In Berlin fanden vom 27. Juli bis zum 5. August 2015 die European Maccabi-Games für jüdische Sportler_innen statt. Dabei kam es zu kleineren antisemitischen Vorfällen, zum Glück blieben aber größere Gewalttaten aus.
Eine Gruppe junger Männer wurde in Neukölln antisemitisch angepöbelt: Sechs Männer im Alter von 18 bis 23 Jahren wurden am Donnerstagabend vor dem S-Bahnhof Sonnenallee in der Nähe des Hotels „Estrel“ von zwei Jugendlichen beleidigt. Die Männer waren durch die traditionelle Kopfbedeckung Kippa oder Davidsterne als Juden erkennbar (Die Welt).Zwei Wachleute vor dem Hotel „Estrel“ in Neukölln, wo rund 2000 jüdische Sportler wohnen, wurden antisemitisch beleidigt. Sie alarmierten die Polizei, die einen Mann arabischer Herkunft festnahm (Die Welt)Das Bild „Vaterland“ an der East Side Gallery wurde antisemitisch beschmiert, was der Künstler allerdings am folgenden Tag bereits beseitigte (n-tv).
Mehr zu den European Maccabi Games gibt es auf www.Fussball-gegen-Nazis.de
Ex-Herthaner Claudio Offenberg leitete die Maccabi-Games und berichtet von Antisemitismus im Alltag, den er als Trainer und Manager von TuS Makkabi Berlin erlebt: „Mit Beschimpfungen sehen wir uns fast täglich konfrontiert, richtig schwere Übergriffe gab es in drei Fällen: In Altglienicke, gegen die Reinickendorfer Füchse und zuletzt 2012 gegen Hürtürkel“, erinnert sich Offenberg. Eine von „blankem Hass geprägte Atmosphäre der Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen“, prangerte der TuS Makkabi damals an. Spieler von Makkabi waren auf dem Platz auf übelste Art und Weise bedroht worden. Der Berliner Fußball-Verband setzte damals ein Zeichen und verhängte eine halbjährige Sperre gegen einen Spieler von Hürtürkel wegen antisemitischer Beleidigungen. „Vor allem unsere Spieler mit muslimischer Herkunft werden oft von ihrer eigenen Community schwer beleidigt“, beklagte Offenberg. Bis 2008 seien die Beschimpfungen überwiegend vom rechten Rand der Gesellschaft gekommen, zuletzt seien die Attacken eher von Menschen mit Migrationshintergrund erfolgt. Doch das harte Durchgreifen der Verbandes habe sich gelohnt (n-tv).
Leider zeigte sich Ende August dieser antisemitische Alltag im Fußball wieder: Das Spiel zwischen TuS Makkabi III und dem BFC Meteor III am 30.08. musste wegen einer Massenschlägerei in der zweiten Hälfte abgebrochen werden. Es handelt sich um eine Partie der Kreisklasse C am zweiten Spieltag der Saison. Bei der Prügelei in Charlottenburg wurden zwei Beteiligte verletzt. Einer klagte über Schmerzen am Kopf, der andere über Schmerzen in der Bauchgegend. Insgesamt waren 21 Männer in die Auseinandersetzung auf dem Sportplatz an der Harbigstraße verwickelt. Gegen vier von ihnen wurden Verfahren unter anderem wegen Beleidigung und Körperverletzung eingeleitet. Auslöser der Massenschlägerei sollen antisemitische Äußerungen eines 25 Jahre alten Zuschauers gegenüber einem Spieler von Tus Makkabi gewesen sein. Auf verbale Attacken folgten schließlich handgreifliche, woraufhin sich andere Spieler einmischten. Die alarmierten Polizeibeamten stellten die Identitäten von insgesamt 21 Personen fest und leiteten vier Strafermittlungsverfahren wegen Köperverletzung, Beleidigung und Landfriedensbruchs ein. Aufgrund der antisemitischen Äußerungen hat der Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen, wie Jens Berger von der Berliner Polizei bestätigte (vgl. Welt).
Da sieht man auf traurige Weise die Notwendigkeit, warum es gut ist, dass das Jüdische Museum in Berlin ein Dialogprojekt mit Muslimen plant. Überschneidende Themen beider Religionen, aber auch kritische Aspekte wie Antisemitismus sollen diskutiert werden. „Wir möchten junge jüdische und muslimische Menschen zusammenbringen, damit sie sich über gemeinsame Probleme und Themen austauschen“, so der Direktor des Museums Peter Schäfer. Dabei gehe es um konkrete, beide Religionen betreffende Fragen wie die Beschneidung oder Essensgebräuche, aber auch um Konfliktpunkte wie den Nahostkonflikt und seine Folgen für Europa oder die Frage, ob es einen muslimisch geprägten Antisemitismus gebe (vgl. Islamiq.de).
Kultur
Das Buch „Winternähe“ der jungen Schriftstellerin Mirna Funk wird mit dem Uwe-Johnson-Preis ausgezeichnet. Aviva schreibt über den Roman: „Berlin-Mitte. Angesagte Gegend mit angesagten Menschen. Lola, 34, Fotografin, arbeitet in einer Agentur, ist (Ost)Deutsche, Jüdin und hat den Hals von ihrem antisemitischen Umfeld gestrichen voll.“ (vgl. auch Deutschlandradiokultur).
Eine „Streitschrift“ haben die Medienschaffenden Georg M. Hafner und Esther Schapira verfasst: „Israel ist an allem schuld. Warum der Judenstaat so gehasst wird.“ Dabei kommen sie unter anderem zu dem Schluss, dass der Judenstaat so gehasst wird, weil fahrlässig Halbwahrheiten verbreitet werden „und manchmal sogar Falschmeldungen, die interessante Rückschlüsse auf die verantwortlichen Redakteure zulassen“ (vgl. Die Presse)
Der Film „Straight Outta Compton“ über die legendären Gangsta-Rapper N.W.A. kommt in die Kinos und belebt die Frage nach schwarzem Antisemitismus in Amerika, berichtete die „Jüdische Allgemeine„.
Und in Spanien wird der jüdischer HipHopper Matisyahu, der zuvor mit Adel Tawil bei den Maccabi-Games sang, von einem Festival ausgeladen, weil er keine Erklärung abgibt „gegen den Krieg und zugunsten des Rechts des palästinensischen Volks auf einen eigenen Staat“. Von den anderen Musiker_innen des Festivals war eine entsprechene Erklärung allerdings nicht eingefordert worden, was den Musiker Antisemitismus vermuten lässt (Tagesspiegel).
Interessantes Lesestück in der F.A.Z.: Jüdisches Leben in Deutschland: Ein Blick zurück, ein Blick nach vorn
Jüdisches Leben in Deutschland kann nach Auschwitz eigentlich nicht normal sein – und ist es an manchen Orten doch. Aber ein neuer Antisemitismus bedroht die fragile Normalität. Eine Spurensuche, die zu einer vielfältigen Reportage führt. (F.A.Z.)
In eigener Sache
Die Amadeu Antonio Stiftung und Xavier Naidoo haben sich in einem Gerichtstermin am 19. August vor dem Landgericht Mannheim auf einen Vergleich geeinigt. Hintergrund war ein Antrag Naidoos auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verschiedener Äußerungen in dem Artikel „Xavier Naidoo: Telegramm für X oder wie bringe ich Reichsbürger-Inhalte ins Fernsehen“, der auf dem Internetportal Belltower.news der Stiftung veröffentlicht worden war. Der Artikel setzt sich mit Auftritten Xavier Naidoos auf zwei Demonstrationen am 03. Oktober 2014 vor dem Reichstag auseinander, überdies wurden Textstellen von Xavier Naidoos Song „Raus aus dem Reichstag“ als antisemitisch bezeichnet. In dem Vergleich erklärte sich die Stiftung zur Unterlassung verschiedener Äußerungen bereit. Überdies wurde klargestellt, dass die Amadeu Antonio Stiftung nicht Xavier Naidoo persönlich als Antisemiten darstellen wollte, dass die Stiftung aber weiter die Auffassung vertritt, dass Zeilen aus Naidoos Liedtext „Raus aus dem Reichstag“ als antisemitisch interpretiert werden könnten. „Die Stiftung beobachtet mit Sorge, dass antisemitische Stereotype seit Jahren wieder salonfähig werden und häufig unwidersprochen bleiben. Aufgrund dieser Entwicklung ist es fatal, dass Texte, die antisemitisch interpretierbar sind und damit entsprechende Strömungen bedienen von prominenten Personen wie Xavier Naidoo vorgetragen werden. Es ging uns zu keinem Zeitpunkt darum, Xavier Naidoo persönlich anzugreifen. Doch es muss möglich sein, kritikwürdige politische Entwicklungen auch zu kommentieren.
Blogs, die über den Prozess berichteten, wurden ebenfalls abgemahnt. Vor Naidoo-Konzerten in Erfurt und Bremen kam es im Vorfeld zu Protesten.
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