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Menschenfeindlichkeit August 2015 Homofeindlichkeit und Sexismus

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Mussten im August diskutieren, weil sie zwei Arbeitgeber darauf hinwiesen, dass sie Menschen beschäftigen, die im Internet zum Mord an Homosexuellen aufrufen: Enough is enough. (Quelle: Facebook)

Aktuell nimmt die Feindlichkeit gegen Flüchtlinge im rechtspopulistischen Raum viel Platz ein. Gleichzeitig geht der gesellschaftliche Trend aber auch überdeutlich dahin, menschlich zu sein und Flüchtlinge in Deutschland willkommen zu heißen, statt auf Etabliertenvorrechte zu beharren und Flüchtlinge auszugrenzen. Was macht da die frisch getrennte Rechtspopulist_innen-Partei  AfD, um wenigstens noch einen Hauch Zustimmung und Aufmerksamkeit zu erlangen? Sie widmet sich dem zweiten rechtspopulistischen Evergreen neben der Islamfeindlichkeit: Der Gleichstellungspolitik, die für die „Alternative für Deutschland“ nur eine „Gender-Ideologie“ ist. In Baden-Württemberg stehen die nächsten Landtagswahlen an, außerdem stehen hier schon länger die „Besorgten Eltern“ gegen sexuelle Vielfalt und Gender-Mainstreaming auf der Straße: Hier also glaubt die AfD also mit einem Antrag punkten zu können, in dem sie fordert, alle Gleichstellungspolitik „unverzüglich zu beenden“. Eingebracht hat den  Anfang August Jörg Meuthen, zweiter Bundessprecher der AfD hinter Frauke Petry und Vorsitzender des baden-wüttembergischen Landesverbandes. Einstimmig verabschiedet die AfD BW den Antrag, der fordert, die Gleichstellungspolitik „als durchgängiges politisches Leitprinzip“ sei „auf allen Ebenen unverzüglich und ersatzlos zu beenden“. Dieser „unzulässigen Eingriff des Staates“ in das Leben der Menschen sei „überdies aus biologischen Gründen zum Scheitern verurteilt“. Das Bundesgleichstellungsgesetz und ähnliche Regelungen wollen der AfD-Co-Chef und seine Freund_innen aufheben, sämtliche Stellen für Gleichstellungsbeauftragte streichen. Nur gut, dass sie dazu erst einmal gewählt werden müssten. Und vorher merken die Wähler_innen hoffentlich schon noch, dass es zwischen Gleichstellung (um die es geht) und Gleichmacherei (um die es laut AfD angeblich geht) ein himmelweiter Unterschied ist (vgl. Berliner Zeitung). Schön dazu ein Kommentar von Grünen-Politiker Volker Beck: „Der von der AfD beschlossene Mütterkreuzzug überholt selbst Putins homophobes Propagandagesetz von rechts. Alle, die nicht in einer heterosexuellen Beziehung leben, bei der allein der Mann das Sagen  hat, sollen zur Diskriminierung freigegeben werden. Damit unterscheidet sich die AfD in ihrer Anti-Gleichstellungspolitik nicht mehr viel von der NPD.“ (vgl.  Handelsblatt). Ganz allein ist die AfD in ihrer Auffassung allerdings leider nicht: Der Fuldaer Bischof Heinz-Josef Algermissen sieht durch „Gender-Mainstreaming“ gar das christlich-jüdische Werte- und Menschenbild auf dramatische Weise bedroht. Himmel, hilf! (vgl. FAZ)

Die Politikerin, die das Engagement gegen sexuelle Vielfalt in der AfD befeuert wie keine andere, ist Beatrix von Storch, AfD-Europaabgeordnete, Netzwerkerin und Blog-Betreiberin, Anmelderin der „Demos für alle“, besorgt um die ordentliche Ehe und Familie, obwohl selbst er seit wenigen Jahren verheiratet und ohne selbst Kinder zu haben. Ein nicht übermäßig kritisches, aber dennoch interessantes Porträt über diese rechtspopulistische Unternehmerin in der FAZ.

Verfassungsschutz? Nicht gegen Homofeindlichkeit

Homophobe Bewegungen wie die besagten „Besorgten Eltern“, die „Demos für alle“ veranstalten, sind bisher zwar beunruhigend für Betroffene, aber nicht für den VerfassungsschutzQueer.de schreibt: „In den Jahresberichten des Verfassungsschutzes tauchen reaktionäre Netzwerke wie die „Demo für alle“ nur dann auf, wenn vermeintliche Linksextremisten gegen sie mobilisieren. Seit rund zwei Jahren geht ein homophober Ruck durch Deutschland: Bewegungen namens „Besorgte Eltern“ und „Demo für alle“ ziehen durch die Straßen wie ihre Anführer durch die Talkshows, bekämpfen mit dem Schüren von Angst und Vorurteilen Schulaufklärung über Homo- und Transsexualität ebenso wie die Ehe-Öffnung. Unter Nutzung von Argumentationsketten vom rechten Rand mobilisieren und verbinden diese Gruppen – ähnlich wie die Pegida-Bewegung – Rechtsextremisten und Rechtspopulisten mit christlichen Fundamentalisten und Mitläufern aus der Mitte der Gesellschaft. Rechte Medien wie „Junge Freiheit“ und „Politically Incorrect“ beteiligen sich mit Freude an der Desinformation und homophoben Stimmungsmache. Auch ansonsten fehlt ungefähr alles, was für LGBT relevant sein könnte. Die Alternative für Deutschland (AfD), die die „Demo für alle“ organisiert und immer wieder gegen LGBT-Rechte bis hin zur Hetze kämpft? Wird nicht beobachtet. „Initiative Familienschutz“, „Demo für alle“, „Besorgte Eltern“? Fehlanzeige. Ebenso wie die Zeitung „Junge Freiheit“, die eine homophobe Abo-Kampagne gegen „Gender Mainstreaming“ fährt, oder das Hetzportal „Politically Incorrect“, das kürzlich seinen virtuellen Mob auf ein schwules Gewaltopfer losließ, weil es gewagt hatte, allgemein die rechten Allianzen für eine zunehmende Homophobie mitverantwortlich zu machen.“ Kleiner „Trost“: Pegida selbst wird ja auch nicht vom Verfassungsschutz beobachtet, weil es ja nur „besorgte Bürger_innen“ sind. 

Altherrenhumor in Triberg: Männerparkplätze für Lustmolche 

Posse in Triberg im Schwarzwald: Ein Bürgermeister will PR für seine Stadt – und entscheidet sich dafür, im Parkhaus „Männerparkplätze“ einzurichten (schon mal megalustig). Sie sind durch eine frivole Frauensilhouette ausgezeichnet, auf der der Schriftzug „Steile Berge, feuchte Täler“ steht. Als erste Kritik an der Aktion laut wird, verteidigt sich Tribergs Bürgermeister Gallus Strobel (CDU) mit dem Argument, das sei ein „Beitrag zum Humor in der Gesellschaft“. Inzwischen lacht er vermutlich nicht mehr: Obwohl das Bild inzwischen durch eine Landschaft übermalt wurde, hat Triberg nun den Ruf als sexistischster Ort im Schwarzwald, an dem vor allem die Besucherinnen wohl lieber vorbeifahren, erst mal sicher (vgl. n-tvSpiegel Online).

Hart, unfair und unreflektiert

Posse, die zweite: Im März (!) 2015 gab es eine „Hart, aber fair“-Sendung im WDR, in der hart, aber unfair Gleichstellungspolitik und Gender-Ansätze lächerlich gemacht wurden. So waren drei Genderansatz-Gegner_innen eingeladen, davon zwei Frauen, damit es noch „glaubwürdiger“ wirkt, aber nur zwei Gleichstellungs-Verteidiger_innen. Auch Moderator Frank Plasberg moderierte tendenziös – kein Wunder, dass sich Frauenverbände darüber beschwerten. So weit, so richtig – verwunderlich allerdings, was danach geschah: Der WDR löschte die Sendung aus seiner Mediathek. Dies fiel auch noch irgendjemand auf, und schon gab es einen Shitstorm à la „Ist das Eure Meinungsfreiheit…!!! (Einself)“. Statt bei der – wenn auch weder sinnvollen noch wirkungsvollen- Sperrung zu bleiben, wurde daraufhin die Sendung wieder in die Mediathek gestellt – und soll nun im September mit fast den gleichen Gästen (nur einer Befürworterin mehr) wiederholt werden. Was dabei dann besser werden soll, ist die große Frage. Lieber WDR, liebe „Hart, aber fair“-Redaktion: Ziemlich sicher ist mit solchen Beschwerden gemeint: Macht Euch bitte das nächste Mal mehr Gedanken über eine ausgewogene Gäste-Mischung, BEVOR eine Sendung gedreht wird. Nicht gemeint ist sicherlich: Dreht schlimme Sendungen, in denen es schief ging, wieder und wieder. Wir holen schon mal das Popcorn. (vgl. BILDHuffington PostSpiegel OnlineSüddeutsche Zeitung).

„Was macht das Liebesleben?“, „Woher ist dein Kleid?“

Filmschauspielerin Kristen Stewart thematisiert Sexismus in Hollywood einfach einmal so, dass sie ihrem Filmpartner Jesse Eisenberg in einem Video die Fragen stellt, die sie normalerweise in Interview gestellt bekommt: „Was macht das Liebesleben?“, „Woher ist dein Kleid?“, „Ist dir schon mal versehentlich dein Busen rausgerutscht?“, „Bist Du schwanger?“ Höhepunkt ist der Moment, als Eisenberg seine Hand in ein präpariertes Kästchen mit rotem Plüsch und Kunstrasen legen soll, um eine Nahaufnahme seines Nageldesigns zu drehen. „Jetzt weiß ich, wie es ist, eine Frau zu sein“, so sein Fazit. (vgl. Süddeutsche Zeitung).

Homofeindlichekeit in „diesem Internet“: Für Mordaufrufe gegen Homosexuelle den Job verlieren?

Wie es Menschen gibt, die öffentliche rechtsextreme und rassistische Ausfälle auf Facebook sammeln, gibt es auch eine Gruppe namens „Enough is Enough„, die homofeindliche Ausfälle auf Facebook sammelt und, wenn auf den offenen Profilen angegeben, den Arbeitgeber der betreffenden Person anschreiben, ob der weiß, was sein_e Mitarbeiter_in in sozialen Netzwerken so postet. In einem Fall war das erfolgreich: Eine junge Frau postete auf Facebook: „Homosexuelle Menschen gehören getötet”, ihr Freund meinte „ich führe buch über meine morde als wäre ich adolf hitler ich schlage kinder und schwule und mir ist scheißegal was ihr über mich denkt.” Aufrufe zum Mord fanden beide Arbeitgeber nicht so lustig, die beiden sind ihren Ausbildungsplatz beziehungsweise Job nun los. Interessanterweise wird das in schwulen Internetcommunities kontrovers diskutiert, ob das nicht zu weit ginge (vgl. queer.de,  m-maenner.de). Nun, unsere Meinung dazu: Wer so dumm ist, nicht nur öffentlich zum Mord (!) an Menschen aufzurufen, sondern dies auch noch unter Klarnamen und Angabe seines realen Arbeitgebers tut, muss selbst verantworten, was danach passiert – ebenso, als hätte es der- oder diejenige auf einem öffentlichen Platz gebrüllt. Die Aktivist_innen-Gruppe weist nur auf einen öffentlichen Vorgang hin, die Entscheidung, wie tief der Hass im jeweiligen Mitarbeiter verankert ist und ob ein Gespräch oder eine Kündigung die richtige Antwort ist, gibt dann immer noch der Arbeitgeber. Wenn die Sozialen Netzwerke irgendwann wieder ein Ort mit weniger Hass werden sollen, in dem sich alle angstfrei bewegen können, müssen auch Tabus wieder greifen, die offenbar viele im Netz vergessen. Und das passiert, indem Handeln Konsequenzen nach sich zieht – solange, bis diese Menschen ihren Hass wenigstens wieder nur noch in geschlossenen Gruppen herauslassen, damit aber wenigstens nicht den Betroffenen direkt auf den Keks gehen (vgl. Tagesspiegel).

Gewalt in Berlin und Wien

Wieder Gewalt auf Berlins Partymeile in der Nähe des RAW-Geländes: Zwei Männer (26, 27) wurden dort am frühen Sonntagmorgen zum Opfer eines mutmaßlich homophoben Übergriffs. Die unglaubliche Tat: Das Paar saß am 29.08. gegen 6.45 Uhr auf einer Parkbank in der Revaler Straße, als ein 18-Jähriger, der sich augenscheinlich durch die beiden gestört fühlte, unvermittelt mit einer Flasche auf den Älteren einschlug. Das Opfer erlitt hierbei leichte Verletzungen im Gesicht und im Brustbereich (BILD).

Am Samtag, den 29.08.2015, hat sich im Bezirk Hernals in Wien ein gewalttätiger homophober Überfall gegen ein Frauen-Paar ereignet, wie Mariella Müller, Referentin der Grünen im Parlament für LGBT-Fragen berichtet. Freitag um kurz nach 22:00 Uhr wurden zwei Frauen im 17. Wiener Gemeindebezirk Opfer einer homophoben gewalttätigen Attacke. Die beiden Frauen haben sich auf der Straße geküsst und wurden daraufhin von einem Mann aus einer Vierer-Gruppe attackiert. Die beiden Frauen waren am Weg zu ihrem Auto, als zunächst von der gegenüberliegenden Straßenseite eine volle Bierdose auf sie geworfen wurde, wo eine Gruppe von 4 Männern unterwegs war. Gleich darauf waren 2 Männer vor den beiden Frauen und einer der Männer schlug zunächst eine Frau ins Gesicht und darauf die zweite so heftig, dass diese gegen ein parkendes Auto geworfen wurde (Thinkoutsideyourbox).

Die Gaming-Machos: Sexismus in Computerspiele

Inzwischen ist knapp die Hälfte aller Gamer_innen weiblich – doch akzeptiert wird das in der Szene nur, wenn sie rollenkonform agieren. Spielt sie Quizzes und „was mit Menschen“, ist das akzeptiert, mag die Frau Baller-Spiele, sind sexistische Erfahrungen vorprogrammiert. Das sollte sich ändern, finden SWR und tagesschau.de und berichten. 

Gelebter Sexismus: George verkauft Bücher, Catherine nicht

Eine junge Autorin schickt ihr Romanmanuskript an fünfzig Literaturagent_innen – und bekommt nur zwei Zusagen. Da kommt sie auf die Idee, das gleiche Exposé als junger Mann an fünfzig Literaturagent_innen zu verschicken – und erhält 17 Zusagen. Auch seien die Antworten schneller gekommen, selbst samstags außerhalb der Geschäftszeiten, und sogar die Absagen seien warmherziger gewesen und hätten konkrete Verbesserungsvorschläge enthalten. Derselbe Agent, der an Catherine eine vorformulierte Ablehnung geschickt hatte, wollte Georges Manuskript an einen erfahreneren Agent weiterleiten. „George ist achteinhalbmal besser darin, dasselbe Buch zu schreiben“, hat Catherine Nichols errechnet. Sie ist hin- und hergerissen zwischen der Freude über die nunmehr positiven Reaktionen auf ihr Manuskript und der Wut über deren Umstände (FAZ).

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