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Ludendorff-Treffen „Unsere fröhlichen Musikanten spielen auf!“

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Die Immobilie „Jugendheim Hohenlohe“ in Herboldshausen (Baden-Württemberg) (Quelle: Timo Büchner)

„Wir brauchen jede Menge Statisten“ – schrieb der „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V.“ (BfG) in einer internen Einladung zu einer „Herbstkulturtagung“. Die Veranstaltung fand vom 30. September bis 2. Oktober 2022 im „Jugendheim Hohenlohe“ in Kirchberg/Jagst-Herboldshausen (Baden-Württemberg) statt. Der BfG ist Teil des völkischen Ludendorff-Netzwerks. Das Netzwerk pflegt die antisemitische und rassistische Ideologie Mathilde Ludendorffs (1877-1966).

Ludendorff begründete in den 1920er-Jahren die „Deutsche Gotterkenntnis“. Sie behauptete, es gäbe „Lichtrassen“ und „Schattenrassen“ mit unterschiedlicher Fähigkeit zum „Gotterleben“. Die „Schattenrassen“, insbesondere das jüdische Volk, strebten die „Rassemischung“ an. Das „Jugendheim“ ist seit 1972 in den Händen des Vereins. Der BfG ist in der extremen Rechten bestens vernetzt. Immer wieder finden neonazistische und völkische Treffen in dem alten Bauernhaus statt. So führte die Neonazi-Gruppierung „WIR Heilbronn“ im Oktober 2021 einen „Thing der Titanen“ und die rechtsextreme „Identitäre Bewegung“ im März 2022 ein „Aktivistenwochenende“ im Haus durch.

Das „alljährliche Herbsttreffen mit Filmdreh“ begann mit „ersten Rollenproben“ ab 19.30 Uhr. „Jede Menge Statisten“, wie der BfG in der Einladung schrieb, waren für die Dreharbeiten nötig. Es ging beim Filmdreh einerseits um Erntefest, Handarbeitstechniken, Volkstänze – und andererseits um die Ideologie Mathilde Ludendorffs. Unter den Drehthemen war die Auseinandersetzung mit dem Buch „Triumph des Unsterblichkeitswillens“ (1921) gelistet. Die Anmeldungen zur „Herbstkulturtagung“ nahm Ingrid Beck entgegen. Beck wohnt in Rieschweiler-Mühlbach (Rheinland-Pfalz) und ist in der Ortsgruppe Zweibrücken des Naturschutzbundes (NABU) aktiv. Laut NABU-Website ist sie die Sprecherin der Naturschutzjugend. Offenbar betreut Beck die Kinder- und Jugendgruppe.

An der „Herbstkulturtagung“ nahmen zwei Dutzend Personen teil. Knapp die Hälfte der Personen waren Kinder und Jugendliche. Die Autos der Teilnehmenden kamen größtenteils aus Baden-Württemberg. Sie hatten Kennzeichen aus Böblingen, Esslingen, Heilbronn, Künzelsau, Stuttgart und Waldshut. Einzelne Autos kamen aus Bayern und Sachsen-Anhalt. Unter den Teilnehmenden waren Gudrun und Dr. Hartmut Klink aus Ingelfingen-Lipfersberg (Baden-Württemberg). Gudrun Klink ist die BfG-Vorsitzende. Zudem nahm Heidrun Beißwenger teil. Sie ist regelmäßige Autorin der BfG-nahen Zeitschrift „Mensch & Maß“ und betreibt seit einigen Jahren den verschwörungsideologischen Blog „Das Adelinde-Gespräch“. Zuletzt ist der Blog durch massive Pro-Putin-Propaganda aufgefallen.

Von Baden-Württemberg …

Am 8. Oktober 2022, nur eine Woche später, planten Völkische aus dem Ludendorff-Netzwerk einen „Herbstball“ in der Festhalle in Kirchberg/Jagst. In der Einladung, die lediglich intern beworben wurde, schrieben die Völkischen: „So laden wir Euch ein, in einer bunten Herbstnacht in froher Runde das Tanzbein zu schwingen – unsere fröhlichen Musikanten spielen auf!“ Das mag harmlos klingen. Aber: Der „Maitanz“, der vom 30. April auf den 1. Mai 2022 in Hüttlingen (Baden-Württemberg) stattfand, hat zur Schau gestellt, welches Klientel im Rahmen derartiger Veranstaltungen zusammenkommt. Es kamen Antisemit*innen, Rassist*innen und Neonazis. Zum Beispiel waren Mitglieder der sogenannten „Identitären Bewegung“ und vom „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ unter den Teilnehmenden.

Nach dem „Herbstball“ planten die Völkischen ihre Übernachtung im „Jugendheim Hohenlohe“. Es hieß in der Einladung: „Übernachten können wir im Heim im beschaulichen Herboldshausen. Dort gibt es mehrere große Räume mit Doppelstockbetten, sowie die Möglichkeit, in der schönen Tenne auf dem Holzfußboden zu schlafen.“ Allerdings kam der „Herbstball“ samt Übernachtung in Kirchberg/Jagst nicht zustande. Nach Angaben des Bürgermeisters Stefan Ohr habe eine Person im August des Jahres eine Anfrage zur Hallenanmietung an die Stadt gestellt. Laut Ohr ging aus der Anfrage keine Verbindung zum Ludendorff-Netzwerk hervor. Da die anfragende Person im Kirchberger Rathaus nicht bekannt war, wurde sie um Vorlage eines Personalausweises gebeten. „Nachdem kein Ausweis vorgelegt wurde“, so Ohr gegenüber dem Hohenloher Tagblatt, „kam es auch nicht zum Abschluss eines Mietvertrages“.

… nach Thüringen

Die Immobilie „Zum Bahnhof“ in Marlishausen (Thüringen) (Quelle: Recherche Nord)

Nachdem die Stadt Kirchberg/Jagst die Hallenvermietung an das Ludendorff-Netzwerk verweigert hatte, mussten die Völkischen nach einer Alternative suchen. Die Veranstaltung wurde in die Gaststätte „Zum Bahnhof“ in Marlishausen nahe Arnstadt (Thüringen) verlegt. Die Immobilie verfügt über einen großen Saal. Der Saal soll 120 Personen einen Platz bieten können. Ideal, um einen „Herbstball“ durchzuführen. Die Mobile Beratung in Thüringen (MOBIT) berichtet in der Broschüre „Nach den rechten Häusern sehen. Immobilien der extrem rechten Szene in Thüringen“ (2018) über die Gaststätte: 2011 kaufte Fabian Rimbach die Immobilie. Einst war Rimbach in der völkischen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) aktiv. Die HDJ wurde 2009 durch das Bundesinnenministerium verboten. Heute ist Rimbach der Bundesvorsitzende der „Schlesischen Jugend“. Laut MOBIT fanden schon Veranstaltungen der „Identitären Bewegung“ und der „Schlesischen Jugend“ in der Gaststätte statt. Erst kürzlich, am 9. April 2022, führte die extrem rechte NPD-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ ihren Bundeskongress in der Gaststätte durch.

Es kamen knapp 100 Personen zum „Herbstball“. Laut Endstation Rechts nahm der verurteilte Holocaustleugner Nikolai Nerling („Der Volkslehrer“) an der Veranstaltung teil. Bundesweit reisten die Teilnehmenden an. Die Autos hatten Kennzeichen aus Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Mehrere Personen, die bereits an der „Herbstkulturtagung“ teilgenommen hatten, nahmen am „Herbstball“ teil. Die beiden Veranstaltungen stellten einmal mehr zur Schau, wie eng vernetzt die völkische Szene in der Bundesrepublik ist.

Lesetipp: Im Oktober 2022 ist der Aufsatz „Das Ludendorff-Netzwerk in Baden-Württemberg“, der von Timo Büchner geschrieben und von der Heinrich-Böll-Stiftung Baden-Württemberg herausgegeben wurde, erschienen.

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