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„Lebensbilder – Wege aus dem Rechtsextremismus“ zeigt Vergangenheit und Neuanfang

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Nicht selten zentrales Thema für Aussteiger: Der Freiheitsbegriff (Quelle: EXIT-Deutschland)

Der Katalog „Lebensbilder“ zeigt Fotografien, die im Rahmen eines Projektes von EXIT entstanden sind. Die Aussteiger*innen wurden dazu aufgefordert, mit einer Einwegkamera Fotos zu machen, die ihre Gefühlslage und den Ausstiegsprozess aus ihrer Sicht darstellen. Von den geschossenen Fotos sollten die Aussteiger*innendann diejenigen auswählen, die den Prozess ihrer Meinung nach am besten beschreiben. Darüber hinaus verfassten sie Begleittexte, die den Fotos eine noch persönlichere Note verleihen und eine kommentierende Funktion haben. Zu jedem Aussteiger und jeder Aussteigerin, deren Fotos und Texte in dem Katalog vorkommen, gibt es zusätzlich ein paar Informationen: Alter, Geschlecht, Angaben zum rechtsextremen Engagement der jeweiligen Person, und die Motivationen sowohl für den Einstieg als auch den Ausstieg aus der Szene. Dadurch bekommt die Betrachtenden einen Eindruck davon, welche Erfahrungen und Gefühle die verschiedenen Aussteiger*innen beschäftigen.

Die Kombinationen aus Foto und Text stimmen nachdenklich, sie werfen immer neue Fragen auf. Immer geht es um die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, aber auch der Zukunft. Die Texte haben unterschiedliche Längen und Formate. Sie beschreiben sehr persönliche Ängste und Emotionen. Manchmal ist das nur ein kurzer Satz, manchmal ein Dialog zwischen einer Aussteigerin und zwei Polizisten besteht. Was dabei vor allem deutlich wird: Der Ausstieg ist kein geradliniger Prozess, sondern gewinnt durch die individuellen Erfahrungen und Erwartungen jedes Beteiligten an Komplexität. Das Wechselspiel zwischen Foto und Text wird von Prof. Dr. Ulrike Pilarczyk von der TU Braunschweig treffend zusammengefasst: „Das Fotografieren zwingt auch dort zu bildhafter Konkretion, wo die Sprache zuweilen Abstrakta bereit hält und das fotografische Bild gibt auch dort noch Auskunft, wo Sprachlosigkeit herrscht“.

„Gedankenknast“ – Begrenzte Bildräume sind ein zentrales Motiv

Zwischen neuen Anfängen und alten Wunden

So ist es beispielweise auch bei Karen, die sich 10 Jahre lang in der rechtsextremen Szene bewegte und in „freien Kameradschaften“ und Parteien aktiv war. Dem kurzen Steckbrief entnimmt der Betrachtende, dass sie damals der Szene beitrat, weil sie „die Gemeinschaft suchte“. Da sich genau diese Erwartung allerdings als Trugschluss herausstellte, stieg sie wieder aus. Wie herausfordernd sich der Ausstieg für sie gestaltet wird in den 5 Fotos und Begleittexten klar. Zunächst gibt es unter dem Titel „Strudel“ ein Foto einer gebrochenen Welle zu sehen, die aufschäumt und dabei auch den sandigen Boden aufwirbelt. Der dazugehörige Text beschreibt, wie der „Strudel“ als neuer Anfang gesehen werden kann und hinterlässt einen hoffnugsvollen Eindruck. Anders wirkt dagegen ihr letztes Werk, „Der innere Tod“. Auf dem Foto ist ein Garten zu sehen, der durch einen Zaun betrachtet wird. Der knappe Begleittext dazu liest sich folgendermaßen: „Man sagt, er stirbt bald, wenn einer etwas gegen seine Art und Weise tut.“ Nach einer leeren Zeile stellt die Aussteigerin fest, dass sie „schon viele Tode gestorben ist“.

Dieser Konflikt zwischen neuen Anfängen und alten Wunden findet sich nicht nur in den Fotos und Texten der Aussteigerin Karen, sondern wirkt bei allen Werken durch, auch wenn der Kontext immer ein anderer ist und die Aussteiger unterschiedlich in die Szene eingebunden waren. Die Ängste und Ungewissheit, die einen Neuanfang begleiten, sind ein zentrales Thema des Katalogs, ebenso wie die unterschiedlichen Interpretationen des Freiheitsbegriffs. Auch bei den Fotos lassen sich Parallelen entdecken – auf vielen Bildern sind eingeengte Räume, Zäune, Gitter oder bedrohlich aussehende Wolkendecken zu sehen. Auf der anderen Seite finden sich auch Fotos, auf denen scheinbar endlose Weiten das Gefühl von Freiheit und Unsicherheit ausdrücken sollen. „Was in den Bildern und Texten aller mehr oder weniger vordergründig präsent ist, ist Wegsuche und das Ringen um Klarheit,“ meint Prof. Dr. Ulrike Pilarczyk. Man möchte daher „allen Beteiligten, den Aussteiger*innen ebenso wie denen, die sie unterstützen, Kraft und Zuversicht wünschen, weiter zu gehen“.

„Strudel“ – Symbolisiert den Neuanfang

Ein Gefühl der Isolation

Der Katalog bietet den Aussteiger*innen die Möglichkeit, sich auszudrücken und die Vergangenheit zu verabeiten, und den Betrachter*innen einen Einblick in die unterschiedlichen Motivationen, die zum Eintritt in die und Ausstieg aus der Szene führen können. Der Katalog trägt dazu bei, die Entwicklungen, die spätere Neonazis durchleben, verstehen und einschätzen zu können. Mit welchen Erwartungen betreten Personen die rechtsxtreme Szene? Das ist wichtig für die Prävention. Natürlich sind die Gründe sehr unterschiedlich – manche zieht es aus ideologischer Überzeugung in die Szene, andere sind auf der Suche nach „den richtigen Antworten“ oder finden zunächst „nur“ die Musik gut. Doch all die Erwartungen, die die sieben Aussteiger*innen bei ihrem Einstieg hatten, sind nicht erfüllt worden. Das heißt jedoch nicht, dass sie automatisch durch den Ausstieg erfüllt werden. Viele Aussteiger*innen kommen durch das Wegbrechen der Strukturen aus der Szene an einem Punkt, der zur Neuorientierung zwingt. Viele Texte fragen nach der Identität, nach Sicherheit, die verloren gegangen ist. Auf den meisten Fotos sind keine individuellen Personen abgebildet, die Fotos hinterlassen vor allem ein Gefühl der Isolation und zeugen von den Spuren, die das rechtsextreme Engagement hinterlassen hat. Die Worte eines Aussteigers bringen dies auf den Punkt: „Ich bin raus [aus der Szene] weil ich meine Fehler sah und schon alles verloren hatte, was man verlieren kann – mich“.

Mehr Informationen zum EXIT-Katalog „Lebensbilder: Wege aus dem Extremismus“:

| Herausgeber:

EXIT-Deutschland

c/o ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur GmbH, Berlin

www.exit-deutschland.de

| Der Katalog kann auf Anfrage bestellt werden unter:

info@exit-deutschland.de

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