Zusammengestellt von Simone Rafael
Rassismus
Amoklauf in München: Täter war Deutscher mit iranischen Wurzeln, Rechtsextremer und Rassist
In Wochen voller Gewalt – nach dem Axt-Attentat in Würzburg mit islamistischem Hintergrund und fünf Schwerverletzten am 18.07.2016 und vor dem Splitterbomben-Attentat auf ein Musikfestival in Ansbach am 24.07.2016 mit islamistischem Hintergrund (Täter tot, ein Dutzend Verletzte) und dem Mord eines 21-Jährigen aus Syrien in Reutlingen am 24.07.2016 an seiner polnischen Freundin – geschieht am 22.07.2016 der Amoklauf des 18-jährigen Ali David S. in München. Er versucht, gezielt Jugendliche mit Migrationshintergrund über eine Facebook-Nachricht ins Einkaufszentrum zu locken und erschießt dort neun Menschen und sich selbst. 27 Menschen werden verletzt. Während des Amoklaufes hört der 18-Jährige Rufe eines tobenden Anwohners aus dem benachbarten Hochhaus: „Du Arschloch! Du Hund! Du Penner! Scheiß Kanaken!“ David S. reagiert, er brüllt dem Anwohner entgegen, ein wirrer Dialog beginnt. „Ich bin Deutscher. Ich bin hier geboren worden.“ Gehen die ersten medialen Spekulationen über die Motivation des in Deutschland geborenen Sohnes aus dem Iran geflohener Eltern Richtung Islamismus oder psychischer Probleme, zeigen die folgenden Ermittlungen ein anderes Bild: Der Täter war offenkundig Rassist, vor allem gegen türkische und „arabische“ Menschen, und NS-Fan, der stolz war, am gleichen Tag wie Hitler Geburtstag zu haben und von sich als „Arier“ sprach. Vorangegangen war offenbar langjährigen Mobbings durch muslimische Jugendliche, gegen das er keine Hilfe fand. Ali David S. besuchte im Vorfeld der Tat Winnenden und verehrte den islamfeindlichen Attentäter Anders Behring Breivik so sehr, dass er sogar das gleiche Datum für sein Attentat aussuchte – fünf Jahre zuvor hatte Breivik am ?? in Utoya 77 Jugendlichen das Leben genommen. Ein früherer Freund berichtet bei Spiegel TV über gemeinsames „Counter Strike“-Spielen: „Er nannte sich Hass oder Amokläufer, spielte sehr aggressiv, hetzte gegen Türken und Juden. Er war sehr nationalistisch.“ Am Ende tötete Ali David seine Verbündeten. „Es hat keinen Spaß gemacht, mit ihm zu spielen. Wir hatten alle etwas Angst vor ihm.“ (vgl. Heise.de, DerWesten, TZ)
Rassistischer Totschlag: Fußballfan erschlägt Flüchtling in Fermo (Italien)
Während der Fußball-Europameisterschaft steigt der Nationalismus und damit auch der Rassismus überall (Fußball-gegen-Nazis.de berichtete), in Italien war sogar ein Todesopfer zu beklagen. Ein 36-jähriger geflüchteter Nigerianer wurde in Fermo auf offener Straße vor den Augen seiner Freundin brutal attackiert. Ein rechtsextremer Fußballfan bepöbelte das Paar zunächst rassistisch und schlug den Mann dann derart zusammen, dass er im Krankenhaus seinen Verletzungen erlag (n-tv, Berliner Zeitung, Spiegel).
Mord an 31-jährigem Briten Luke Holland in Berlin – Gericht findet rassistische Motivation nicht erwiesen
Der 31-jährige Brite Luke Holland wurde in Berlin-Neukölln mit einem einem Schrotgewehr erschossen, als er vor einer Bar in Berlin-Neukölln stand. Zehn Monate später verurteilte jetzt das Landgericht der Hauptstadt einen 63-Jährigen zu elf Jahren und sieben Monaten Haft. „Es war ein heimtückischer Mord“, sagten die Richter am Montag. Das Motiv aber sei nicht sicher festgestellt worden, möglich sei Ausländerhass. „Das ist aber nur ein vager Rückschluss aus seiner Sammelleidenschaft.“ Die Polizei hatte beim Angeklagten Nazi-Devotionalien wie eine Hitler-Büste und Waffen gefunden. Ob der Mord so in die Statistik rassistisch motivierter Todesfälle eingeht, ist fraglich (Rundschau-Online, Berlinonline – vergleiche für ausführlichen Hintergrund Burak.blogsport.de).
Rassismus in Großbritannien: Der Hass nach dem Ja zum Brexit
Seitdem in Großbritannien der Brexit, also der Austritt aus der EU beschlossen wurde, bricht sich Rassismus in jeder Form Bann: Hassparolen auf Handzetteln, Graffiti-Hetze, vor allem aber rassistischer Hass direkt ins Gesicht der Betroffenen geschrien. Um das Ausmaß sichtbar zu machen, beschreiben auf Facebook und Twitter Betroffene unter dem Hashtag #PostRefRacism ihre Erfahrungen mit Rassismus nach dem Referendum. Es sind Geschichten wie diese: Fremde Männer bewerfen eine Muslimin mit Eiern. Ein polnisches Kulturzentrum in London wird beschmiert, ein afrikanisches in Manchester nach Morddrohungen geräumt. Eine Frau, die im Bus auf Polnisch telefoniert, wird beschimpft. Eine Frau postet ein Foto ihrer Tochter, sie hat ein blaues Auge – „sie hat sich zwischen einen Fremden und einen polnischen Freund gestellt“, schreibt die Mutter (Tagesschau, Spiegel, ZEIT)
Berlin: Arierparagraph im Kleingarten? Kolonie will nur Pächter mit „deutscher Herkunft“
Wer Muslim ist, kann sich in einer Kleingartenkolonie in Berlin-Tempelhof vergeblich um eine Parzelle bewerben. Der Verein möchte nur noch Menschen mit deutscher Herkunft aufnehmen. Viele der türkischen Nachbarn in der Kolonie wollten sich nicht in das Vereinsleben integrieren, so die Begründung. Man wolle „keine Menschen nicht deutscher Herkunft“ aufnehmen. Ein deutscher Pass ändere nichts daran. Die Herkunft müsse deutsch sein (Deutschlandfunk).
Rassismus-Vorwürfe gegen Funktionär der Berliner Charité
An der Berliner Charité gibt es Rassismus-Vorwürfe gegen einen ranghohen Funktionär des Hauses, den Vorsitzenden des Fakultätspersonalrats. Der engagiere sich im Spreewald im Verein „Zukunft Heimat“ und habe sich auf einer „asylkritischen“ Kundgebung rassistisch geäußert, berichtet der rbb. Er steht im Impressum der Website und verantwortet die Facebook-Seite. „Zukunft Heimat“ steht der neurechten „Identitären Bewegung“ nahe.
„Fakten gegen Gerüchte“: Sächsische Zeitung will künftig Nationalität von Straftätern immer nennen
Aktuell scheinen viele Menschen daran zu zweifeln, dass Journalist_innen sich wirklich um einen möglichst hohen Wahrheitsgehalt bemühen. Um dem Vorwurf entgegenzutreten, Medien würden Wahrheiten manipulieren, halbieren und unterdrücken, will die „Sächsische Zeitung“ ab sofort systematisch gegen den geltenden Pressekodex verstoßen: Sie will die Nationalität von Tatverdächtigen nicht mehr nur in begründeten Ausnahmefällen nennen, wie es die Richtlinie 12.1 vorsieht, sondern in aller Regel. Sie wird das aber immer tun: nicht nur bei ausländischen, sondern auch bei deutschen Tätern. Auf diese Weise sollen die Leser des Blattes ein realistischeres Bild davon bekommen, wie oft Zuwanderer straffällig werden (SZ-Online). Das mag der Redaktion sinnvoll erscheinen, gibt aber nicht nur der Erzählung von manipulierenden Medien Futter, sondern hat auch inhaltliche Fallstri>Brueckentechnoligie.org; Berliner Zeitung)
Rassistischer Polizist vor dem Landgericht Hannover: Kinderpornos, illegale Pumpgun, rassistische Witze
Gesetzeshüter auf der Anklagebank: Vor dem Amtsgericht Hannover hat ein wegen mehrerer Delikte angeklagter Bundespolizist alle Tatvorwürfe gestanden – darunter der Besitz von Kinderpornographie und eine illegale Waffe. Ermittelt wurde gegen den Mann, weil zwei Kollegen ihn wegen Verdachts der Körperverletzung im Amt angezeigt hatten. Der 40-jährige Polizist aus dem Landkreis Schaumburg hatte 2014 das Foto eines Marokkaners auf der Wache verschickt mit dem rassistischen Kommentar, der Mann habe gequiekt wie ein Schein und habe gammeliges Schweinefleisch vom Boden essen müssen. Bei einer Hausdurchsuchung fanden die Ermittler_innen eine illegale Pumpgun samt Munition sowie mehr als 200 Dateien mit Kinder- und Jugendpornos, teilweise mit Kleinkindern. „Zu jung“ hatte der Polizist eine CD-ROM beschriftet.Er wurde zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe und 100 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt. Bei der Gesamtstrafe wurde ein Urteil des Amtsgerichts Stadthagen berücksichtigt. Wegen Verbreitung pornografischer Schriften erhielt der 40-Jährige dort eine Geldstrafe von 2 400 Euro. Er hatte ein Foto seines erigierten Penis an eine 14-Jährige geschickt, die er in der Bahn kennengelernt hatte (sz-online.de).
Rassismus in der Kantine: „N****kuss“ bestellt – gekündigt
Der Reiseveranstalter Thomas Cook kündigte einem Mitarbeiter des mittleren Managements. Der hatte bei einer aus Kamerun stammenden Küchenangestellten in der Kantine einen „N****kuss“ bestellt – nachdem er sie allerdings nach Angabe des Unternehmenssprechers bereits über einen längeren Zeitraum rassistisch provoziert hatte. Der Mann ging in Berufung und bekam Recht, die Firma muss ihn weiterbeschäftigen, kann ihn nun aber formal korrekt kündigen (n-tv).
Feindlichkeit gegen Geflüchtete und Unterstützer_innen
Urteil: 14 Jahre Haft für Reker-Attentäter
„Er wollte ein Signal gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung setzen“, sagte die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza in ihrer Urteilsbegründung am Oberlandesgericht Düsseldorf. „Er wollte ein Klima der Angst schaffen und die Politik beeinflussen.“ Der Attentäter hatte Reker am 17. Oktober 2015, einen Tag vor ihrer Wahl zur Oberbürgermeisterin von Köln, ein großes Jagdmesser in den Hals gerammt und vier weitere Menschen verletzt. Reker schwebte in akuter Lebensgefahr und lag mehrere Tage im künstlichen Koma. Bei der Verlesung des Urteils schüttelte Frank S. auf der Anklagebank kurz den Kopf. Später wiederholte er seine Ankündigung, in Revision gehen zu wollen, also das Urteil beim Bundesgerichtshof anzufechten (WDR, ZEIT)
Angriffe auf Flüchtlingsheime: Täter sind turboradikalisiert
Im Nordrhein-Westfalen gab es bis Anfang Juni 114 politisch motivierte Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte. Bei diesen Anschlägen sind nach Beobachtungen des Landesverfassungsschutzes 66 Prozent der Tatverdächtigen zuvor nicht in der organisierten rechtsextremen Szene aufgefallen. „Es gibt einen neuen Tätertyp, der sich schnell radikalisiert und die Schwelle von der Ideologie zum Anschlag ohne Zwischenschritte überspringt“, warnte Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) am Montag bei der Vorstellung des aktuellen NRW-Verfassungsschutzberichts in Düsseldorf (taz)
In Berlin, berichtet der Verfassungsschutz, ab es in der zweiten Jahreshälfte 2015 in den östlichen Stadtbezirken beinahe täglich Proteste und Aktionen gegen Geflüchtete. Mehr Rechtsextreme gibt es auch: 1450 statt 1355 (bnr).
Bundesjustizminister Maas: „Viele Menschen haben Angst vor Hass-Bedrohung“
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) befürchtet wegen des Erstarkens rechter Kräfte einen Schaden für die Demokratie in Deutschland. „Es gibt viele Menschen, die wegen ihres Engagements Angst haben müssen vor rechten Übergriffen. Das ist für unsere Demokratie verheerend“, sagte Maas in Berlin. „Es gibt auch Fälle etwa in Sachsen, in denen es schwierig ist, überhaupt noch politisch zu arbeiten. Da trauen sich Parteien zum Teil gar nicht mehr mit ihren Wahlkampfständen auf die Straße.“Der Minister appellierte an „alle, die Deutschland als weltoffenes und tolerantes Land sehen“, Alltagsrassismus nicht einfach achselzuckend zur Kenntnis zu nehmen. „Wenn die schweigende Mehrheit weiter schweigt, dann wird in den sozialen Medien und auf der Straße immer mehr der Eindruck erweckt, dass es mehr Rechtspopulisten und Rechtsextreme gibt, als das in Wirklichkeit der Fall ist“, mahnte er (Tagesspiegel).
Flüchtlingskinder in der Schule: Wenn Grundschüler plötzlich von „Kanaken“ sprechen
Die Flüchtlingskinder verändern unsere Schulen – allerdings sind die Lehrer oft schlecht darauf vorbereitet. Nicht nur auf traumatisierte Kinder, sondern auch auf rassistische Sprüche und Schimpfwörter. Rund ein Drittel der Flüchtlinge in Deutschland sind schulpflichtige Kinder und Jugendliche, 300.000 sind bereits im Bildungssystem angekommen. Die Lehrer_innen müssen den Umgang mit der Situation noch lernen (Spiegel Online).
Studie zu Flüchtlingen und Migranten: Die Willkommenskultur verabschiedet sich
Eine Studie, die vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld unter dem Projektnamen „ZuGleich“ mit der Mercator-Stiftung durchgeführt wurde, hat untersucht, wie sich die Haltung der Deutschen mit und ohne Migrationsbiografie zum Thema Integration und Zusammenleben mit Migranten zwischen 2013/2014 und 2015/2016 verändert hat. Inzwischen sieht ein Drittel der Befragten Deutschlands Zukunft durch die Migration in Gefahr. Knapp die Hälfte von ihnen hat Angst, dass mit der steigenden Anzahl der Flüchtlinge in Deutschland auch die Bedrohung durch Terrorismus wächst. Fast ebenso viele Befragte wünschen sich, dass die Asylbewerber wieder ausgewiesen werden, wenn sich die Lage in ihren Heimatländern verbessert (Spiegel Online)
Nach rassistischen Kommentaren: Twitter sperrt erstmals Person lebenslänglich
So entschlossen kannte man Twitter nicht: Weil der rechtspopulistische Journalist Milo Yiannopoulos die schwarze Schauspielerin Leslie Jones beleidigt hat, sperrt der Kurznachrichtendienst seinen Account für immer. Yiannopoulos schreibt, wenn er keinen rassistischen und sexistischen Hass auf Twitter verbreitet, als Tech-Journalist für das konservative US-Newsportal „Breitbart“. Er ist ausserdem der Anführer von «Gays for Trump», eine Gruppe konservativer Homosexueller, die den republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump (70) unterstützt (blick.ch; faz.net)
Vergleiche ein Interview mit Dunja Hayali:“Ich möchte, dass wir wieder ’wir’ werden“ – So reagiert Dunja Hayali auf Hasskommentare (Focus)
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