„Wir sind den ganzen Winter über gelaufen – jetzt können wir im Sommer auch mal Pause machen“, sagt der neurechte Publizist Götz Kubitschek sinngemäß auf seinem neurechten Blog „Sezession“ am 12. Mai 2015. Wer jetzt denkt: „Das ist doch unlogisch, es ist doch angenehmer, im Sommer auf der Straße herumzustehen als im Winter!“ oder „Wer ist eigentlich Götz Kubitschek und was hat der mit Pegida zu tun?“, der stellt schon mal richtige Fragen. Götz Kubitschek, eine der publizistischen Figuren der neurechten Szene, war im Januar als Redner bei „Legida“ in Leipzig zu Gast und begleitet die „Bewegung“ fortwährend publizistisch. Woraus er offenbar eine Position ableitete, mal kurzerhand das Ende von Pegida zu verkünden: „Man kann nicht über den Sommer hinweg spazierengehen, es wird eine Pause geben müssen und zuvor einen großen Abschluß. Die Planungen zielen auf ein Sommerfest, ein PEGIDA-Sommerfest, und zwar am Tag der Oberbürgermeisterwahl in Dresden.“
Warum? Hat Kubitschek im Sommer schon etwas anderes vor? Nein, offenkundig ist es ein Übernahmeversuch der Wutbürger_innen durch die neurechte Bewegung, denn deren Kräfte sollen sich auf einem letzten „Sommerfest“ präsentieren, damit der von Pegida so schön nach außen gekehrte Hass auch rasch gefestigt würde. Das ist auch als Versuch zu werten, den Amateur-Rechtspopulisten von Pegida das Ruder aus der Hand zu nehmen und die „schlaueren“ Köpfe der Szene an ihre Stelle zu setzen: „Ich halte diese Idee für gut, wenn sie so offen gestaltet wird, daß sie den einzig notwendigen Zweck erfüllt: die Vernetzung der Spaziergänger untereinander, die im Rahmen des Festes endlich die Möglichkeit haben werden, sich an verschiedenen Ständen über Initiativen zu informieren, deren Strukturen älter und stabiler sind als die einer Protestbewegung. 3. Dieses Fest könnte für die Identitäre Bewegung Deutschlands und Österreichs zu einem wichtigen Tag werden. Die Identitären stellen unter ihrem einprägsamen Lambda-Zeichen mittlerweile Montag für Montag einen großen und vor allem junge Block bei den Spaziergängen. Sie sind damit stärker präsent als andere, prädestinierte Gruppen – etwa die Deutsche Burschenschaft.“
„Pegida“-Gesicht Lutz Bachmann jedenfalls hielt nichts davon und verkündete flugs: Nein, Pegida läuft weiter. Für immer. Oder?
Der aktuelle Stand:
Da die Medien – nach der ersten, übertriebenen Pegida-Hysterie“ – größtenteils zu dem Standpunkt gekommen sind: „Jetzt sagen wir gar nix mehr über die“, erfährt man über die „Pegida“-Kundgebungen und -Demonstrationen nicht mehr allzuviel. Und das ist auch ganz okay so: Inhaltlich gibt es nichts Neues, und sicher auch durch die mangelnde Aufmerksamkeit werden die Teilnehmer_innen von Woche zu Woche weniger (siehe Zahlen hier, die aktuellsten stehen unten), die Gidas schließen – aktuell einigermaßen regelmäßig auf der Straße sind nur noch die Pegidas in Berlin, Braunschweig, Dresden, Duisburg, Hannover, Kassel, Magdeburg und München. Der Hass wandert zurück ins Netz, wo er auch vorher zu finden war (ngn berichtet etwa hier). Aber zumindest die wohligen Massengefühle sind die „Pegida“-Getreuen nun erst einmal los. Traurig nur die Effekte: Die Übergriffe auf Flüchtlingsheime häufen sich mehr und mehr – im Mai etwa wurden Flüchtlingsheime in Limburgerhof, Berlin-Hellersdorf, Sontheim, Zossen und Hannover attackiert. (Chronik auf unserem Parternportal www.mut-gegen-rechte-gewalt.de).
Den Schlussakkord für Pegida könnte es dann im Juni geben: Bis zur Bürgermeisterwahl in Dresden am 07. Juni hielt Pegida Dresden noch durch – um ihre OB-Kandidatin Tatjana Festerling zu unterstützen, die im Wahlkampf in solcher Gossensprache über die anderen Politiker_innen wettert, dass es selbst die Pegida-Anhänger_innen bisweilen gruselt. Nicht ohne Erfolg: Die pöblende, ausfällige Pegida-Kandiatin Tatjana Festerling holte traurige 9,6 Prozent der Stimmen. Da es wohl nicht ihre gewinnende Persönlichkeit war, die rund 21.000 Wähler_innen dazu brachte, bei ihr das Kreuz zu machen, war es wohl doch die weite Verbreitung von rechtspopulistischen, islamfeindlichen, rassistischen und demokratiefeindlichen Einstellungen in Dresden. Heute abend steht Pegida wieder in Dresden auf der Straße. Der Ausgang ist abzuwarten.
HoGeSa – war das da?
Bei den „Hooligans gegen Salafisten“ – oder ihre Abspaltung „Gemeinsam stark“ – werden die Aktionsabstände auch immer größer. Letzte Live-Sichtung: 02. Mai 2015, Erfurt. 250 Hooligans hörten unter anderem „Legida“-„Star“-Redner Edwin Wagenfeld („Der Holländer“) zu – offenbar braucht der aus den Niederlanden stammende Islamfeind also neue Bühnen.
Rechtspopulismus: Adé, AfD?
Im Mai machte AfD-Gründer Bernd Lucke öffentlich, was allen Beobachter_innen (und Wähler_innen) schon lange klar war: Das angeblich wirtschaftsliberal-demokratische Außenbild der Partei ist nicht zu halten. Die rassistischen und demokratiefeindlichen Äußerungen, die Kontakte in rechtsextreme Spektrum, die „relativ vielen Einzelfälle“ (Lucke 2014) fügten sich zu einer solchen Rechtsaußen-Flut zusammen, dass Bernd Lucke einen „Weckruf“ an seine Mitglieder schickte – was ihm gelang, obwohl seine Kontrahent_innen Frauke Petry und Konrad Adam seine Email-Adresse sperrten. Im „Weckruf“ versuchte er das Bild zu etablieren, es gäbe einen anständigen Kern bei der AfD, den Lucke im „Weckruf“-Verein bündeln wolle, und dann die Rassist_innen, Rechtspopulist_innen und NPD-Freunde, die er so loszwerden gedachte. Dumm nur: der Rechtspopulismus ist der AfD so inhärent, dass das wirtschaftsliberale Vorzeigemitglied der AfD, Hans-Olaf Henkel, erst mal in gutem Diktatorensprech formulierte, die Partei müsse von „Elementen gesäubert“ werden, um dem Rechtsextremismus Herr zu werden. Selbst die „Weckruf“-Vokabel hat leider einen unschönen Beigeschmack: So hieß die erste NSDAP-Zeitung in Coburg, die 1926 gegründet wurde. Kurios: Diesen Aspekt berichteten nicht nur politische Gegner_innen, sondern auch der AfD-Kreisverband Mecklenburg-Vorpommern, offenbar nicht an der „Weckruf“-Initiative interessiert , bringt dies argumentativ gegen ihren eigenen Parteivorsitzenden in Stellung, die sind (vgl. SVZ).
Aktuell wird also auf unterstem Niveau miteinander gerungen. Ausgang: offen. Der Bundesparteitag, der am 13. Juni stattfinden sollte – und eine Klärung in Fragen der Zukunft bringen sollte – ist abgesagt, weil Querelen bei der Auswahl der Delegierten befürchtet wurden. Der nächste Schritt könnte ein Mitgliederparteitag werden, den die AfD nach eigenen Angaben für Ende Juni plant. Wir holend das Popcorn für die nächsten Runden.
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