Zusammengestellt von Carina Schulz
Berlin: Gedenktafel für Holocaust-Opfer erneut geschändet
Eine Gedenktafel in Berlin-Moabit wurde zum wiederholten Mal beschmiert. Die gelbe Tafel des Vereins „Sie waren Nachbarn“ befindet sich an dem Ort, an dem sich zur Zeit des Nationalsozialismus der Güterbahnhof Putlitzstraße befand. Von dort fuhren Züge in die Konzentrationslager ab. Die Gedenktafel erinnert an die Deportation von 30.000 Menschen. Auf dem Schild ist der Schriftzug „Von hier fuhren Züge ins Gas“ zu lesen. Unbekannte übergossen das Schild mit silberner Farbe, strichen das Wort „Gas“ durch und schmierten daneben die Worte „Das stimmt nicht“. Erst drei Wochen zuvor war das Schild erneuert worden, im Juli gab es eine ähnliche Schmiererei mit schwarzer Farbe. Die Initiative „Sie waren Nachbarn“ schreibt in einer Stellungnahme: „Leute, die das Gedenken an die Verbrechen des Nationalsozialismus verhindern wollen, sind keine „besorgten Bürger“, sondern wollen den Faschismus wieder salonfähig machen. Diesen Tendenzen muss entgegengetreten werden. Die Erinnerung an den Holocaust muss und wird erhalten bleiben.“ (Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus, RIAS).
Ministerium lässt Palästina-Seminar an Hochschule in Hildesheim prüfen
Der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim (HAWK) wird vorgeworfen, in einem Palästina-Seminar antiisraelische und antisemitische Inhalte zu propagieren (NgN berichtete). Jetzt lässt das Ministerium für Wissenschaft und Kultur in Niedersachsen die Vorwürfe durch einen externen Gutachter prüfen. Der Wissenschaftler werde die Inhalte des Seminars im Einvernehmen mit der Hochschule untersuchen, kündigte die niedersächsische Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajic (Grüne) an (NDR).
Die Amadeu Antonio Stiftung in Berlin begrüßt die Entscheidung der Ministerin, ein externes Gutachten in Auftrag zu geben. Ob dies allerdings zu einer Lösung des Konflikts führen wird, bezweifelt Jan Riebe, der für die Stiftung bereits ein Gutachten über das umstrittene Seminar erstellt hat. »Dass solch ein einseitiges Seminar zur Delegitimierung Israels samt vieler Seminartexte ohne Quellenangaben und Texten, die teils per copy&paste aus verschwörungsideologischen Blogs zusammengetragen wurden, von der Hochschulleitung als Teil der Meinungspluralität hofiert werden, werfen jedoch ein verheerendes Bild auf den Anspruch an Wissenschaftlichkeit durch die Hochschulleitung der HAWK«, sagte Riebe der Jüdischen Allgemeinen.
Vorerst streicht die Hochschule das umstrittene Seminar aus dem Vorlesungsprogramm. Im Wintersemester 2016/2017 soll es ein neues Lehrformat zum Thema «Nahost-Konflikt und Soziale Arbeit» geben. Das umstrittene Seminar «Zur sozialen Lage der Jugendlichen in Palästina» entfalle (Welt).
Kasseler Pegida-Chef wegen Volksverhetzung verurteilt
Vertreter der Pegida-Bewegung betonen gern, dass sie nicht rechtsextrem seien. Ein Facebook-Eintrag von Michael Viehmann, Chef des Kasseler Pegida-Ablegers, spricht für das Gegenteil. Wegen antisemitischer Hetze bei Facebook hat das Amtsgericht Kassel den Organisator der Kasseler Pegida-Demonstrationen zu einer Geldstrafe von 4500 Euro (150 Tagessätze zu je 30 Euro) verurteilt. In einem Beitrag bei Facebook hatte Viehmann das „Judenpack“ des Massenmordes bezichtigt und geschrieben: „Wir Deutschen werden die Juden wieder hassen“. Ein Staatsschutz-Ermittler der Kasseler Polizei hatte den Eintrag bei einer Internetrecherche zu Veranstaltungen von „Hooligans gegen Salafisten“ (Hogesa) entdeckt.
Viehmann sieht sich vor Gericht von seinen politischen Gegner_innen verfolgt. In der Urteilsbegründung antwortete der Richter: „Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber die allergrößte Nummer sind sie ja nun auch nicht.“ Dass jemand über Monate hinweg Viehmanns Seite mit zahlreichen persönlichen Einträgen weiterführe, um ihm und Pegida zu schaden, sei doch sehr unwahrscheinlich (n-tv, Hessische Niedersächsische Allgemeine).
„RIAS“ plant neue Anlaufstelle in NRW
Die Berliner Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) möchte eine neue Anlaufstelle für Opfer judenfeindlicher Übergriffe in NRW einrichten. In Berlin hat RIAS im ersten Jahr ihres Bestehens nach eigenen Angaben rund 200 antisemitische Vorfälle registriert (NgN berichtete). Auch in NRW sollen judenfeindliche Vorfälle in Zukunft besser dokumentiert und Antisemitismus gezielter bekämpft werden. Das Online-Meldesystem soll dort ab 2017 etabliert werden (Westdeutsche Allgemeine Zeitung).
Düsseldorf: Jüdisch-Muslimisches Projekt gegen Extremismus
In Düsseldorf wurde das Projekt „Klar im Kopf“ vorgestellt. Das Leuchtturmprojekt ist eine Initiative der Jugendberufsförderung Düsseldorf, des Kreises der Düsseldorfer Muslime (KDDM) und der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Unterstützt wird es von der Stadt Düsseldorf. „Klar im Kopf“ hat sich zum Ziel gesetzt, Jugendliche vor der Beeinflussung durch rechtsradikale und radikal-salafistische Bewegungen zu schützen. Gleichzeitig wendet sich „Klar im Kopf“ gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit. In einem Interview mit der Huffington Post erklärt Dr. Dalinc Dereköy, Vorsitzender des KDDM, das Projekt: „Alle Religionsgemeinschaften müssen zwingend zusammenarbeiten, um Antisemitismus und Islamophobie, aber auch Hass und Terror abzuwenden bzw. entgegenzutreten. Da gibt es kein Wenn und Aber, nur gemeinsam schaffen wir das.“
Wittenberg: Streit um antisemitische Skulptur
Der Londoner Theologe Richard Harvey fordert, das antisemitische „Judensau“-Relief an der Stadtkirche in Wittenberg zu entfernen und im Museum zu zeigen. Seit 700 Jahren befindet sich das Sandsteinrelief an der St. Marien Kirche. Martin Luther, der in der Stadtkirche predigte, hat in einer seiner antisemitischen Schriften von 1543 darauf Bezug genommen und die Karikatur indirekt verteidigt. Seit November 1988 ist unterhalb der Plastik ein Bodenrelief des Bildhauers Wieland Schmiedel angebracht, das an die Shoa erinnert. Dem Londoner Theologen Richard Harvey reicht das nicht. Er hat eine Petition aufgesetzt, die fordert, das Relief abzunehmen: „Die Skulptur ist bis heute ein Angriff auf Juden und verspottet sie und ihren Glauben.“ Sie solle an einem anderen Ort und in einem Rahmen ausgestellt werden, in dem der historische Bezug hergestellt werden könne. Seine Forderung ist nicht unumstritten. Die Argumentation der Petitionsgegner_innen: Antisemitismus ließe sich nicht bekämpfen, indem man ihn ins Museum stellt. Stattdessen würde die prominente Lage des Reliefs (mitten in der Stadt in einer Kirche) daran erinnern, dass Rassismus und Antisemitismus keine Randphänomene von Ungebildeten, sondern überall in der Gesellschaft zu finden seien (Frankfurter Rundschau).
Antisemitische Tweets auf Wikileaks
Wiederholt antisemitische Tweets sorgen auf Wikileaks für Aufregung. Als Reaktion auf die Kritik von Clinton-Anhänger_innen twitterte das Portal: „Die meisten unserer Kritiker haben drei (((Klammern um ihren Namen))) und schwarze Hornbrillen.“ Die drei Klammern werden von Neonazis benutzt, um „jüdische“ Namen zu markieren und wurden daraufhin von vielen Menschen kopiert, um dem entgegenzuwirken. Der Tweet wurde inzwischen gelöscht. Laut einem Journalisten des britischen Satire-Magazins „Private Eye“ beklagte sich Assange schon 2011, dass all seine Gegnern_innen jüdisch seien. Er soll gesagt haben, dass ihn „jüdische Journalisten, angeführt vom Guardian“ attackieren wollten. Als Assange darauf hingewiesen wurde, dass der damalige Guardian-Chefredakteur gar nicht jüdisch sei, soll Assange erwidert haben, dieser sei „irgendwie jüdisch“, weil dessen Schwiegerbruder jüdischen Glaubens sei (Der Standard).
Vorwürfe gegen „Black-Lives-Matter“-Bewegung
Die „Black-Lives-Matter“-Bewegung wurde als Zeichen gegen Rassismus in Amerika gegründet. Jetzt wird einem Zusammenschluss von Gruppen innerhalb der Bewegung Antisemitismus vorgeworfen. „Black-Lives-Matter“ entstand vor drei Jahren in den USA, um weiße Polizeigewalt in Amerika anzuprangern. Es ist eine spontane Bewegung, ein loses Netzwerk von Gruppen, die über ganz Amerika verstreut sind. Anfang August hat eine Koalition von ungefähr 60 Gruppen, die sich „Movement for Black Lives“ (Bewegung für schwarze Leben) nennt, für sich beansprucht, für die ganze Bewegung zu sprechen. Sie veröffentlichte ein Manifest im Internet. Dieses Manifest wird jetzt für Aussagen über Israel scharf kritisiert: Die Autor_innen bezeichnen die Unterstützung Israels durch die Vereinigten Staaten als besonders beklagenswert. Israel sei ein Apartheidstaat, der einen Genozid an den Palästinensern verübe (Welt).
Trump-Berater unter Antisemitismus-Verdacht
Donald Trump schlägt neuerdings moderatere Töne an. Dafür steht jetzt sein neuer Wahlkampf-Leiter Stephen Bannon in der Kritik. Laut Gerichtsakten erklärte er seiner Frau, dass die gemeinsamen Zwillingstöchter nicht auf die private Archer School in Los Angeles gehen sollten. Dort sei der Anteil jüdischer Mädchen so hoch, dass diese einen üblen Einfluss auf die Bannon-Töchter ausüben und sie in „wehleidige Zicken“ verwandeln würden. Bannon streitet die Äußerungen ab (Tacheles).
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