aktuellen Situation, sehe ich gar keine andere Möglichkeit, als sich als Volk gemeinsam zu engagieren“, erklärt er.
Konkret in Sachsen-Anhalt sollen dementsprechend Schutzmaßnahmen zurückgenommen werden. Außerdem sollen Schulen geöffnet werden und Kinder vor der Digitalisierung, zum beispiel durch ein schulisches Handyverbot geschützt werden. Insgesamt bleibt die Partei aber eher unkonkret.
Besonders erfolgversprechend ist die derzeitige Lage für keine der Kleinstparteien. Trotzdem ist es erschreckend, wie sich Narrative des unterdrückten Mittelstandes unter vermeintliche geheime Machenschaften von Eliten und Politik seit der Pandemie verstärkt über das gesamte politische Spektrum ausbreiten. Sie zeigen vor allem sehr deutlich eine der beliebtesten Querfronten in Deutschland: Antisemitismus.