YouTube hat seine ganz eigenen Stars, und einer davon ist ein junger Mann namens Julien Sewerin. Laut YoutubeWiki ist er 26 Jahre alt, Deutscher mit italienischen Wurzeln und hat über 1.225.000 Abonnenten (Stand: 20.04.2015). Damit gehört er zu den Top 20 der meistabonnierten YouTubern in Deutschland.
Seine Fans hat er offenbar mit Analysen von Rap-Songs gewonnen, in einem sarkastisch-bitterbösen Stil, und diesen dann später auch auf Verrisse der Bibel oder der BILD-Zeitung angewandt. Provokationen und Massenbeleidigungen seien seine Hauptstilmittel, berichtet das Netzfeuilleton schon 2013.
Vor Videos veröffentlichte er in der Vergangenheit auch einmal den Passus, er verwende schwarzer Humor und Zynismus als Stilmittel, die aber niemand ernsthaft beleidigen sollten. Dies mag er sich zwar wünschen, aber beim „schwarzen Humor“ ist das immer so eine Sache (vgl. ngn-Bericht „Haben Nazis Humor?„): Die Grenzen zwischen Satire, verletzender gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und sogar Volksverhetzung sind oft fließend.
Ein trauriges Beispiel dafür ist Juliens aktuellstes Video (das auch ohne diesen Disclaimer daherkommt): „GDL – Bahnstreik“. Ein Aufregerthemer für viele, auch Julien regt sich auf, und es wird schnell klar, dass Niveau nicht sein Thema ist: Es hagelt – um die Gewerkschaft der Lokführer und Lokführer an sich zu verunglimpfen – sexistische und behindertenfeindliche Beschimpfungen mit Sekundentempo. Außerdem blamiert sich Julien mit einer völlig unreflektierten Sicht auf Streiks und Streikkultur an sich, die aber viele seiner Follower (laut entsprechender Kommentare unter dem Video) teilen oder sich gar zu eigen machen, weil ein solches „Vorbild“ es ihnen auf YouTube erzählt.
Über 200.000 Menschen haben das Video bereits gesehn – über 34.000 gefällt es. MitMenschenfeindlichkeit lässt sich bei YouTube Geld verdienen, denn das geht überdie Anzahl der Klicks.
Richtig „hübsch“ wird es ab Minute 3:50: „Vergasen sollte man sie, diese Mistviecher. Wisst Ihr noch, wie die Juden in Zügen nach Auschwitz transportiert wurden? Man sollte die Zugführer alle dahinbringen! Ich fahr auch den Zug und zwar umsonst und werde nicht einmal streiken.“ Bebildert mit dem Foto einer Gaskammer und Zügen voller Jüdinnen und Juden auf dem Weg in die Konzentrationslager im nationalsozialistischen Deutschland. Herabsetzung des tödlichen Antisemitismus der Nazis als „humoristisches“ Stilmittel bei gleichzeitiger Todesdrohung pauschal gegen alle Lokführer. Mehr Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit lassen sich kaum in 4 Minuten YouTube unterbringen. Ganz „humoristisch“, natürlich.
Und wie reagieren die größtenteils jugendlichen Zuschauer_innen auf diese 4 Minuten Hass? Die meisten, die in der Kommentarspalte eine Meinung hinterlassen, finden es gut, stimmen zu, versuchen, einen noch krasseren Kommentar mit noch mehr Beleidigungen pro Rechtschreibfehler zu hinterlassen.
Doch einer kommentiert: „Julien fordert, dass in Deutschland wieder Menschen „vergast“ werden sollen und dafür gibt es 33.682 Likes. Faschismus ist offenbar wieder en vouge und bringt sowohl Klicks als auch Kohle ein. Und sobald die ersten Anzeigen bei Julien eintrudeln, stellt er das Video eben auf „privat“, die Kohle hat er ja längst mit seinem menschenverachtenden Abfall gemacht. Jeder der seine T-Shirts kauft ist ein Faschist.“ Er wird sofort angepflaumt: „Traurig, dass es Leute wie dich gibt, die das auch noch ernst nehmen. Dummheit kennt halt keine Grenzen.“ Es gibt allerdings noch andere Menschen, die das ernst nehmen. Über Twitter meldeten User_innen das Video auch an die Polizei München. Die twitterte zurück, dass sie Ermittlungen aufnimmt. Es könnte also bald Schluss sein – zumindst mit dieser Art von „lustig“.
Eingesandt über E-Mail.Kommentiert von Redaktion.
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