Gedämpfte Stimmung bei den Spitzenkandidaten Alice Weidel und Tino Chrupalla sowie bei Jörg Meuthen, dem Bundessprecher der AfD, auf der Pressekonferenz am Montag nach dem Wahlabend. Das Wahlergebnis der AfD sei sowohl „Licht als auch Schatten“, beurteilt Meuthen das durchwachsene Ergebnis seiner Partei. Im Westen kommt die AfD, bis auf das Saarland (10 Prozent), in keinem Bundesland auf ein zweistelliges Ergebnis. Im Osten hingegen ist die AfD stark. In Thüringen und Sachsen wird sie sogarstärkste Kraft.
Lange Zeit gab es für die AfD nur eine Richtung, bergauf: Im Gründungsjahr 2013 erreichte sie bei der Bundestagswahl 4,7, 2017 dann 12,6 Prozent. Ein Ergebnis, das sie nun mit 10,3 Prozent der Stimmen nicht mehr schafft. Die AfD ist nicht mehr stärkste Oppositionspartei, sondern fällt auf Platz fünf.
Gereizte Stimmung in der Bundespressekonferenz
Meuthen erkennt am Montag auf der Bundespressekonferenz an, dass die Partei erhebliche Stimmen verloren habe. „Im Ganzen ist das kein gutes Ergebnis“, merkt er an. Co-Spitzenkandidatin Alice Weidel kontert, dass sie sich das Ergebnis „nicht schlecht reden lasse, von niemandem“.
Besonders für Meuthen dürften die kommenden Tage und Wochen unangenehm werden. Das wurde schon während der Pressekonferenz am Montag deutlich, als sich Tino Chrupalla bei Alice Weidel „für die tolle Zusammenarbeit“ bedankte und Weidel bei Chrupalla „für den tollen Wahlkampf“. Bei Meuthen, dem Bundessprecher, bedankt sich unterdessen keiner. Und generell ist die Stimmung gereizt.
Ein Machtkampf zieht auf
Hier zeigt sich: Die AfD ist tief gespalten in zwei Lager und der nächste Machtkampf scheint unausweichlich. Da gibt es das sich als „bürgerlich“ und „gemäßigt“ beschreibenden Lager vieler West-Verbände und den radikalen, rechtsextremen Flügel im Osten. Die AfD wird inzwischen in breiten Wählerschichten als rechtsradikal wahrgenommen. Zwar hatte die Parteiführung im Vorjahr durchgesetzt, dass sich der rechtsextreme „Flügel“ selbst für aufgelöst erklärt. Aber die Mitglieder sind weiterhin in der Partei, und dieses Höcke-Lager ist in einigen Landesverbänden tonangebend, etwa in Thüringen, Sachsen, Brandenburg und Baden-Württemberg. Auch die Spitzenkandidaten Alice Weidel und Tino Chrupalla werden vom radikalen Personal des ehemaligen „Flügels“ unterstützt.
Um Parteichef Meuthen, der die AfD eher „bürgerlich-rechtskonservativ“ ausrichten will, ist es zuletzt immer einsamer innerhalb seiner Partei geworden. Ende Mai hatte er den Rauswurf des Brandenburger Landeschefs Andreas Kalbitz durchgesetzt. Kalbitz, ein Politiker mit Neonazi-Vergangenheit, galt als zweiter Mann hinter dem Faschisten Björn Höcke. Spätestens mit Kalbitz Rauswurf hatte sich Meuthen viele Feinde in seiner Partei gemacht. Rechtsextremes und „gemäßigtes“ Lager, sie stehen sich seit der Wahl noch unversöhnlicher gegenüber.
Meuthens Ziel war es, sich bürgerlicher zu geben und Stimmen aus dem Lager von CDU und FDP zu gewinnen. Das hat bei dieser Wahl nicht geklappt, wie er am Montag feststellen musste. Er spricht von einem ausgeschöpften Potenzial. Selbst der Vorsitzende glaubt offenbar vorerst nicht daran, weiter angeblich „enttäuschte“ CDU-Wähler:innen rekrutieren zu können.
Gefestigte Stammwählerschaft
Dass die AfD keine nennenswerten Zuwächse verzeichnen konnte liegt auch daran, dass es den Rechtsradikalen nicht gelungen ist ein treibendes Wahlkampfthema zu finden, das Thema Migration spielt derzeit keine Rolle. Alice Weidel und Tino Chrupalla versuchten unterdessen an die Querdenkerbewegung anzuschließen. Doch, besonders „Querdenker:innen” aus West- und Süddeutschland kommen eher aus einem esoterisch und linken Milieu und sind damit nicht anschlussfähig an Ideale der AfD.
Das gute Ergebnis in ostdeutschen Bundesländern zeigt hingegen, dass sich die AfD hier etabliert hat und das offensichtlich nicht nur bei älteren Wähler:innen. Bei den U-18 Wahlen im Vorfeld der Bundestagswahlen, bei der Kinder und Jugendliche wählen dürfen, ohne dass deren Stimmen in das Bundestagswahlergebnis einfließen, war die AfD bei Kindern und Jugendlichen in Sachsen und Thüringen stärkste Kraft.
Keine „Lega Ost“
Meuthen zog noch am Wahlabend den Vergleich zur rechtspopulistischen italienischen Regionalpartei Lega Nord: „Wenn wir vorankommen wollen, müssen wir im Westen genauso erfolgreich sein wie im Osten“, so Meuthen gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Er hoffe, dass dies jedem in der Partei bewusst sei. Die AfD dürfe eben nicht zur „Lega Ost“ werden.
Ein Machtkampf zwischen den beiden Lagern scheint unausweichlich. Und wie wir aus der Geschichte der AfD wissen, ist es eine Partei der zunehmenden Radikalisierung. Man kann hier auch von Häutungen sprechen, nach jeder Häutung agiert die AfD zunehmend demokratiefeindlicher und rechtsextremer. Nun steht wohl die nächste Häutung an, durch die die rechtsextremen Kräfte weiter gestärkt werden.