Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Landtagswahlen Wie eine rechtsradikale NGO das Vertrauen in die Demokratie untergräbt

Von|
Eines der "Ein Prozent"-Plakate, hier im Erzgebirge.

„Jeden Tag gibt es eine kleine neue Überraschung. Und das wird ein ganz unangenehme Woche für die Etablierten da oben,“ verkündete Philip Stein, Leiter des Rechtsaußen-Vereins „Ein Prozent“ am 26. August von der Pegida-Bühne in Dresden. Eine Überraschung gab es in dieser Woche allerdings vor allem für den Verein. Seit Mittwoch sind sowohl der Instagram-Kanals, als auch die Facebookseite der selbsternannten „Bürgerbewegung“ nicht mehr erreichbar.

„Ein Prozent“ – Ein rechtsradikaler Verein

Gegründet wurde „Ein Prozent“ von Götz Kubitschek – Kleinstverleger aus Schnellroda und „Rechtsintellektueller“ – , Jürgen Elsässer – Chefredakteur des verschwörungsfreundlichen „Compact“-Magazins – und Hans-Thomas Tillschneider – AfD-Rechtsaußen mit einem Bürgerbüro in einem Haus der vom Verfassungsschutz beobachteten, rechtsextremen „Identitären Bewegung“. Geleitet wird der Verein mittlerweile von Philip Stein.

Stein ist Mitglied der Marburger Burschenschaft Germania, die im Gutachten des Verfassungsschutzes, dass die AfD als „Prüffall“ einstuft, auftaucht. Die „Germania Marburg” scheint ohnehin als Kaderschmiede für die rechtsradikale Partei zu fungieren. „Mehrere Mitglieder der Studentenverbindung, die bis heute nur Männer deutscher Abstammung aufnimmt, haben in den letzten Jahren Karriere in der Partei gemacht”, berichtet die Frankfurter Rundschau. Doch auch schon bei anderen rechten Parteien sei die Burschenschaft beteiligt gewesen, wie etwa bei der Gründung des Marburger Ortsverbands der „Republikaner“ Ende der 1980er. Stein ist außerdem Pressesprecher der „Deutschen Burschenschaft“, einem Dachverband, den eine große Anzahl darin organsierter Burschenschaften wegen rechtsextremer und rassistischer Äußerungen anderer Mitglieder verlassen hat. Stein betreibt auch noch den Jungeuropa-Verlag, über den er zum Beispiel einen Roman vertreibt, dessen Vorwort der bekannte amerikanische Rechtsextreme Richard Spencer verfasst hat. Sogar in den Bundestag hat es Stein schon geschafft. 2018 verantwortete der AfD-Abgeordnete Frank Pasemann die Veranstaltung „Linke Förderstrukturen und der neue ‚Kampf gegen Rechts‘“ mit Stein als Referenten. Der kam jedoch nicht alleine, sondern hatte zwei ehemalige NPD-Funktionäre im Schlepptau.

Ein weiterer „Ein Prozent“-Mitarbeiter ist Simon Kaupert. Nach Informationen des Magazins der rechte rand, nahm Kaupert noch im Mai 2015 an einem Pfingstlager der „Jungen Nationaldemokraten“ – der Jugendorganisation der NPD – teil.

Mit angeblichem Wahlbetrug gegen die Demokratie

Ausgerechnet diese Organisation wittert also Wahlbetrug in Deutschland. Im Übrigen nicht zum ersten Mal. Laut Angaben auf der Website des Vereins, werden schon seit 2016 Freiwillige eingesetzt, um in Wahllokalen vor Ort nach dem Rechten zu schauen. Der ganze große Coup ist dabei noch nicht gelungen – Meldungen des Vereins während der EU-Wahl im Mai stellten sich als falsch heraus, wie Correctiv berichtete. In der Welt von Philip Stein sieht das allerdings anders aus: „Die Wahlbeobachtung von Ein Prozent hat nicht nur tausende Stimmen, sondern – liebe AfD – auch einige Mandate gerettet.“ So Stein auf der Pegida-Bühne. Von den tausenden Stimmen und mehreren Mandaten ist außerhalb dieser Rede nirgends zu hören. Tatsächlich gibt es einen – offenbar technisch bedingten – Fall in Sachsen-Anhalt bei der Landtagswahl 2016. Etwa 400 Stimmen für die AfD waren versehentlich der Partei ALFA zugeordnet worden. Schließlich bekam die AfD dadurch einen weiteren Sitz im Landtag zugesprochen.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

Ein weiterer Fall wurde in dieser Woche bekannt – allerdings ohne das Zutun von „Ein Prozent“ – bei den Kommunalwahlen in Brandenburg hatte ein Wahlhelfer in Potsdam laut Tagesspiegel „mindestens 50“ Stimmen der AfD den Grünen zugeschlagen. Das entspricht 0,06 Prozent der insgesamt abgegebenen Stimmen in der brandenburgischen Landeshauptstadt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in diesem Fall aktuell noch.

Geworben wird für das Projekt „Wahlbeobachtung“ auf allen Kanälen. Insgesamt soll es über 100 Plakate geben, Radiospots laufen bei Lokalsendern und Aufkleber sind erhältlich. Unter anderem ruft das AfD-unterstützende“Compact“-Magazin dazu auf, sich als Wahlbeobachter*in zu engagieren und auch der rechtsextreme Aktivist Alexander Kleine, der unter dem Namen „Malenki“ in der „Identitären Bewegung“ aktiv ist, hat auf seinem YouTube-Kanal ein Video dazu veröffentlicht. In dem Zusammenhang besonders interessant: Kleine nennt „Ein Prozent“ im gesamten Video nicht. Bemerkenswert, wird doch gerade er mit seinem Format „Laut Gedacht“ von „Ein Prozent“ selbst unterstützt.

Die Wahlbeobachtungskampagne ist nur ein Teil einer größeren Strategie. „Wende 2.0“ und „Vollende die Wende“ plakatiert die AfD aktuell in Brandenburg und Sachsen, eine Kampagnenseite der Partei wirbt mit dem Slogan „Werde Bürgerrechtler“. „Es fühlt sich schon wieder so an, wie in der DDR“, verkündete der in NRW und Rheinland-Pfalz aufgewachsene Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke bei einer Wahlkampfveranstaltung. Dafür „haben wir nicht die friedliche Revolution gemacht“, sagte Höcke weiter. „Wir sind nicht 1989 in diesen Prozess eingetreten und die Menschen sind nicht auf die Straße gegangen, um das geliefert zu bekommen, was wir jetzt hier erdulden müssen,“ so der in München aufgewachsene Brandenburger AfD-Chef Andreas Kalbitz. Und auch Alexander Gauland, der Fraktionsvorsitzende der Partei im Bundestag, schlägt in die gleiche Kerbe: „Wie damals besteht das Regime aus einer kleinen Gruppe von Parteifunktionären, einer Art Politbüro, und wieder steht ein breites gesellschaftliches Bündnis aus Blockparteifunktionären, Journalisten, TV-Moderatoren, Kirchenfunktionären, Künstlern, Lehrern, Professoren, Kabarettisten und anderen Engagierten hinter der Staatsführung und bekämpft die Opposition.“

Hand in Hand mit der AfD

Die Strategie von „Ein Prozent“ ist die perfekte Ergänzung zum rechtsradikalen Narrativ. Wählern und Wählerinnen wird suggeriert, sie lebten in einem Unrechtsstaat, in dem Wahlen gefälscht werden. Vertrauen in Politik? Fehlanzeige. Bei „Pegida“ sagte Stein: „Der Nachweis der Wahlfälschung hat die Oppositionsbewegung in der DDR bestärkt und wird als Initialzündung für die Montagsdemonstrationen angesehen.“ Und: „Wir setzen den Startschuss für die Wende.“

Auf der Kampagnenwebsite schreibt „Ein Prozent“: „Wir wollen mit Ihnen zusammen eine faire und möglichst fehlerfreie Wahl sicherstellen“. Tatsächlich braucht niemand dafür einen rechtsradikalen Verein. Ein Beobachter*innen-Team der OSZE hatte – auf Einladung der Bundesregierung – die Bundestagswahl 2017 begleitet und eine sauber durchgeführte Wahl attestiert: „Deutschland hat einmal mehr eine ungeminderte Verpflichtung zur Demokratie bewiesen“, so der Leiter des Teams, George Tsereteli.

Mehr als 100 ehemalige DDR-Oppositionelle haben sich mittlerweile gegen die perfide Strategie der AfD gewandt: „Deutschland braucht keine Revolution 2.0, wir werden nicht unterdrückt, wie es die Staatssicherheit im Auftrag der SED praktizierte. Wir lehnen Parolen wie: ‚Hol Dir Dein Land zurück – vollende die Wende!‘, die etwa die Brandenburger AfD im Wahlkampf einsetzt, ab. Das ist bereits unser Land!“

„Ein Prozent“ und die AfD untergraben das Vertrauen in die Demokratie. Mit falschen und alarmistischen Behauptungen wird Angst und Unsicherheit geschürt. Wähler und Wählerinnen sollen verunsichert oder in ihrem ohnehin schon gefestigten rechtsradikalen Weltbild bestärkt werden. Die Kampagne von „Ein Prozent“ hat nichts mit Aufklärung von Wähler*innen zu tun, sondern nur mit Desinformation.
"

Weiterlesen

Eine Plattform der