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Monatsüberblick Dezember 2016 Islamfeindlichkeit

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Machen Stimmung gegen Muslime und Geflüchtete, online wie hier auf Facebook, aber auch mit Spontanaktionen im realen Leben: Die "Identitäre Bewegung". (Quelle: Screenshot Facebook 10.01.2017)

 

Zusammengestellt von Simone Rafael

 

Dresden: „Pegida“-Redner verübte mutmaßlich Sprengstoffanschlag auf Moschee

Der Sprengstoffanschlag im September 2016 auf die Fatih-Moschee in Dresden und das Kongresszentrum Dresden steht vor der Aufklärung: Der 30-Jährige Nino K. soll die Anschläge auf eine Moschee und das ICC in Dresden verübt haben. Die Polizei geht von einem Einzeltäter aus. Er steht laut Bernd Merbitz, Leiter des sächsischen Operativen Abwehrzentrums (OAZ), in enger Verbindung zur islamfeindlichen „Pegida“-Versammlung, wo er als Redner auftrat. Nach Informationen des Beobachtungsdienstes Straßengezwitscher sprach der Mann am 13. Juli 2015 im Dresdner Stadtzentrum auf einer Kundgebung, wo er einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel verlas. Darin drohte er, wenn Merkel so weitermache, „dann gnade Ihnen Gott“. „Denn von uns werden Sie keine Gnade erhalten.“ Der Mann setzte Merkel mit Hitler und dem DDR-Regime gleich. Merkel werde sich eines Tages vor Gericht verantworten müssen für ihre Taten, sagte er. Am Abend des 26. September – und damit kurz vor den zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in der sächsischen Landeshauptstadt – waren zwei selbst gebaute Bomben vor der Dresdener Fatih-Moschee und dem Internationalen Congress Center (ICC) explodiert. Dabei war die Eingangstür der Moschee nach innen gedrückt worden. Der Imam und seine Familie, die sich zu der Zeit im Gebäude befanden, blieben unverletzt. Auch am ICC kam niemand zu Schaden (ZEIT). Später berichtet die Sächsische Zeitung von einem zweiten Tatverdächtigen, der Nino K. geholfen haben soll. (vgl. Monatsüberblick Rechtspopulismus)

 

Anschlag in Berlin: Aufruf zur Polarisierung

Christen gegen Muslime, Westen gegen Orient: Nach dem mutmaßlichen Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt beginnt wieder die Zeit der einfachen Antworten. (…) Wenn es nun einen Anschlag in Deutschland gibt, in jenem Land also, das nicht nur Flüchtlinge so willkommen geheißen hat wie sonst kein europäischer Nachbar, sondern bislang auch von großen islamistischen Anschlägen verschont geblieben ist, dann ist die Furcht vor dem, was das mit der Gesellschaft macht, ungleich größer. Seit Monaten brennen in Deutschland regelmäßig Flüchtlingsheime, werden junge Syrer, Iraker oder Afghanen auf offener Straße zusammengeschlagen, fliegen Steine auf Unterkünfte und stellen sich Pegida- und AfD-Anhänger auf Marktplätze und grölen: Ausländer raus. Die lautstarken Bekundungen islamophoben Gedankenguts sind so präsent wie selten zuvor. Dinge, die in den vergangenen Jahren nicht einmal denkbar gewesen wären, sind zuletzt sagbar geworden. Etwa, dass man auf Flüchtlinge schießen könne, um sie davon abzuhalten, über die Grenze nach Deutschland zu kommen. Oder dass der deutsche Volkskörper durch die vielen Migranten in Gefahr sei. Die Räume des Tolerierbaren sind immer weiter ausgedehnt worden. Das zeigt sich auch bei deutlich subtiler vorgetragenen Vorurteilen. Bei dem Satz „Ich habe ja nichts gegen Muslime, aber …“ zucken heute viele nicht einmal mehr zusammen. Immerhin, folgt dann meist die Argumentation, würden solche Terrorakte ja von Muslimen verübt. Dass der Islam auch und vor allem eine friedliche Religion ist, wird dann schnell vergessen (ZEIT)

 

Rassismus und Islamfeindlichkeit nach dem Anschlag in Berlin: Der Hass ist real

Nach dem Attentat auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz in Berlin (vgl. Monatsüberblick Rassismus) kommt es zu islamfeindlichen und rassistischen Vorfällen in Berlin und bundesweit. „Verschwindet aus unserem Land“, schreit ein Mann am Mittwoch und spuckt dabei ein junges Mädchen auf offener Straße an. Das Mädchen trägt ein Kopftuch. Sie heißt Asma und ist zu dem Zeitpunkt in Frankfurt mit zwei Freundinnen unterwegs. Wenn Anschläge wie der in Berlin geschehen, häufen sich Angriffe auf Muslime. Samet ist Berliner und ebenfalls ein Freund. Vor zwei Tagen hat er beobachtet, wie eine Frau in der U-Bahn in bedrohlicher Art und Weise auf ein kleines arabisches Mädchen im Rollstuhl zuging. Währenddessen schrie sie die ganze Zeit: „Die Araber haben unsere Stadt angegriffen. Scheiß Araber.“ Ich versuche mir einzureden, dass das nur Einzelfälle sind. (taz)

 

Öhringen: Aufgespießter Schweinskopf vor Moschee

Erneut wurde die Öhringer Moschee Ziel eines islamfeindlichen Angriffs. Unbekannte spießten ein Schweinskopf am Eingang der Moschee auf. Die Polizei ermittelt (islamiq.de).

 

Baden-Württemberg: Neonazi ruft in Postkarten zu Mord an Muslimen auf

Was am Montag im Briefkasten der Gewerkschaft IG Metall in Aalen (Baden-Württemberg) gelandet ist, ist menschenverachtend. Der Vorsitzende Roland Hamm zeigt die Postkarte, ein mit Naziparolen beschmiertes Foto aus dem Konzentrationslager in Dachau. Der Schreiber der Postkarte, der sich zur „alemannischen Verteidigungsarmee“ fordert: „Hängt die Moslems an den nächsten Baum, lasst sie dort verfaulen, das ist der Volkstraum.“ Gegen den Absender will er wegen Volksverhetzung Anzeige bei der Polizei erstatten (Schwäbische.de).

 

Strategischer Philosemitismus, Säkularismus: Wie sich Allianzen des Rechtspopulismus verschieben

Am Wissenschaftskolleg Berlin analysiert der amerikanische Soziologe Rogers Brubaker den europäischen Populismus. Heute wende sich der Säkularismus der Rechtspopulisten strategisch gegen muslimische Einwanderer und die als rückständig imaginierte islamische Welt. Um alles Muslimische von sich zu weisen, geriere sich der pseudo-christliche Säkularismus als Verfechter liberaler Werte, berufe sich auf Frauenrechte oder, wie in den Niederlanden, auf Lesben- und Schwulenrechte. Die Rechte formiere sich neu: Ihren Antisemitismus habe sie abgeschüttelt, zeige sich aus strategischen Gründen betont „philosemitisch“: „Man vereinnahmt Jüdinnen und Juden, um sie sodann als Opfer des bösen Islam zu stilisieren.“ (Tagesspiegel)

 

Identitäre Bewegung: Weitere islamfeindliche Aktionen geplant

Der Verfassungsschutz rechnet mit weiteren Protestaktionen der Identitären Bewegung. Ziele der neurechten Gruppe seien Parteien, Moscheen und Asylbewerberheime. Zuletzt wurde die Essener Moschee Opfer eines islamfeindlichen Angriffs. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) rechnet im kommenden Jahr erneut mit spektakulären Protestaktionen der „Identitären Bewegung in Deutschland“ (IBD). „Wir erwarten auch künftig spontane, provokative Aktionen, die sich entsprechend der Ideologie der IBD gegen politische Parteien, Moscheen und islamische Kulturvereine oder Asylbewerberunterkünfte richten könnten“, sagte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen der „Welt am Sonntag“. Ein Schwerpunkt in Deutschland liegt den Angaben zufolge in Sachsen-Anhalt, wo die Bewegung seit September vom dortigen Verfassungsschutz beobachtet wird. Im Fokus steht die Gruppierung „Kontrakultur Halle“ im Süden des Landes. „Sie ist ein Trendsetter für die Identitäre Bewegung in ganz Deutschland und unterhält Verbindungen nach Österreich“, sagte Landesverfassungsschutzchef Jochen Hollmann. Mitte September wurde die DITIB-Moschee in Essen Opfer eines islamfeindlichen Angriffs der Identitären Bewegung. Unbekannte haben am Eingangstor der im Bau befindlichen Moschee einen Schweinekopf befestigt und rechtsextremistische Aufkleber der „Identitäre –Bewegung“ wurden angeklebt (Islamiq.de)

 

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