Zusammengestellt von Simone Rafael
Homo- und Transfeindlichkeit
Schwulenfeindliche Übergriffe im Umfeld des Christopher Street Days in Berlin
Mehrere Teilnehmer der Schwulen- und Lesbenparade zum Christopher Street Day (CSD) sind am Sonnabend in Berlin angegriffen worden. Nachdem die Polizei bereits am Wochenende von einem Übergriff berichtete, wurde am Montag eine weitere Attacke bekannt. Ein 23-Jähriger wurde in der S-Bahn am Hackeschen Markt (Berlin-Mitte) von zwei Männern schwulenfeindlich angepöbelt und brutal in Geschichte geschlagen, so dass er einen Nasenbeinbruch erlitt (Tagesspiegel). Ein 21-Jähriger, der geschminkt vom CSD kam, wurde von drei Männern an der Luxemburger Straße (Berlin-Wedding) angegriffen, erlitt Kopf- und Armverletzungen. (Berliner Morgenpost).
Einen weiteren Übergriff gab es am 29.07.2016 am Berliner Alexanderplatz (Berlin-Mitte): Drei Männer aus dem Irak, Syrien und Serbien wurden wegen ihrer Homosexualität von vier Angreifern zunächst verbal bedroht und dann mehrfach mit Fäusten ins Gesicht geschlagen (Tagesspiegel).
Homofeindlicher Übergriff auch in München
In München stürmte ein Mann in die Toilette am U-Bahnhof Fraunhoferstraße, beschimpfte die Anwesenden, schlug gegen die Klotüren und gab sich als Kriminalpolizist aus. Einem Mann stellte er sich in den Weg, wollte vermeintlich dessen Personalien kontrollieren. Dieser händigte seinen Personalausweis allerdings nicht aus, da er erkannte, dass der Angreifer kein Polizist war. Daraufhin wurde er bedroht, mit Gewalt und mit dem Tod, und homofeindlich beleidigt. Der Angreifer folgte seinem Opfer über mehrere Straßen, spuckte ihm ins Gesicht und Griff ihn mit einem Gegenstand aus einer Baustelle an. Das Opfer konnte schließlich fliehen (muenchen.tv).
FBI: Homofeindlichkeit war nicht der Grund für das Orlando-Massaker
Für die Ermittlungsbehörden gibt es keine Hinweise, dass Omar Mateen gezielt einen queeren Club angegriffen hat. Allerdings wissen sie auch nichts über das Motiv des Orlando-Attentäters Omar Mateen zu sagen. Nach Angaben des ermittelnden FBI wurde keine Hinweise gefunden, dass der 29-jährige aus Homophobie am 12. Juni im queeren Club „Pulse“ 49 Menschen getötet hat. Das FBI berief sich bei dieser Aussage auf die Untersuchung von Mateens Smartphone und Computer, die Auswertung seiner Chats sowie Zeugenaussagen. Der Attentäter habe auch kein homosexuelles Doppelleben geführt. Ebenfalls keinen Beleg gibt es für einen direkten Kontakt zum „Islamischen Staat“, auf den sich Mateen während der Tat berufen hatte. In Orlandos queerer Community gibt es Zweifel an den neuen Aussagen des FBI. Einige Stimmen befürchten, dass LGBT bewusst unsichtbar gemacht werden sollen. Schließlich hatten sowohl Omar Mateens Vater als auch seine erste Ehefrau kurz nach dem Attentat in Interviews berichtet, dass sich der 29-Jährige mehrfach homophob geäußert habe (Queer.de).
Premiere: Berliner Fußball-Verband beim Christopher Street Day (CSD)
„Heul nicht rum, du Schwuchtel“: Das größte Problem sind Beleidigungen, auf und neben dem Platz. Doch Berlins Fußballverband engagiert sich vorbildlich gegen Homofeindlichkeit – wie jetzt auf dem CSD (Tagesspiegel, Siegessäule).
Sexismus
Entscheidung im Sexismus- und Rassismus-Skandal in der unter Polizeischülern in Eutin
Nachdem mehrere Vorfälle von Rassismus und Sexismus an der Polizeischule in Eutin zunächst ohne Konsequenzen bleiben sollten (ngn berichtet), wird nun einer von zwei beschuldigten Polizeischülern auf Weisung des Schleswig-Holsteinischen Innenministers entlassen (shz). Außerdem verlässt der Chef der Polizeischule, Jürgen Funk, seine Stelle – angeblich aber nicht wegen der schleppenden Aufklärung der Vorfälle, sondern laut Landespolizeia wegen einer „regelmäßigen Rotation der Behördenleiter“ (NDR). Derweil hat sich der Vater einer der belästigten Polizeischülerinnen zu Wort gemeldet, dass seine Tochter instrumentalisiert würde und den Klaps auf den Po nicht als sexistisch empfunden hätte (Kieler Nachrichten, Welt, shz).
Sexismus auf Kulturfestivals: Ermittlungen gegen wegen sexueller Übergriffe
Bei der Breminale ist es zu sexuellen Übergriffen gekommen. Auch beim Maschseefest in Hannover bereiten sich die Veranstalter auf Vorfälle vor. Auf der Breminale hat es eine Reihe von sexuellen Übergriffen auf Frauen gegeben. Während des Bremer Open-Air-Kulturfestivals am Weserufer sind nach Angaben der Polizei bisher zehn Opfer von Attacken bekannt geworden, die im Festzelt angetanzt und gegen ihren Willen angefasst wurden. Sechs mutmaßliche Täter wurden vorübergehend festgenommen. Am Freitagabend war es bei einem Konzert der Band „Alltag“ zu Übergriffen gekommen, die daraufhin ein „Awareness-Konzept“ für künftige Konzerte entwarfen: Es solle bei Konzerten vertrauenswürdige Ansprechpartner vor Ort geben, an die man sich im Falle sexueller Belästigung wenden könne. In Zukunft will sich die Band mit einem Awareness-Konzept auf ihren Konzerten dafür einsetzen, dass derartige Übergriffe verhindert werden und Opfer von sexueller Belästigung vertrauenswürdige Ansprechpartner vor Ort haben: „Wir machen dann am Anfang eine Durchsage, dass es Personen gibt, die sich darum kümmern, dass niemand belästigt wird, und die Ansprechpartner für potenzielle Opfer sind. Die Ansprechpartner sollen erkennbar gekleidet und nüchtern sein.“ (taz)
Bodyshaming als politische Zermürbungsstrategie
Bodyshaming wird massiv gegen unliebsame Frauen einsetzen. Die 30-jährige Wiener Künstlerin, Bloggerin und Schriftstellerin Stefanie Sprengnagel (aka Sargnagel), die gerade in Klagenfurt am Bachmann-Wettlesen den Publikumspreis gewonnen hat, wird tagtäglich als hässlich beschimpft. Durchaus auch von prominenten Kollegen. Zum Beispiel vom österreichischen Schriftsteller Thomas Glavinic. Er nennt sie einen «sprechenden Rollmops». Glavinic ist nicht nur Bestsellerautor, sondern unterstützt auch den rechten Bundespräsidentschafts-Kandidaten Norbert Hofer. Stefanie Sprengnagel ist Feministin und offene Feindin der FPÖ. Gemeinsam mit andern jungen Frauen hat sie die feministische Aktionsgruppe Burschenschaft Hysteria gegründet. «Du bist so hässlich» ist psychologische Kriegsführung. Das Argument, mit dem man zuverlässig jede Frau trifft. «Bodyshaming» und seine Untergruppe, das «Fatshaming», schmerzen, ganz einfach. Wer stark ist, schluckt’s runter, macht einen lustigen Spruch und hofft, dass es nicht aufstösst. Wer nicht so stark ist, wird essgestört (Watson.ch).
Sexistische Filmplakate: Die kopflosen Frauen von Hollywood
Frauen sind auf Filmplakaten häufig – wirklich häufig – gesichtslos dargestellt – reduziert auf sexuelle Stimulanz. Die amerikanische Journalistin Marcia Belsky dokumentiert die Macho-Impertinenz auf ihrem Fotoblog „Headless Women of Hollywood“ (Sueddeutsche.de).
#CanHeSayIt: Mehr oder weniger subtiler Sexismus am Arbeitsplatz
Unternehmerin Jodie Fox fühlte sich bei einem Geschäftstreffen durch die Aussage „Du siehst wundervoll aus“ auf ihr Äußeres reduziert – zumal männlichen Kollegen nichts Ähnliches gesagt wurde. In Sozialen Netzwerken stieß sie damit eine lebhafte Diskussion unter dem Hashtag #CanHeSayIt an (kurier.at).
Gender
„Demo für alle“ expandiert nach Bayern – Homo-Hasser gegen die CSU
Am 24.08.2016 sollte die erste homo- und vielfaltfeindliche „Demo für alle“ in München stattfinden. Grund sind neue „Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung“, die besagen, an Schulen solle demnächst behutsam und angemessen über Homo- und Transsexualität aufgeklärt werden, um Jugendlichen künftig zu helfen, „ihre geschlechtliche Identität sowie sexuelle Orientierung zu finden und anzunehmen“. Die „Demo für alle“ forderte von der CSU, dies zurückzunehmen. Angekündigt als Redner_innen waren von Organisatorin Hedwig von Beverfoerde u.a. der Sozialwissenschaftler Prof. Manfred Spieker und die christlich-fundamentalistische Publizistin Gabriele Kuby. Motto war „Stoppt Gender und Sexualpädagogik der ‚Vielfalt‘ in Bayerns Schulen!“ (Queer.de). Nach dem Attentat von München wurde die Demonstration allerdings abgesagt – nicht ohne Polemik von Beverfoerde: „Wie Sie wissen, werden unsere friedfertigen Demonstrationen für Ehe & Familie und gegen Gender und Sexualisierung regelmäßig von aggressiven linksradikalen Antifa- und sonstigen Gruppen attackiert und binden jedes Mal mehrere Hundertschaften (!) Polizei zum Schutz unserer Teilnehmer.“ Deshalb wolle man nicht demonstrieren, die die Polizei anderweitig gebraucht werde (Queer.de).
Interessant dazu auch: Die AfD nimmt die „Demo für alle“-Argumentation auf, demonstriert etwa in Wartenberg auf dem Marktplatz vor ein Treffen des CSU-Ortsverbandes mit dem Bayerischen Staatsminister für Bildung und Kultus, Ludwig Spaenle (allerdings endet die Demo, bevor Spaenle da ist). Als jemand in der Diskussion Bedenken gegen die Richtlinien äußert, ist Spaenle rigeros: „Wer hat Ihnen denn den Schmarrn erzählt?“ In den neuen Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung in den bayerischen Schulen stehe kein Wort über „Genderisierung“. Es gehe um einen „verantwortungsbewussten Umgang“ mit der Sexualität, um „eine Sensibilisierung der Jugend“, um das Thema Sex und Gewalt und um die Medienverantwortung. Und alles andere sei Unsinn (sueddeutsche.de)
Was verstehen Gegner_innen eigentlich unter „Genderismus“?
Die Feindbilder Feminismus und „Genderismus“ sind entscheidende Elemente rechtsnationaler, christlich-fundamentalistischer, aber auch neoliberaler Weltanschauungen. Aktuell sind systematische Angriffe auf ‚Gender‘ besonders beliebt, weil sich das Konzept in staatlichen und politischen Organisationen etabliert hat und auch als Forschungsrichtung anerkannt und – bescheiden – finanziert wird. ‚Gender‘ weist also Merkmale auf, aus denen sich die aufstrebende anti-etatistische Rhetorik speisen lässt. So wird „Genderismus“ oft als „Staatsdoktrin der Gleichmacherei“ bezeichnet. Beschworen wird ein dystopisches Szenario, in dem ein elitärer Staat – oder wahlweise die EU – die Bürger_innen zu geschlechtslosen Monstern umerziehe, zu einem „Frankenstein ohne Geschlecht“, wie Markus Somm (Basler Zeitung, 2014) behauptet: ein Staat, der natürliche – oder, wie auf der rassistischen, christlich-fundamentalistischen Seite zukunft-ch.ch zu lesen ist: ‚gottgegebene‘ – Unterschiede zwischen Mann und Frau verbiete (GeschichtederGegenwart.ch)
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