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Leipziger Fußball Bei Lok nur rechts außen? – Teil 2

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Hausverbote für viele "Scenario Lok"-Zugehörige. Solidaritätsbekundungen der Ultra-Gruppierung "Gauner Lok" mit den "willkürlich" Ausgesperrten. (Quelle: Screenshot Facebook)

 

 

Leipziger Fußball: Bei Lok nur rechts außen? – Teil 1Leipziger Fußball: Bei Lok nur rechts außen? – Teil 3

 

Der Ausschluss der Rechten Blue Caps LE machte sich in der Folge auch im und um das Stadion bemerkbar. Der Verein stellte sich als aktiver Kämpfer gegen Neonazismus im Stadion dar. Die verbliebene Ultra-Gruppierung Blue Side konnte mehr oder weniger unbehelligt agieren, es gab Aktionen zum UEFA-Antirassismus-Tag und der Verein blieb von weiteren Skandalen weitgehend verschont. Dem Verein Lok Leipzig, der damals auf öffentlichen Druck hin Neonazis ausgeschlossen hat, lag viel daran, das Image des bereinigten Vereins zu propagieren. Aber viel mehr scheint hinter dem Kampf gegen Nazis im Stadion allerdings auch damals nicht gesteckt zu haben.

 

Mit dem „Trauermarsch“ zurück ins Stadion

Denn im Hintergrund veränderten sich die Strukturen nur marginal. 2011 verbreiteten Blue Caps und Scenario den Aufruf zu einem „Trauermarsch“ vom Völkerschlachtdenkmal zum Bruno-Plache-Stadion. Anlass war der Tod eines Mitglieds aus den Reihen des Scenarios Lok bei einem Verkehrsunfall. „Und alle kamen sie damals rein, obwohl die Stadionverbote noch nicht ausgelaufen waren.“ Die Schuld schoben sich die Beteiligten im Nachgang gegenseitig zu.

Die neuen alten Handlungsspielräume nutzend, untermauerte die Gruppe ihren „Führungsanspruch“ der Fankurve. Kurzerhand hat man die Blue Side Lok gewaltsam aufgelöst – „im Interesse der Fanszene“. Blue Side hatte zwar in der Abwesenheit der anderen Gruppen Sympathien in der Fanszene erwerben können, aber der Brutalität wollten oder konnten sie sich nicht entgegensetzen. Keine Stimmung mehr im Stadion und „die damals bereits sinkenden Zuschauer_innen-Zahlen erreichten neue Rekord-Tiefststände, trotz sportlichem Erfolg und Aufstieg.“

 

Braunes Szenario

So war es nur eine Frage der Zeit, bis die neuen alten Akteure auch wieder abseits des Stadions für Aufsehen sorgten – und das vermeintliche Image des bereinigten Vereins demaskierten. Während einer Sommerparty im August 2012 in der NPD-Zentrale sorgten die Anhänger_Innen erneut für Schlagzeilen. In dem Objekt in der Odermannstraße feierten Gäste „mit Lagerfeuer, lauter Musik und Gegröhle. Wenig später waren laute „Sieg Heil“-Sprechchöre zu vernehmen sowie Solidaritätsbekundungen mit dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU).“ Im benachbarten „Kunstverein D 21“ fand ebenfalls ein Sommerfest statt, was die Nazis wohl offensichtlich gestört haben muss. So verließen einige die eigene Party und statteten dem Kunstverein kurzerhand einen „Besuch“ ab. Zuerst wurden die Gäste des Festes verbal bedroht, während zwischenzeitlich weitere Rechtsextremeeintrafen. Die Polizei verhinderte an diesem Abend mehr, wobei vier Beamt_innen durch Attacken mit Pflastersteinen verletzt wurden. Mehrere Angreifer trugen das Scenario-Motto-Shirt mit der Aufschrift „Leipziger Tradition“.  Auf der Rückseite prangt das patriotisch-nationalistische, aus der Kaiserzeit stammende Motto: „Enkel mögen kraftvoll walten, schwer Errungnes zu erhalten“. Erstehen konnte man das T-Shirt aber erst eine Woche später – am Verkaufsstand von Scenario beim Lok-Heimspiel. (vgl. chronik LE)

Eine weitere Woche später nahmen rund 2.000 Lok-Fans im Vorfeld der Begegnung gegen RB Leipzig an einem organisierten Fanmarsch von Scenario teil, die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer_innen trug dabei das „Leipziger-Traditions-T-Shirt“ vom Scenario. Selbst die Leipziger Volkszeitung wies im Vorfeld darauf hin, dass die Organisatoren als „Lok-Problemanhänger aus dem rechten Spektrum“ gelten. Steffen Kubald ließ verlauten, dass der  „Umzug nichts mit dem Verein zu tun“ habe. Das auch bei den Bedrohungs- und Übergriffsaktionen in der Odermannstraße aufgetauchte Scenario-Motto-Shirt wurde während des Derbys nicht nur von großen Teilen des Fanmarsches getragen, sondern auch von Spielern und Betreuer_innen des Vereins selbst. Im Stadion hing zudem ein großes Transparent mit dem Vereinslogo und darunter stand die Formel „Ehre und Stolz“, eine Formel nationalistischer, reaktionärer Bewegungen und beliebtes Motiv auf Nazi-Bekleidung. (Belltower Newschronik LE)

 

Geschichte geschrieben: Der Verein ist sich 2013 noch sicher, niemals Stolz und Ehre verloren zu haben. Quelle: Screenshot Facebook

 

Wurde bei den Blue Caps noch auf öffentlichen Druck hin reagiert, verweigerte der Verein zu Fragen bezüglich SL jeglichen Kommentar. Die Kooperation mit dem sozialpädagogischen Fanprojekt wurde abgelehnt und Kommunikationsversuche und Verabredungen seitens des Vereins ausgesessen. „Die Vereinsführung rund um Kubald verhinderte eine offene Problemanalyse der Lok-Fanszene und das Tätigwerden des neuen Fanprojekts, das explizit im Sinne einer demokratischen, toleranten Fankultur arbeitet.“ Um den eigenen Unwillen zu kaschieren, warf man dem neuen Fanprojekt-Träger Unfähigkeit vor, Zugang zu den Anhänger_innen zu finden. Mit dieser Tatsachenverdrehung beantragte Lok im Herbst 2012 beim Innenministerium die Finanzierung eines eigenen Fanprojektes, was glücklicherweise abgelehnt wurde. Der vorherige Träger „Sportjugend e.V.“ habe dem Verein 1. FC LOK Leipzig sehr nah gestanden.

 

Ein neuer Höhepunkt und Paradigmenwechsel des Vereins

Doch irgendwann musste die Realität die Verantwortlichen auch wieder einholen. Beim Auswärtsspiel in Babelsberg kam es zu Ausschreitungen zwischen den eher links-orientierten Anhänger_innen des SV Babelsberg und einer Gruppe befreundeter Hooligans von Lokomotive Leipzig, BFC Dynamo Berlin und dem Halleschen FC. In und um das Stadion kam es zu teils chaotischen Zuständen. Bereits vor dem Spiel spitzte sich die Situation zu. Beide Seiten bewarfen mit teils gefährlichen Gegenständen. Die Stimmung schaukelte sich hoch. Im Leipziger Block brüllten sie „Wir sind die Krieger, wir sind die Fans, Lokomotive ? Hooligans“. Die Babelsberger riefen immer wieder „Nazis raus“. Während des Spiels selbst brüllte eine recht große Gruppe im Lok-Fanblock unter anderem „Ha Ha Antifa!, Bambule, Randale, Rechtsradikale!/ Nie wieder Israel!/ Arbeit macht frei, Babelsberg 03!/ Zick zack Zigeunerpack!/ Wir sind Lokisten, Mörder und Faschisten./ Antifa, Hurensöhne!“. Auch das sogennante U-Bahn-Lied wurde gesungen. Von den anderen über 700 Lok-Anhänger_innen oder etwa der Vereinsspitze folgte keine Intervention. In der 67. Spielminute eskalierte die Situation und das Spiel musste sogar unterbrochen werden. (vgl. Juliane NagelMärkische Allgemeine)

 

Kurz darauf fand die überregionale Demonstration „Hooligans gegen Salafisten“ in Köln statt, zu der eine größere Gruppe Hooligans aus Leipzig, Halle und Erfurt gemeinsam anreiste.  (Mehr Informationen zu HoGeSa: Factsheet und Zeitleiste) Im Zuge dessen veränderte sich die Zusammenarbeit zwischen dem Fanprojekt und Verein – um gemeinsam Umgangsweisen mit den Fans zu finden. Die finanzielle Konsolidierung des Vereins stand auf dem Spiel. Abspringende Sponsoren durch weitere Skandale konnte sich der Verein dementsprechend nicht erlauben. Ein Zeichen, was seit der Neugründung längst überfällig war, aber auch mit Leben gefüllt werden musste. Der neu-gewählte Vorstand reagierte auf den Image-Schaden mit einem Eintritts- und Auftrittsverbot für Scenario im eigenen Stadion. Zudem sprachen sie einige Hausverbote aus und führten einen Verhaltenskodex ein. Ein Jahr später wurde der Ausschluss verlängert.

 

Auszug aus dem Leitbild vom 1. FC Lokomotive Leipzig:

„Wir nehmen unsere soziale Verantwortung wahr. Wir stehen für ein familiäres Umfeld und sind ein sympathischer Club zum Anfassen. Wir vermitteln Werte wie Loyalität, Respekt, Fairness und Toleranz. Wir üben Solidarität mit in Not geratenen Menschen und zeigen uns hilfsbereit gegenüber Benachteiligten. Wir treten aktiv und konsequent gegen jede Form von Diskriminierung auf.“ 

 

Auf den teils unbefristeten Ausschluss reagierten die Scenario Mitglieder mit Drohungen und Gewalt – gegen den eigenen Club. Es häuften sich Sachbeschädigungen auf dem Vereinsgelände wie aufgeschlitzte Autoreifen. Bei einem der Vorfälle hinterließen die Täter_innen den Spruch „Scenario, wir lassen uns nicht verbieten“. Die Urheberschaft dieser Ausfälle werden dem Scenario zugeschrieben, was deren Standing in der Fanschaft nicht gerade verbesserte. So gab SL im Oktober 2014 seine Auflösung bekannt. In ihrer Auflösungserklärung schrieben sie: “Uns wurden Sachen zur Last gelegt, ohne wirkliche Beweise! Es wurden Unterstellungen gemacht, ohne wirklich zu argumentieren und diese zu hinterlegen.“ Die zeitliche Nähe zwischen Zerstörungs- und Bedrohungsaktionen sowie die hinterlassenen Spuren werden von der vom Verfassungsschutz beobachteten Fangruppierung geflissentlich außer Acht gelassen. Dies würde die eigene Opferrolle in Frage stellen. Gleichzeitig macht “Scenario Lok“ in seiner Auflösungserklärung unmissverständlich deutlich, dass dem Verein nicht der Rücken gekehrt werden soll. “Es geht um unsere gemeinsame Liebe – unseren FC Lok! Für unsere Farben und für die Tradition! Blau und Gelb ein Leben lang!“ heißt es dort. (vgl. Belltower News)

 

Fanszene Lok

Der Verein blieb seiner Linie treu – was dazu führte, dass sich bei Lok die Ultragruppe „Fankurve 1966“ freier entfalten konnte, die sich gegen Diskriminierung ausspricht. Doch ganz war das Problem auch damit nicht behoben. Bereits seit 2010 bestand ein Anfangs loser Zusammenschluss der „Blue Caps LE“, „Leipziger Jungs“ und Scenario unter dem Namen „Fanszene Lok“. Um die gemeinsame „Fanszene“ tummelt sich ein Spektrum von unpolitischen und rechtsoffenen Fußballfans bis hin zu Neonazis. Seit der Auflösung von SL entstand neben der „Fanszene Lok“ noch das Projekt „Eastside Rowdys“. Diese beiden Gruppen fingen zum größten Teil die Mitglieder der alten Gruppen auf und es besteht eine deutliche Nähe zu den Leipziger „Hells Angels“. (vgl. Robert Claus: Hooligans. Eine Welt zwischen Fußball, Gewalt und Politik)

 

Platz für Neues: Fankurve 1966

Neue, bunte Fangruppen wie die „Fankurve 1966“ schafften es trotzdem sich innerhalb der Fanschaft zu etablieren und andere Wege aufzuzeigen. „Jegliche Formen von Diskriminierung und sonstigem menschenverachtendem Gedankengut haben in unseren Reihen definitiv keinen Platz“, schreibt die Gruppe auf ihrer Internetseite. Ein wichtiger Schritt der eigenen Anhänger_innen im Kampf gegen die Nazis im Stadion. Es bleibt zu hoffen, dass es langfristig gesehen auch einen positiven Einfluss auf die gesamte Fanszene bei Lok Leipzig hat.

Ein Foto bei einem Heimspiel in der Saison 2016/17 von der „Fankurve 1966“ zeigt ein Spruchband in Anlehnung an das Plakat beim Stadtderby 2002. Sie wollen keine Pauschalisierung von Lok-Fans und wollen auch nicht Rudolf Heß bei Lok rechts außen sehen. Quelle: Screenshot Internetseite Fankurve 1966.

 

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