AfD nach der Wahl
Wer folgt auf Frauke Petry an der Spitze der AfD? Als Björn Höcke als möglicher Kandidat ins Spiel kommt, regt sich Unmut in der Partei. Der geht nun in die Offensive – mit einer deutlichen Warnung an die Parteispitze. (Handelsblatt) Jörg Meuthen lehnt einem Zeitungsbericht zufolge eine Kandidatur von Alice Weidel für eine Doppelspitze in der Parteiführung ab. (Spiegel)
Die AfD soll laut ihrer Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel bis zur nächsten Bundestagswahl regierungsfähig sein. „Mittelfristig ist es unser Ziel, zu gestalten, und dafür wollen wir in die Regierung. Ab 2021 wollen wir so weit sein“, sagte Weidel der Bild am Sonntag. Die AfD-Fraktion solle „ein Formel-1-Wagen werden, mit dem wir jedes Rennen gegen die anderen bestehen können“. Bisher war es in der AfD umstritten, ob sie irgendwann einmal Regierungsverantwortung übernehmen soll. (Zeit)
Die AfD und ihre Abgeordneten werden in den nächsten vier Jahren rund 400 Millionen Euro vom Staat für ihre politische und parlamentarische Arbeit in Deutschland bekommen. (RP)
Die AfD-Bundestagsfraktion hat fünf stellvertretende Vorsitzende gewählt, darunter Beatrix von Storch und Leif-Erik Holm. (Handelsblatt) Ein Vertrauter von Rechtsaußen Björn Höcke ging leer aus. Trotzdem könnten weitere Austritte folgen. (Tagesspiegel, Frankfurter Rundschau)
Was der völkisch-konservative Flügel in der AfD bei der Bildung der Bundestagsfraktion nicht geschafft hat, könnte ihm jetzt auf Länderebene gelingen: wichtige Posten ergattern und die Oberhand über die Führung der Partei. Dafür spricht, dass die mutmaßlich Gemäßigten allmählich den Rückzug antreten. (Handelsblatt)
Der umstrittene Landeschef der Thüringer AfD, Björn Höcke, soll wohl in der AfD bleiben, das Parteiausschlussverfahren gegen ihn ins Leere laufen. (ntv, tag24) Zudem soll er in den bald neu zu wählenden Bundesvorstand aufrücken. “Höcke repräsentiert einen Teil unserer Mitglieder, deswegen sehe ich ihn im Bundesvorstand“, sagte Niedersachsens AfD-Chef Armin Paul Hampel. (Thüringer Allgemeine, Welt) Gleichzeitig bekommt Höcke Gegenwind innerhalb der Partei. Etwa 150 Mitglieder aus dem konservativ-bürgerlichen Lager der AfD haben im bayerisch-thüringischen Grenzgebiet die “Alternative Mitte” (AM) gegründet. (mdr, Thüringer Allgemeine) Sie wendet sich gegen Rassismus und Nationalismus. Landessprecher Münch stellt jedoch klar: Der hessische Landesverband wird die Gruppe nicht dulden. (Frankfurter Rundschau, Welt)
Der AfD-Politiker Jörg Urban ist neuer Fraktionschef im Sächsischen Landtag. Der 53-Jährige wurde einstimmig als Nachfolger von Frauke Petry gewählt. (Berliner Zeitung)
AfD: Austritte und andere Skandale
Auch der Abgeordnete Mario Mieruch verlässt die AfD-Bundestagsfraktion. Mieruch begründete seine Entscheidung mit der nicht erfolgten Abgrenzung der Partei vom äußersten rechten Flügel um den Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. (Zeit, Spiegel)Der ehemalige Parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Matthias Manthei, hat ebenfalls seinen Austritt bekannt gegeben. Bereits vor einigen Wochen war Manthei gemeinsam mit den drei weiteren AfD-Abgeordneten, Bernhardt Wildt, Christel Weißig und Ralf Borschke, aus der Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ausgetreten. Kurz danach verließen der ehemalige Landessprecher der AfD, Wildt, und auch die Alterspräsidentin des Landtags, Weißig, die Partei. Nun zieht auch Manthei einen Schlussstrich unter das Kapitel AfD. (NDR, Ostsee-Zeitung, Focus)Mit einem verbitterten Brief an Parteimitglieder verabschiedete sich der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Frank Neppe aus Fraktion und Partei. Sein Abgeordnetenmandat werde er allerdings nicht aufgeben, sagte Neppe der Deutschen Presse-Agentur. In dem Brief beklagt Neppe, dass einige Funktionäre der Partei die AfD mit ihren Äußerungen „immer weiter in die rechte Ecke bugsieren“. (stern, Zeit)In einer persönlichen Erklärung gab Gunter Wild aus der AfD-Fraktion im sächsischen Landtag seinen Austritt bekannt. Die AfD aus den Gründungszeiten habe “leider nur noch sehr wenige Gemeinsamkeiten mit der AfD von heute“, schrieb der 59-Jährige in einer persönlichen Erklärung. Die AfD ziehe mittlerweile Personen an, die das politische System der freiheitlich-demokratischen Grundordnung komplett stürzen wollten, so Wild. (Sächsische Zeitung)Die AfD verliert ein weiteres prominentes Mitglied: Anette Schultner, Bundesvorsitzende der “Christen in der AfD“, kehrt der Partei den Rücken und will sich in der von Petry initiierten Bürgerbewegung “Blaue Wende“ engagieren. (FAZ, Frankfurter Rundschau)
Die AfD hat den Einzug in den Landtag von Hannover knapp geschafft – doch von Erleichterung ist der zerstrittene Landesverband Niedersachsen weit entfernt. Im Gegenteil: Mehrere Vorstandsmitglieder fordern nun einen personellen Neuanfang. Die Initiative richtet sich gegen den derzeitigen Landesparteichef Armin Paul Hampel. (Spiegel) Die Staatsanwaltschaft Lüneburg hat derweil dessen Wohnung im Landkreis Uelzen und die AfD-Landesgeschäftsstelle in Lüneburg durchsucht. Die Behörde ermittelt wegen Betrugsverdachts. Es geht um die Frage, ob Hampel Parteigelder abgezweigt hat. (NDR, Welt)
Die AfD verliert im NRW-Landtag wichtiges Personal, die verbliebenen Abgeordneten radikalisieren sich – und werden nervös. Denn wenn noch vier weitere Mitglieder die Fraktion verlassen, war’s das. (Welt)Nach mehreren Rücktritten an der Spitze der AfD in Sachsen ist ein Notvorstand eingesetzt worden. Dies sei notwendig, weil im Zuge des Rücktritts der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry insgesamt sechs Vorstandsmitglieder zurücktraten. (Märkische Allgemeine)Seit 2014 reichte es für die AfD bei jeder Wahl für einen Triumph. Mal mehr, mit bis zu 20 Prozent im Osten, mal weniger, wie zuletzt in Niedersachsen. Aber vor allem seit dem Ausstieg von Frauke Petry zerbröseln Vorstände und Fraktionen. (RP) Sechs der ausgetretenen Funktionäre melden sich in der Huffington Post zu Wort – und warnen vor einem Rechtsruck in der Partei. (Huffington Post)
Die nordrhein-westfälische AfD hat ihren Landesparteitag abgesagt. Der Grund sind Sicherheitsbedenken. Die Polizei hält die Bedenken allerdings für unbegründet. Aus Sicht der Einsatzkräfte war der zweitägige Parteitag “zu keinem Zeitpunkt gefährdet“. Die Sicherheit der Veranstaltung ist offenbar nicht der ausschlaggebende Punkt für die Absage. In der Vergangenheit war bereits mehrfach über eine drohende Spaltung der Landtagsfraktion spekuliert worden. (Focus)
Frauke Petry und “Die Blauen”
Frauke Petry hat angekündigt, nicht Teil der AfD-Fraktion sein zu wollen. Immer wieder sitzen fraktionslose Abgeordnete im Bundestag – doch ihre Macht ist begrenzt. (Augsburger Allgemeine) Nach ihrem Austritt hat sie eine „Hexenjagd“ in ihrer einstigen Partei beklagt. Wer als Anhänger von ihr gelte, „wird wie ein Verräter behandelt und in den sozialen Netzwerken regelrecht verfolgt“, sagte Petry. (Welt, Huffington Post) Auch Petrys Mann, Marcus Pretzell, ist nun offiziell aus der AfD ausgetreten. Die beiden wollen eine Partei zwischen Union und AfD. (Der Westen, jungle world) Die Gründung soll bereits vor der Bundestagswahl erfolgt sein – jetzt wurde auch der Name der Partei bekannt. (Focus, Spiegel) „Die Blaue Partei“ heißt das neue Projekt. Begleitet wird es von einem Bürgerforum „Blaue Wende“. Die Ex-AfD-Chefin will damit enttäuschte Konservative anziehen. (Tagesspiegel)Als AfD-Gründer Bernd Lucke 2015 die AfD verließ, nahm er rund 4000 Mitglieder mit. Bei Frauke Petry ist die Ausgangslage anders. Ihre Truppe ist noch klein. (Focus, Südwest Presse) Was Petry will, hat Lucke schon in ähnlicher Form gegründet: die Liberal-Konservativen Reformer. Deren Parteichef Kölmel spricht von Plagiat. (Zeit)
Zuletzt schien Frauke Petry die Auftritte in der Öffentlichkeit geradezu zu genießen. Selbst als sie ihren Abgang aus der AfD-Bundestagsfraktion bekanntgab, war ein Lächeln dabei. Doch nun könnte ein Termin auf sie zukommen, den sie nicht ohne weiteres weglächeln kann. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat Anklage wegen des Verdachts auf Meineid gegen Petry erhoben. Die räumte auf Anfrage den Irrtum ein, betonte aber, nicht absichtlich falsch ausgesagt zu haben. (Zeit, ZDF) Zudem soll sie sich einen großen Datensatz aus der Mitgliederkartei der Partei verschafft haben. Der Datenschutzbeauftragte der AfD wirft Petry in einer Mail vor, sie habe am Abend des 15. September mehr als 116.000 Kontaktdatensätze kopiert und große Mengen exportiert. Dies sei rechtswidrig, Petry müsse die Daten umgehend löschen. (Spiegel, Merkur)
Austritt aus der AfD, Anklage wegen Meineids, Datenklau-Vorwürfe. War es das für Frauke Petry oder kommt ein zweiter Aufstieg in der Politik? Versuchen wird es die ehemalige AfD-Chefin zumindest. Das wieder ist ein Fakt, den der AfD-Gründer Bernd Lucke amüsant findet, denn einst wurde er von Petry gestürzt. Dafür verfolgt er jetzt umso aufmerksamer, was mit seiner früheren Kontrahentin passiert. (mdr)
Reaktionen auf die AfD
Bundestagsabgeordnete von SPD, FDP, Grünen und Linkspartei sträuben sich dagegen, den AfD-Kandidaten Albrecht Glaser zum Bundestagsvizepräsidenten zu wählen. Zur Begründung verwiesen sie in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ auf umstrittene Äußerungen Glasers, in denen er die Religionsfreiheit für Muslime in Abrede gestellt haben soll. (Spiegel, Hessenschau, Zeit) Zudem haben Vertreter von SPD, Linken und Grünen deutlich gemacht, dass sie nicht jeden Bundestagsabgeordneten der AfD in sicherheitsrelevanten Gremien des Bundestages akzeptieren werden. “Die AfD ist gut beraten, nicht ihre größten Scharfmacher in diese Gremien zu schicken. Sonst müssen sie damit rechnen, nicht gewählt zu werden.”, sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka. (Weser Kurier)
Die Leiter mehrerer KZ-Gedenkstätten warnen vor der AfD. Sie befürchten einen „schweren Schaden für die Erinnerungskultur“, wie es in einer gemeinsamen Presseerklärung heißt. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass die parlamentarische Stimme bundesdeutscher Kulturpolitik in den Händen jener liegt, die eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ gefordert haben. (Süddeutsche Zeitung)
Das Revuetheater Friedrichstadt-Palast in Berlin-Mitte positioniert sich gegen die AfD und deren Wähler und Unterstützer. „Wir werden uns künftig noch deutlicher als bisher von 20 oder 25 Prozent unserer potentiellen Kunden im Osten abgrenzen und von Hohlköpfen mit Migrationshintergrund selbstverständlich auch. Ich will all deren Geld nicht“, schreibt Intendant Berndt Schmidt in einer internen Hausmitteilung. Mit anderen Worten: AfD-Unterstützer sind in Deutschlands größtem Showtheater nicht erwünscht. Schmidt sagte sogar, man werde auch bereits gekaufte Tickets zurücknehmen. (rbb|24)
In Sachsen bebt die Erde immer noch, einen Monat nach der Bundestagswahl. 27 Prozent der Wähler haben die AfD zur stärksten Partei im Bundesland gemacht und für die erste Niederlage der CDU seit 1990 gesorgt. Inzwischen hat Ministerpräsident Stanislaw Tillich ratlos hingeworfen. (General-Anzeiger) Der Dresdner Medizinprofessor Gerhard Ehninger befürchtet durch den AfD-Wahlsieg im Freistaat negative Auswirkungen auf den Wissenschaftsstandort Sachsen. Bei jeder Anwerbung eines Forschers spiele mittlerweile die Frage eine Rolle, ob ein Umzug nach Sachsen der eigenen Familie überhaupt noch angetan werden könne, sagte Ehninger. (Welt) Während Freital 2015 mit rassistischen Ausschreitungen und rechtem Terror Schlagzeilen machte, engagierte sich der Linken-Stadtrat Michael Richter für Geflüchtete. Nun sieht er sich gezwungen, Sachsen zu verlassen. (Endstation Rechts)
Der FDP-Mann Hans-Ulrich Rülke wird im Netz für eine Rede gefeiert. Darin nahm er die AfD auseinander – und nannte Björn Höcke Bernd. (Morgenpost)
Die AfD wird oft als „rechtspopulistisch“ bezeichnet. Den ehemaligen Grünen-Politiker Joschka Fischer regt das auf. Er spricht von einer „völkisch definierten“ Partei – und fordert eine harte Auseinandersetzung. (Spiegel)
Der Bundestag konstituiert sich – und mit der AfD befindet sich erstmals seit Gründung der Bundesrepublik eine rechtspopulistische Partei darin, die über eine Vielzahl an Sitzen verfügt. Ihr Einzug ist für Charlotte Knobloch, die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, ein „verheerender Einschnitt in der Geschichte des Parlaments“. (Spiegel)
Wer der rechten Partei AfD das Ende spätestens nach vier Jahren Bundestag prophezeit, hat immer noch keine Ahnung, was im Land gerade passiert. Und vor allem: wie der Osten tickt. (ntv)
Pegida
Nach zweiwöchiger Pause hat Pegida wieder in Dresden demonstriert. Knapp 2000 Menschen trafen sich nach Schätzungen von SZ-Reportern am Altmarkt. Dort träumte Pegida-Chef Lutz Bachmann davon, dass die AfD angesichts der Erfolge in Sachsen 2019 erstmals einen Ministerpräsidenten im Freistaat stellen könnte. (Sächsische Zeitung)
Eigentlich wollte PEGIDA seinen dritten Jahrestag auf dem Altmarkt feiern. Doch daraus wird wohl nichts. Die Stadt gibt einem Kinderfest der Hope-Gala den Vorzug. Dagegen zieht PEGIDA vor Gericht. (TAG24, Dresdner Neueste Nachrichten) Das Verwaltungsgericht hat entschieden. Pegida darf am Wochenende nicht auf den Dresdner Altmarkt. (Leipziger Volkszeitung) Viola Klein, Veranstalterin der Hope-Gala, hat den Kampf um den Altmarkt gewonnen. Jetzt gelte sie als Hassobjekt der Bewegung, sagt sie – allerdings auch für deren Gegner. (Sächsische Zeitung)Wetter und Technik haben dem islamfeindlichen und rassistischen Pegida-Bündnis den dritten Jahrestag seiner Gründung vermasselt. Erst mit über einstündiger Verspätung begann auf dem Theaterplatz vor der Semperoper in Dresden die Kundgebung. (RP) Zum dritten Jahrestag der Pegida-Gründung haben neu gewählte AfD-Bundestagsabgeordnete den Schulterschluss mit dem Bündnis geübt. Der AfD-Abgeordnete Heiko Hessenkemper sagte den Pegida-Anhängern, seine Partei werde für “das Ende der Ausplünderung und der Auslöschung Deutschlands kämpfen”. (Salzburger Nachrichten) Auch die rechtsextreme Identitäre Bewegung feiert mit. (Welt)
Etwa drei Jahre ist es her, da ging in Dresden das erste Mal Pegida auf die Straße. Zu Spitzenzeiten folgten mehr als 20.000 Menschen den Aufrufen von Lutz Bachmann. Inzwischen ist das Interesse zwar deutlich zurückgegangen, doch die Pegida hat Spuren im politischen Leben hinterlassen, besonders in Sachsen. Die Bewegung hat in der AfD einen Partner gefunden. Die Partei ist in Sachsen bei den Bundestagswahlen nun stärkste Kraft geworden. (mdr)
Insgesamt haben mehr als 102.000 Polizisten in den vergangenen Jahren die Demonstrationen der verschiedenen “Pegida“-Bewegungen in Sachsen abgesichert. Das geht aus Antworten der Landesregierung auf zahlreiche Anfragen des sächsischen Linken-Landtagsabgeordneten Andre Schollbach hervor. Allein zur Absicherung der “Pegida”-Aufmärsche in Dresden waren seit 2014 insgesamt 48.080 Beamte im Einsatz, bei “Legida“ in Leipzig 48.763. (Dresdner Neueste Nachrichten)
Der frühere DDR-Bürgerrechtler Frank Richter hat die islamfeindliche und rassistische Pegida-Bewegung mit einer Sekte verglichen. “Bestimmte Elemente wie ein ziemlich geschlossenes Weltbild, das von Gegenargumenten nicht erschüttert werden kann, die ritualisierte Form des wöchentlichen Zusammenkommens, das starke Zusammengehörigkeitsgefühl und anderes ähneln dem, was man auch bei Sekten beobachten kann“, sagte Richter. (Welt, Sächsische Zeitung)
Identitäre Bewegung
Im Sommer 2016 erreicht einen Funktionär der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) eine ungewöhnliche Anfrage. Ein AfD-Politiker aus Norddeutschland meldet sich. Offiziell arbeitet die Partei nicht mit den Identitären zusammen, weil die Gruppe von ehemaligen Neonazis durchsetzt ist und vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Doch Holger Arppe, damals Landtagskandidat der AfD, sucht trotzdem ihre Hilfe: „Kennt ihr ein oder zwei junge Damen, die im AfD-Wahlspot für Berlin mitspielen würden?“, fragt er den Identitären-Funktionär. Man ist beim Du, kennt sich offenbar schon länger. Den AfD-Wahlwerbespot, erläutert Arppe dem Rechtsextremen, machten „die Jungs von Ein Prozent“. Der Identitären-Aktivist verspricht, er werde sich für die AfD nach Darstellerinnen umhören. (Zeit)
Rechtspopulismus in Europa
Mit ihrer Abwehr gegenüber Flüchtlingen punkten die Regierungen der Visegrád-Staaten innenpolitisch. Nach Polen und Ungarn siegt der Populismus nun auch in Tschechien. (dw)Die Protestbewegung ANO des Milliardärs Andrej Babis zeichnet sich erwartungsgemäß als Sieger der tschechischen Parlamentswahl ab. Nach Auszählung aller Stimmen kam die Protestbewegung ANO des umstrittenen Populisten auf knapp 30 Prozent der Stimmen. (Kurier)
Während Europa mit Sorge die Entwicklungen in Katalonien beobachtet, wollen zwei wohlhabende norditalienische Regionen mehr Autonomie im Rahmen des Rechtsstaates erlangen. Ein Referendum, zu dem am Sonntag über 10 Millionen Wähler in der Lombardei und Venetien aufgerufen waren, endete mit einem klaren „Ja“ für eine Ausweitung der regionalen Kompetenzen. Die Wahlbeteiligung war höher als erwartet. Die in beiden Regionen regierende Rechtsaußen-Partei Lega Nord feierte dies als Sieg. (Kurier, Kölnische Rundschau)
In Österreich sind die ersten Weichen für ein künftiges Regierungsbündnis zwischen konservativer ÖVP und rechter FPÖ gestellt. Die Konservativen und die Rechtspopulisten verabredeten den Beginn von Koalitionsverhandlungen. (Stuttgarter Nachrichten)Seit das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) im August eine Broschüre veröffentlichte, in der es rund 60 „rechtsextreme FPÖ-Aktivitäten“ seit 2013 ausmachte, ortete die Organisation seither weitere neun neue „Einzelfälle“. Laut einer Aussendung des MKÖ handle es sich bei den „Einzelfällen“ um Rassismus, Antisemitismus und NS-Wiederbetätigung. So sei die Wiedereröffnung des Konzentrationslagers Mauthausen gefordert oder Nazi-Diktion wie „Saujuden“ verwendet worden. (Kurier)
Rechtspopulismus ist Mainstream in Wien. Und weil Österreich schon immer Sensor war für Radikalitäten in Europa, muss sich die EU vorsehen. (Süddeutsche Zeitung)
Beim EU-Gipfel in Brüssel wird sich nicht viel bewegen. Keine guten Aussichten, um dem Aufstieg der neuen Rechten in Europa wirksam zu begegnen. (Frankfurter Rundschau)
Für den Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker ist der Rechtspopulismus vor allem ein Phänomen wohlhabender Staaten. Weder Ausgrenzung noch Einbindung in Regierungsverantwortung hätten die Populisten bisher entscheidend schwächen können. (DiePresse)
Sonstiges
Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen gelang es rechten Störern, ein Plakat am Dresdner Kulturpalast aufzuhängen. Bereits Mitte September schafften es Mitglieder des rechtsextremen Bündnisses „Ein Prozent“, die Baustellenabsperrung am Kulturpalast zu überwinden und ein Plakat aufzuhängen. „WER MERKEL WÄHLT, WÄHLT DEN KRIEG“ stand damals gut sichtbar direkt am Altmarkt. (TAG24)
In Dresden gibt es eine neue Anlaufstelle Obdachlose und Bedürftige. Der Verein “Dresdner Bürger helfen Dresdner Obdachlosen und Bedürftigen“ hat drei Mal in der Woche geöffnet. Aber nicht für alle. Zu den Bedürftigen zählen nämlich ihrer Meinung nach nicht Menschen mit Asylbewerberstatus. (Sächsische Zeitung)
„Lügenpresse, Lügenpresse!“ Seit Oktober 2014 schallt dieser Ruf durch Deutschland. Anfang 2015 wurde der Begriff zum Unwort des Jahres erklärt. Die Initiatoren der Aktion begründeten ihre Auswahl wie folgt: „Bei ‚Lügenpresse‘ handelt es sich um einen nationalsozialistisch vorbelasteten Begriff, der im Zuge der Pegida-Bewegung gezielt Verwendung findet, dabei jedoch nicht vollständig reflektiert wird.“ Man hätte hinzufügen können, dass in Neonazi-Kreisen bereits seit Anfang 2000 von der „Lügenpresse“ schwadroniert wird und die Pegida-Bewegung wie nachher die AfD den Begriff von der rechtsextremen NPD übernommen hat. (Zeit)
Derzeit rufen Linksliberale dazu auf, mit den extremen Rechten zu reden. Im Umgang mit dem politischen Islam haben sie längst bewiesen, wozu der Dialog mit autoritären Charakteren führt. (jungle world)
Die LINKE-Vorsitzende Katja Kipping hat Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) wegen eines geplanten Treffens mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban kritisiert. “Der Ministerpräsident will sich ‘privat’ mit einem Rechtspopulisten treffen, der die Menschenrechte mit Füßen tritt, sich antisemitisch äußert und sich einer EU-weiten solidarischen Lösung der Flüchtlingsaufnahme verweigert”, sagte Kipping. “Ich frage mich wirklich, was Herr Haseloff damit bezweckt. Will er damit zeigen, dass die CDU doch offen für Rechtspopulisten ist?” (neues deutschland)
Titelbild: Flickr / Andreas Issleib / CC BY-NC-ND 2.0