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Mord an Keira (14) Wenn jede Wahrheit nur Lüge sein kann

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Man weiß zwar nichts, aber man schreibt schon mal was, denn seine Vorurteile hat man ja schon. Internet-Propaganda 2018. (Quelle: Screenshot Twitter, 12.03.2018)

 

 

Ein Mensch wird ermordet, ein junges Mädchen von 14 Jahren, in Berlin-Hohenschönhausen (vgl. Tagesspiegel). Nun kommt: Die Fahndung nach dem Täter und seinem Motiv. Die Trauer der Familie und der Freunde und Freundinnen.

Heutzutage kommt allerdings auch, und mit großer Macht: Die Instrumentalisierung der Tat für politische Zwecke.

Ein junger Mann, ein Mädchen und ein Messer – da ist für viele Menschen vor allem aus der rechten Sphäre bereits alles klar. Ermittlungen brauchen sie nicht.

 

 

 

Wenn dann aber noch die zuständige Polizeibehörde darauf besteht, ihren Job zu machen und auch selbst zu bestimmen, wann sie welche Informationen an die Öffentlichkeit geben will, ist spätestens alles klar für Menschen, die den Mord nutzen wollen, um ihr rassistisches Weltbild zu festigen und zu verbreiten.

Der Berliner AfD-Abgeordnete Gunnar Lindemann etwa fragt:

Und ist unglücklich mit der Antwort (Nein und nein).Da springt ihm „BILD“-Chefredakteur Julian Reichelt zur Seite, statt die Ermittler ihre Arbeit machen zu lassen:

Schweigen, das sagt Twitter auch deutlich, das könne man klar interpretieren. Also nicht in dem Sinne, dass Polizei ihre Arbeit macht, sondern etwas andeuten will.

 

Beliebt ist dabei die Begründung, man tue das ja für die Opfer,  die sonst „verschwiegen“ würden, deren Geschichte dann „falsch“ erzählt würde. Mit dieser Begründung wird auch jedes vorstellbare eigene unangemessene Verhalten gerechtfertigt.

Etwa besucht ein „Journalist“ der „Epoch Times“ eine Trauerveranstaltung der Mitschüler_innen, fotografiert und filmt die minderjährigen Trauernden ab, wundert sich, dass niemand ihm während der Trauerfeier Interviews geben will. Informationen enthält der Artikel keine, dafür immer wieder Sätze wie diesen „Vielleicht ist er der Täter gewesen, vielleicht aber auch nicht. Es gibt Gerüchte … und die Polizei schweigt.“

Hier ein anderes Bild der Trauerfeier mit dem sprechenden Hashtag #kandelistüberall – auch eine rechte Chiffre.

Der „Epoch Times“-Artikel wie auch rechte Blogs veröffentlichen hemmungslos und im Namen ihrer angeblichen Wahrheit den vollen Klarnamen des 14-jährigen Opfers. Ebenso mehr oder weniger zahlreiche Fotos, die offenbar ihren Social Media Profilen oder Berichterstattung über sportliche Erfolge des Mädchens entnommen sind. Haben Eltern in dieser Situation noch die Kraft, sich einen Anwalt zu nehmen und mit Recht am eigenen Bild gegen den Missbrauch zu klagen? Offenbar hoffen die Autoren darauf, dass dies nicht der Fall ist.  

Darunter sind auch Beiträge wie einer auf dem Blogbeitrag eines ehemaligen Journalisten, der aus vier Zeilen besteht, in denen er die Erzählung „Merkels neuestes Opfer“ bedient, drei Links und dann neun im Internet zusammengeklaubte Fotos des Opfers. Wer bis zum Ende durchscrollt, stößt als nächstes auf eine Eigenanzeige des Autors für Seminare, die er anbietet: „Du bist eine richtige Frau und möchtest für Männer der Fick ihres Lebens werden? Braves Mädchen! Wenn Du wissen willst, wie Du jeden Mann süchtig fickst, trage Dich hier ein.“ Dies beschreibt wohl ganz gut die Weltsicht der Frauenschützer des rechten Lagers.

Nun ergeben die Polizeiermittlungen, dass es sich um einen 15-jährigen deutschen Täter handelt. Aber deutsch, raunt da sofort die rechte Internetszene, was heißt das heutzutage schon?

 

Welchen Ariernachweis müsste die Polizei wohl bei ihren Ermittlungen erbringen, damit er für die rechte Sphäre als „deutscher Täter“ durchgehen würde? Wie viele Generationen müssen ins Land gehen, um deutsch genug zu sein? Und was für ein rassistisches Weltbild wird hier eigentlich verbreitet?

Natürlich gibt es diese Aussagen auch in der Ausrichtung „Islamfeindlichkeit“:

 

Um das Opfer, um die Trauer ihrer Angehörigen oder Gerechtigkeit geht es deutlich schon lange nicht mehr, dafür aber um Hass aller Art gegen die Regierung, Migranten und Geflüchtete. Auch deshalb ist egal, was die Ermittlungen schlussendlich ergeben: dieser Mord – wie auch der Mord in Kandel – ist für Rassist_innen und Rechtpopulist_innen nur ein Ventil, um ihren Hass zu ergießen. Und ihre „Lösung“ anzubieten: Grenzen zu, Asylsuchende sterben lassen, und denken, wenn dann nicht alles besser wird, suchen wir uns die nächsten Schuldigen (z.B. „Gutmenschen“, „Merkel“ usw.) – oder den Kika.

 

So schreibt ein AfD-Abgeordneter aus Sachsen-Anhalt:

 

oder:

 

Nebenbei kann man seine Menschenverachtung auch durch Aufmachen einer Opferkonkurrenz zeigen:

 

Und schön auf den Punkt bringt es dieser Tweet: Egal, was die Ermittlungen ergeben – wir werden es nicht glauben:

 

Wir wünschen Keiras Eltern und ihren Freund_innen viel Kraft, nach dem Verlust des Mädchens auch noch diese Agitation in den Sozialen Netzwerken zu ertragen.

 

Update 13.03.2018

Am gestrigen Abend, nach Beendigung dieses Artikels, ergab sich noch eine neue Volte rechter Internet-Agitation: In der rechten Sphäre wurden – angestoßen durch rechtspopulistische Internetprominenz wie Pegida-Frontmann Lutz Bachmann und den bereits im Artikel erwähnten Ex-„Journalisten“ –  Social Media Fotos eines völlig unschuldigen Jungen geteilt mit der Angabe, es handle sich um den geständigen Täter – nur weil der den gleichen Vornamen und das gleiche Initial des Nachnamens wie der Täter trug. Inzwischen sind die Beiträge gelöscht, wohl aus Angst vor der Strafverfolgung. Gut beschrieben hier:

http://www.t-online.de/nachrichten/panorama/kriminalitaet/id_83381986/getoetete-keira-lutz-bachmann-stellt-unschuldigen-an-den-pranger.html

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