Diese 23-Jährige scheint selbst der AfD zu rechtsextrem, und das schafft heutzutage nicht mehr jede*r. Anna Leisten ist die Chefin der AfD-Jugendorganisation „Jungen Alternative (JA)“ in Brandenburg, die im Juli vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde. Auf den ersten Blick fällt die Mittzwanzigerin im Blümchenkleid in der AfD kaum auf. Doch nur auf den ersten Blick. Bei genauerer Betrachtung wirkt Leisten so radikal wie wenige andere Akteur*innen innerhalb der AfD. Wegen des Zeigens der rechtsextremen „White Power“-Geste und ihrer unbestreitbaren Nähe zur sogenannten „Identitären Bewegung“ wurde Leisten sogar vom Landesvorstand der AfD-Brandenburg abgemahnt. Wer ist die junge Frau aus Brandenburg, die sogar für die AfD zu offen rechts ist?
Anna Leisten kann als Verkörperung der sogenannten „Mosaikrechten“ angesehen werden. Der Begriff ist auf einen Artikel des neurechten Aktivisten Benedikt Kaiser zurückzuführen, der „Unentschlossene“ wie auch „Anpolitisierte“ für ein breites rechtes Bündnis anwerben möchte. Die von ihm so bezeichnete und erwünschte „Mosaikrechte“ ist demnach ein heterogenes Bündnis, das interne Widersprüche für die gemeinsame Sache aushalten kann. Quasi eine populistische bis extreme Rechte, die sich jenseits der Lagerbildungen unter dem Banner der Menschenfeindlichkeit vereinen lässt, um so eine maximale Schlagkraft durch Diskurs-Setzung, Agenda Setting wie auch Mitgliederzahlen zu erreichen. Die „Mosaikrechte“ soll Allianzen ermöglichen innerhalb des Spektrums, agiert nach innen solidarisch, unterstützt ideologisch ähnliche Projekte und rückt zusammen.
Anna Leisten spricht selbst über dieses Mosaik und zeigt damit offensichtlich, dass sie Kaisers Lehren verinnerlicht hat. So postet sie unter anderem auch Kaisers Buch „Die Konvergenz der Krisen“ als Lektüreempfehlung, lässt sich regelmäßig auf Seminaren in Schnellroda im neurechten „Institut für Staatspolitik“ weiterbilden, und ist allzeit bereit, diverse rechtsoffene bis rechtsextreme Bündnisse, Projekte, Initiativen lautstark im echten Leben und auf Social Medie zu unterstützen.
Ende November wurde die Eröffnung des neuen IB Hausprojekts „Festung Chemnitz“ gefeiert und Leisten war selbstverständlich dabei, neben anderen prominenten Rechtsextremen der sich „neurechts“ nennenden Szene, wie Paula Winterfeldt (120 Dezibel), Mario Müller (ein verurteilter rechtsextremer Gewalttäters) oder Simon Kaupert (Filmkunstkollektiv). Ihre Solidarität mit der IB Sachsen, die mittlerweile als„Sachsengarde“ halb konspirativ fungiert, äußert sie auf Instagram mit den Worten: „Vielen Dank an die @sachsengarde für Eure Arbeit. Wir stehen an Eurer Seite!“
Ihre ideologische Ausrichtung lässt sich damit deutlich erkennen, und sie macht selbstbewusst kein Hehl aus ihren Kontakten in die rechtsextreme Szene. Doch das ist längst nur die Spitze des Eisbergs. Anna Leisten agiert zwar nicht immer so offensichtlich, wer aber ihren Brotkrumen und Dogwhistles auf Social Media folgt, wird unschwer erkennen, dass die JA-Abgeordnete fast jede Gelegenheit nutzt, um ihre Liebe und Solidarität mit neurechten Ideologien kundzutun. Auf Instagram veröffentlicht sie am 12. November ein Danksagungs-Posting vom JA-Kongress in der Lausitz. Leisten lächelt auf dem Bild umringt von JA-Kolleginnen in Anzügen und trägt als einzige auf dem Bild ein Sport-T-Shirt, auf dem unschwer die Aufschrift „Phalanx Europa“ zu erkennen ist. Bei der Klamottenmarke handelt es sich um ein Projekt der, wer hätte es gedacht, „Identitären Bewegung“, ursprünglich gegründet von Patrick Lenart und Martin Sellner im November 2013.
Einen Monat zuvor, im Oktober, fährt die junge JA-lerin nach Steyregg, um ein weiteres neurechtes Hausprojekt mit IB-Verknüpfung, nämlich das „Castell Aurora“, zu besuchen.
Vor Ort wird sie von Simon Kaupert („Filmkunstkollektiv“) für Instagram fotografiert und vom rechtsextremen Medienaktivisten Michael Scharfmüller (ex-BfJ,-Führungskader) für sein „patriotisches“ Magazin „Info-Direkt“ interviewt.
Im Interview heißt es dann von Leisten: „Wir haben den weiten Weg aus Brandenburg heute auf uns genommen, um hier im Castell Aurora uns die Veranstaltung der Linzer Aktivisten anzuschauen, ehm [sic], es erwarten uns heute noch viele Vorträge. Wir sind zwar später gekommen, es gab schon die ein oder andere Podiumsdiskussion, aber ich freu’ mich trotzdem, dass wir heute hier sein können, uns mit vielen Leuten austauschen konnten.“ Eindeutiger wird Leisten etwas später im Interview, als sie über ihre Motivation, Benedikt Kaiser und die „Mosaikrechten“ spricht: „Ja, ich glaub’, dass wir diesen Begriff ‘Vorfälle’, gar nicht mehr so oft verwenden sollten. Wir von der JA Brandenburg haben in den letzten Jahren zwar immer ein großes Auge auf unser Vorfeld gelegt, aber mittlerweile sind wir ein großes Mosaik, wie auch Benedikt Kaiser, das schon beschrieben hat und jeder leistet hier sein Teil in der Mosaikrechten. Jeder ist ein kleiner Stein, dieser großen Bewegung und wir als JA Brandenburg sind eben auch ein Teil.“
Als kleiner Stein der „Mosaikrechten“ leistet sie ihren Beitrag unter anderem beim rechtsextremen „Compact Magazin“, wo sie durch den ehemaligen IBler und mittlerweile Digitalmoderatoren, Paul Klemm, interviewt wird.
An ihrer Medienstrategie kann man unschwer erkennen, dass es für Leisten ein wichtiges Anliegen ist, alle möglichen Rechtsaußen-Akteur*innen, Unternehmungen und Produkte zu promoten. Fleißig wirbt sie auf Telegram für das neurechte „Freilich“-Magazin, einem weiteren Projekt der Identitären Bewegung.
Unter der Instagram-Story-Kachel „Gegenkultur“ wirbt Leisten für rechtsextremen Merch-Artikeln und spricht Kaufempfehlungen aus für Produkte aus der Szene aus, etwa für das neurechte Magazin „Die Kehre“, Lavendel-Beutel mit Lebensrune darauf, und Grafik-Darstellungen von rechtsextremen Aktivisten.
Leisten steht damit symbolisch für eine Neue Rechte im Wandel. Sie hält sich einerseits an die ästhetischen Regeln der Rechtsaußen-Szene für Weiblichkeit, wenn sie mit Blümchenkleid und Zöpfen auftritt, bricht jedoch gleichzeitig mit der Geschlechterordnung, wenn sie sich durch Schlamm robbend an die „Ostfront“ imaginiert oder zeigt, wie sie gegen Boxsäcke haut. Ihrem Selbstverständnis zufolge ist die moderne Rechtsaußen-Frau, traditionsbewusst und weiblich und gleichzeitig allzeit bereit für „Tag X“. Seite an Seite mit männlichen Aktivisten kämpft sie sich durch Sümpfe, geht durch Stacheldraht und läuft auf ihre rechtsextreme Zukunft freudig zu.