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Menschenfeindlichkeit Juni 2015 Rechtspopulismus – Pegida, HoGeSa, AfD

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Ein letzter Pegida-Erfolg in Dresden? OB-Kandidatin Tatjana Festerling war bei der Wahl im Juni 2015 erschreckend erfolgreich - auch wegen ihrer vielfältigen Internetaktivitäten. (Quelle: Screenshot)

Am 07. Juni 2015 ist Oberbürgermeisterwahl in Dresden. Pegida schickt eine eigene Kandidatin ins Rennen – Tatjana Festerling, 50, aus Hamburg stammend, Steppjacken-Mutti-Optik, Marketing-Fachfrau, Ex-AfD-Abgeordnete, HoGeSa-Sympathisantin, hetzerische Rednerin mit Hang zu unflätigen Beschimpfungen bei Pegida-Kundgebungen seit Anbeginn (vgl. Neustadt-Ticker). Wer die Frau einmal sprechen gehört hat, müsste sie für unwählbar halten – den Pegida-Fans geht das anderes: Sie holt 9,6 Prozent der Stimmen, damit sogar deutlich mehr als der AfD-Kandidat Stefan Vogel (4,8 Prozent) – die Wutbürger_innen sind also in Dresden bei Pegida, nicht bei der AfD. Allerdings nutzt Pegida den Erfolg nicht strategisch: Für den zweiten Wahlgang tritt Festerling nicht mehr an, empfiehlt den FDP-Kandidaten und amtierenden Bürgermeister Dirk Hilbert, um eine rot-rot-grüne Oberbürgermeisterin Eva-Maria Stange zu verhindern – und erzürnt mit der Empfehlung eines Kandidaten aus der verhassten „klassischen“ Politik schon wieder ihre Unterstützer_innen. Ist eben nicht so leicht mit Wutbürger_innen (vgl. Spiegel onlineIIHeute Show (Video), Mopo24islamiq.de). Hilbert wurde schließlich tatsächlich zum Oberbürgermeister gewählt und muss nun damit leben, dies mit den Stimmen von Pegida geworden zu sein.

Folgen für Dresden: Pegida verändert das Klima in Dresden, nicht nur für Flüchtlinge. So berichten etwa ausländische Mitarbeiter_innen der Technischen Universität Dresden, dass sie sich in der Stadt nicht mehr sicher fühlen, viele Erfahrungen mit alltäglichem Rassismus machen und deshalb überlegen, die Stadt zu verlassen – ein fatales Signal für den Wissenschaftsstandort Dresden (lesenswerte Reportage in der Süddeutsche Zeitung). Auch der Tourismus leidet unter Pegida: Von Januar bis März gab es einen Rückgang der Hotelübernachtungen von 5,2 Prozent – und dass, obwohl die Übernachtungen aller Polizist_innen, die von außerhalb anreisen mussten, um die Pegida-Demonstrationen zu sichern, schon zu den Tourismus-Übernachtungs-Zahlen hinzugezählt wurden (BILD).

Derweil hat Pegida auf der Straße immer weniger Zulauf: So gibt etwa auch „Dügida“ in Düsseldorf im Juni auf (vgl. RP). Einigermaßen regelmäßige Pegida-Aufmärsche gibt es noch in Bautzen, Berlin, Braunschweig, Chemnitz, Dresden, Duisburg, Hannover, Kassel, Karlsruhe, Leipzig, Magdeburg, Mecklenburg-Vorpommern, München, Villingen-Schwenningen.

Ex-Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel treibt sich derweil in politischer Mission in Österreich herum: Sie engagiert sich nun im verschwörungsideologisch-antisemitischem Milieu und protestierte in Telfs-Buchen gegen die Bilderberg-Konferenz (Der Standard).

Kagida-Organisator Michael Viehmann (46) hat derweil eine Verabredung mit dem Kasseler Amtsgericht: Ein volksverhetzender, antisemitischer Facebook-Post des Organisators der Gruppe „Kassel gegen die Islamisierung des Abendlandes“ wird am 16. Juli verhandelt (HNA).

Auch vor Gericht: Die Anmelderin der „Sügida“-Demonstrationen muss sich vor dem Amtsgericht Suhl wegen Volksverhetzung verantworten – wegen Internet-Hetze gegen Flüchtlinge, Schwarze, Linke, Polen und Türken (mdr).

Dass in Sachsen auch die CDU massiv zum rechtspopulistischen Problem beiträgt, zeigt detailreich eine Reportage im Tagesspiegel.

Bei Pegida Dresden selbst verlieren langsam die klassischen Themen (Flüchtlinge, Lügenpresse, Volksverräter etc.) an Attraktivität. Dann ruft Lutz Bachmann eben zum Bürgerbegehren auf (am 22.06.) – und eine Woche später sagt er dann, worum es geht: gegen den Rundfunkstaatsvertrag samt „Zwangsabgabe“ für die öffentlich-rechtlichen Sender auf. Der Zuspruch ist mäßig (ngn).

Neuen Schwung verspricht zunächst der Pegida-Ableger „Widerstand Ost/West (WOW)“ in Frankfurt am Main am 20.06.2015, organisiert von der ehrgeizigen Nachwuchs-Rechtspopulistin Esther Seitz. Doch statt der gewünschten 2.000 kommen nur 200 Rechtspopulist_innen – und ohne Hooligans wäre es recht leer gewesen (Stuttgarter ZeitungBeobachternewsBILD)

Und dann gab es noch eine interessante Kolumne zum Verhältnis von Internet und Pegida mit einigen guten Gedanken im ND:

„So sind sie, die neuen Volkstribune der Rechten: Haben keine inhaltlichen Positionen, sind politisch gesehen völlige Leerhülsen, kommen nicht nur aus dem Nichts, sondern sind so gesehen auch ein intellektuelles Nichts. Sie sprechen von Politisierung und Erweckungsmomenten und meinen damit ihren Schritt von der Bedeutungslosigkeit hinüber an den Stammtisch, an dem man mit Parolen der »Bild« hantiert und allerlei Verbalinjurien diverser Populisten und Hetzer zu einem Evangelium deklariert. Es ist ein relativ kleiner Schritt, der mit Politisierung im eigentlichen Sinne nichts zu tun hat. Eher mit Aufmerksamkeit und Beachtung und dem schnellsten Weg dorthin. Und mit diesem Antrieb wird aus dem bedeutungslosen Surfer im Internet plötzlich jemand, über den man schreibt, spricht und gegen den man protestiert. Mit politischem Format hat das alles jedenfalls nichts zu tun.“

AfD

Kein Showdown im Juni: Bernd Luckes AfD-Spaltungs-Verein „Weckruf 2015„, gegründet im Mai 2015, wird im Juni zunächst als satzungwidrig angefochten (Spiegel Online). Bis dann feststeht: Der ist doch nicht satzungswidrig (Die ZEIT).

AfD-Co-Chefin Petry wollte am 20. Juni 2015 zu einem Konvent nach Kassel eingeladen, um die machtpolitischen Differenzen in der zerstrittenen AfD-Führung zu klären. Dort hätte nach Angaben aus Parteikreisen auch über eine Verschiebung des für den 04. und 05. Juli 2015 geplanten Bundesparteitags diskutiert werden sollen. Es lag der Vorschlag auf dem Tisch, für September einen Delegiertenparteitag einzuberufen. Die Landesvorsitzenden lehnten jedoch eine solche Zusammenkunft ab und beschlossen ihrerseits, am 20. Juni in Kassel ein Treffen der Vertreter aus Ländern und Bundespartei zu organisieren. Dies wurde dann allerdings aus juristischen Gründen abgesagt – ein Konvent sei erst nach der Neuwahl beim Bundesparteitag möglich (vgl. Business-Panorama). Dieser fand am 04. Juli 2015 statt – mit einem deutlichen Votum der AfD-Mitglieder für den offen islamfeindlichen, rechtspopulistischen, selbst „nationalkonservativ“ genannten Hardliner-Kurs einer Wutbürger-Partei. Den betrachten wir aber im Detail im Juli-Report zu Menschenfeindlichkeit.

Derweil untermauerte AfD-Hardliner Alexander Gauland aus Brandenburg seine „nationalkonservative“ Position: Der Brandenburger AfD-Vorsitzende Alexander Gauland hat nichts gegen Populismus und will auch deutlich fremdenfeindliche Positionen in seiner Partei zulassen: „Wenn die Menschen sich gegen eine Willkommenskultur entscheiden, muss man das auch akzeptieren“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Populismus heißt, stärker die Nöte und Ängste der Menschen zu akzeptieren“, argumentierte Gauland. Auf die Frage, ob es ihn störe, wenn Ausländerfeinde ihm zustimmten, sagte Gauland: „Das darf einen nicht stören.“ (t-Online-Nachrichten)

Weitere AfD-Themen im Juni 2015: AfD Leipzig will Kosten für Flüchtlinge über Bürger-Spenden finanzieren (Leipziger Volkszeitung), Thüringens AfD-Chef Björn Höcke unter Verdacht, für NPD-nahe Publikationen zu schreiben (taz), AfD Hamburg gegen homosexuelle Ampelmenschen (RTL), AfD Sachsen warnt vor Bürgerkrieg in fünf Jahren (ngn).

HoGeSa

Die „Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa)“ lassen es derzeit ruhig angehen und verstärken vor allem Demonstrationen anderer islamfeindlicher und rechtspopulistischer Kräfte mit Präsenz und bedrohlichem Erscheinungsbild. Doch am 25. Oktober soll es wieder eine „HoGeSa“-Demonstration in Köln geben – dort hatte es im Oktober 2014 mit 5.000 Teilnehmer_innen die größte HoGeSa-Demonstration mit den meisten Ausschreitungen bisher gegeben. Angemeldet hat sie HoGeSa-„Sprecher“ und „Pro NRW“-Funktionär Dominik Roeseler (Die Welt). Interessanterweise kam als Reaktion sofort ein Dementi: Die vier „großen“ Rechts-Hooligan-Organisationen „Gemeinsam Stark Deutschland“ (GSD), Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa), das „Bündnis Deutscher Hooligans“ (B.D.H.) und die Gruppe „Berserker Deutschland“ gaben an, Roesler sei nicht berechtigt gewesen, einen solchen Schritt zu tun. Offenbar fürchten sie eine parteipolitische Vereinnahmung. Deshalb die Demo am 25. Oktober von ihnen keine Unterstützung erfahren werde. Man arbeite aber an einer eigenen, gemeinsamen Demonstration. Am liebsten in Köln (vgl. Blick nach rechts).

Rechtspopulismus in Europa

Da etliche unserer europäischen Nachbarländern schon länger mit Rechtspopulismus zu kämpfen haben, lohnt sich auch ein Blick ins europäische Ausland zum Thema.

In Österreich kommt es zu einem politischen Dammbruch: Die sozialdemokratische SPÖ geht im Burgenland eine Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ von Hans-Christian Strache ein. Bisher waren Koalitionen mit der Rechtsaußen-Partei, die sich besonders durch ihre Islamfeindlichkeit, ihren Antiziganismus und ihren Rassismus „auszeichnet“, für alle Mitte-Links-Parteien ein Tabu. Dass es nun fällt, zeigt die gefährliche Normalisierung, wenn üble rechtspopulistische Hetze über lange Zeit zum Alltag gehört, wie es in Österreich mit der FPÖ und der BZÖ der Fall ist (vgl. ORFTagesspiegelHandelsblatt).

In Ungarn ist rassistische Hetze und ein abwertender Umgang mit Roma und Flüchtlingen derart an der Tagesordnung, dass es nun eine Rüge von Europarat gab. Der Europarat äußerte sich dabei besorgt über rassistisch motivierte Überfälle, rassistische und antisemitische Hassreden sowie die Behandlung von Asylbewerber_innen in Ungarn geäußert. Hasstiraden gegen Einwanderer, Flüchtlinge, Roma, Juden und Jüdinnen, aber auch gegen Homosexuelle beschränkten sich nicht auf die rechtsextreme Partei Jobbik und andere Radikale, stellt die Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) des Europarats in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht zu Ungarn fest. Hasstiraden seien vielmehr im „gesamten politischen Spektrum“ vertreten. Mehr als ein Fünftel der Flüchtlinge in Ungarn dürften sich nicht frei bewegen, sondern seien in geschlossenen Heimen untergrebracht, sind dort physischen und verbalen Angriffen durch die Wärter_innen ausgesetzt. Roma würden von Gemeindeverwaltungen aus Sozialwohnungen vertreiben, überdurchschnittlich viele Roma-Kinder in Schulen für Lernbehinderte untergebracht (taz, vgl. Euronews).

In Dänemark kam es bei der Parlamentswahl zum Rechtsruck: mit 21,1 Prozent bekommt die rechtspopulistische „Dänische Volkspartei“ künftig 37 Sitze im Parlament und ist zweitstärkste Kraft. Der historische Erfolg der Rechtspopulist_innen brachte die Koalition der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt am Donnerstag zu Fall (Frankfurter Rundschau). Regieren will nun aber die liberale Partei Venstre ohne einen Koalitionspartner regieren. Das teilte ihr Chef, Lars Lökke Rasmussen, mit. Die Gespräche mit der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF) über eine mögliche Koalition seien gescheitert. Deshalb wolle er ein Kabinett nur mit Politikern seiner Partei aufstellen. Dieses werde er schon an diesem Wochenende Königin Margrethe II. präsentieren, sagte Rasmussen (tagesschau.de; Hintergrund: SHZ).

Zum Prinzip Rechtspopulismus gab es noch ein interessantes Interview bei ZEIT Online mit Politikwissenschaftler Cas Mudde. Die zwei spannendsten Fragen:

ZEIT ONLINE: Für Rechtspopulisten spielen die Themen Integration und Einwanderung eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung der „schweigenden Mehrheit“. Warum?Mudde: Weil die Mehrheit der rechtspopulistischen Parteien rechtsradikale Parteien sind, deren Ideologie im Kern Nativismus ist, also die Idee, dass jedes Land eine Monokultur haben sollte. In den meisten Fällen ist es eine Kombination aus Nativismus, Autoritarismus und Populismus. Natürlich gibt es da Unterschiede in den Formen des Populismus. Beispielsweise wird man im Linkspopulismus keine Betonung auf Integration und Einwanderung finden. Diese Betonung kommt eher vom Nativismus als vom Populismus.

ZEIT ONLINE: Würden Sie sagen, dass der Populismus im heutigen Europa omnipräsent ist?Mudde: Er ist nicht in dem Sinne omnipräsent, dass er alle Länder bestimmt. In ganz Europa errangen die Populisten durchschnittlich 17 Prozent, was auch bedeutet, dass 83 Prozent nicht populistisch sind.

ZEIT Online; vergleiche ngn-Bericht.

 

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