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Mussolinis Erben Von Hobbits und Hitler-Grüßen

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"Campo Hobbit" auf Facebook. (Quelle: Screenshot)

Was hat J.R.R.Tolkiens „Herr der Ringe“ mit der italienischen Rechten zu tun? Überraschend viel. Für Italiens mutmaßlich neue Ministerpräsidentin, Giorgia Meloni, ist die High-Fantasy Trilogie nicht nur ein Roman, sondern ein richtungsgebender „heiliger Text“, wie die New York Times in einer Recherche über die Vergangenheit der Politikerin berichtet. Die Vorsitzende der Partei Fratelli d’Italia hat sich in ihrer Jugend so manches Mal als Hobbit verkleidet, um bei sogenannten „Hobbit-Camps“ teilzunehmen.

Julius Evola, Hobbit-Camps und Giorgia Meloni

Seit 1977 organisiert die italienische Mussolini Nachfolgepartei, Movimento Sociale Italiano (MSI), jährliche Hobbit-Lager, als Antwort auf  linke gegenkulturelle Veranstaltungen und Konzerte der 68er. Für tausende italienische Fantasy-Fans wird der Kampf um Identität ausgerechnet an der Fantasy-Figur des Hobbits ausgefochten. Die kleinen Menschen aus Mittelerde wurden für Jungfaschist*innen zum Markenzeichen ihrer radikalen Bewegung. Neofaschistische Leitlinien wie Antimoderne oder ethnopluralistische Brüdervölker werden von Neurechten in Italien symbolisch auf Elben, Zwerge, Orks und Hobbits angewendet.

Evolas Antimodernität

Doch zurückzuführen ist die Umdeutung von Kunst und Kultur als faschistisches Programm auf eine Strategie Julius Evolas, des neurechten Vordenkers Italiens. Evola beschreibt die Geschichte der europäischen Zivilisation in seinem Buch „Erhebung gegen die moderne Welt“ als eine Wiederholung des unaufhaltsamen Niedergangs. Die Ursache für den Niedergang sieht er als Antimodernist im Fortschritt, den er als Bedrohung für die mythische Tradition und ethnische Identität der Nation betrachtet. Als Lösung schlägt Evola ein radikales Programm zur Wiederbelebung der Mythen „traditioneller“ Gesellschaften durch Kunst und Kultur in einer Vermischung mit identitärer Politik vor.

Hobbit-Camps zur kulturellen Wiederbelegung

Mit der italienischen Übersetzung und Veröffentlichung  von „Der Herr der Ringe“ in 1971 planten führende Vertreter*innen der rechtsextremen Partei Movimento Sociale Italiano (MSI) eine Art faschistisches Woodstock, dass als ein zweitägiges Freizeitlager für Tolkien-Fans organisiert werden sollte. Sie nannten es „Camp Hobbit“. Als junge Aktivistin in der MSI nimmt auch Meloni an den faschistischen Hobbit-Lagern teil. Rechtsextreme Folk-Bands wie “Compagnia dell’Anello” (die Gemeinschaft des Rings) heizten tausenden von jungen Teilnehmer*innen mit ihren revisionistischen Versen ein, die Band Hörner Gondors eröffneten die Festivitäten und kleine Faschist*innen übten sich im Bogenschießen.

Meloni und die Mythen

Meloni, die sich in einem Internet-Steckbrief selbst “Khy-Ri, der kleine Drache des Undernets” bezeichnete, will damals aus “Herr der Ringe” ein politisches Programm machen: „Ich glaube, dass Tolkien besser als wir sagen kann, woran Konservative glauben. (…) Ich betrachte ‚Der Herr der Ringe‘ nicht als Fantasy”. Sieht sie also die weißhäutigen und blonden Elben als arische Übermenschen? Ob die Brüder Italiens sich selbst als Gefährten Frodos im Kampf gegen den bösen Sauron sehen? Wohl kaum. Wahrscheinlich wird aber Geschichte von den Anhänger*innen Melonis, ähnlich wie in “Herr der Ringe” als zyklisches, sich immer wiederholendes Geschehen rezipiert.

Seit den 1970ern ist viel passier. Das Campo Hobbit wird etwa inzwischen per Facebook beworben. Die MSI gibt es als Partei mittlerweile nicht mehr – sie ist nach etlichen Auflösungen und Neujustierungen in die Fratelli d’Italia aufgegangen. Und obwohl Meloni, nach wie vor zu Tolkien steht, würde sie sich heute kaum mehr verkleiden. Ein Blick hinter die Kulissen der Brüder Italiens heute lohnt sich jedoch allemal und lässt auch unschwer erkennen, dass sich seit der Zeit der Hobbit-Camps ideologisch wenig verändert hat. Rechtsextremismus scheint in der FdI Partei nach wie vor tief verankert zu sein.

Fratelli d’Italia: „Wir sind alle Erben des Duce“

„Wir sind alle Erben des Duce“, rutschte Ignazio La Russa, der ehemaligen Spitze der Fratelli d’Italia (FdI) und Melonis Vorgänger, in einer hitzigen TV-Debatte im September mit dem Präsidenten der Demokraten in Apulien, Michele Emiliano, heraus. Die freudsche Fehlleistung ist mehr als nur ein Einzelfall. Auch die 19-jährige Meloni bedachte verträumt vor offener Kamera den Il Duce mit Lobeshymnen. Damals hieß es bei Meloni: „Ich denke, Mussolini war ein guter Politiker. (…) Alles, was er getan hat, hat er für Italien getan.“

Heutzutage würde Giorgia Meloni, die mittlerweile sehr viel Medien-Training genossen hat, so ein Fehler wohl nicht mehr unterlaufen. Vehement bestreitet sie, dass die Brüder Italiens rechtsextrem seien, und behauptet in einer demagogischen Rede, dass es in ihrer Partei keinen Platz für Faschist*innen gäbe. Die wären als „nützliche Idioten“ viel besser „bei der Linken aufgehoben“. Allerdings beweisen diverse Berichte das Gegenteil. Erst vor kurzem erschien ein Video auf Twitter, das unter anderem den Bruder von Ignazio La Russa, nämlich Romano La Russa, zeigt, wie er bei einer Beerdigung, zusammen mit anderen Fratelli d’Italia Mitgliedern faschistisch salutiert.

Ähnlich auch bei Calogero Pisano,  dem Leiter der FdI in Agrigento, Sizilien, der durch seine Hitler-Statements auf Facebook reichlich Aufmerksamkeit erhielt. In einem Posting nach dem Triumph von Meloni schrieb Calogero „Italien über alles“ und kommentierte: „Das erinnert mich an einen großen Staatsmann von vor 70 Jahren“. Darunter ergänzte er anschließend, dass er nicht von Mussolini rede, sondern von einem „Deutschen“. Mit der Hitler-Anspielugn hatte Pisano dann eine rote Linie überschritten. Der Abgeordnete wurde in sehr kurzer Zeit von seiner eigenen Partei suspendiert. Man könnte fast meinen, dass Mussolini-Nostalgiker nichts zu befürchten haben, solange sich ihr Rechtsextremismus auf Il Duce, wie Benito Mussolini von Fans genannt wird, beschränkt.

Eine Undercover-Recherche des italienischen Nachrichtenmagazins Fanpage.it aus 2021 berichtete von einem komplexen Geldwäschesystem der FdI und etlichen Treffen, auf denen explizit rassistischen und faschistischen Aussagen gefallen seien. Aus diesem Grund hat die mailändische Staatsanwaltschaft eine Untersuchung eingeleitet, um die Hypothese der illegalen Parteienfinanzierung und Geldwäsche zu überprüfen.

Wer sich nur die jüngste Vergangenheit anschaut, könnte meinen, dass dieses Gebaren vielleicht isoliert sein könnte und nicht das Ergebnis einer faschistischen Kontinuität, die seit Mussolini Tradition hat.

Mehr als nur ein Haufen Mussolini-Nostalgiker*innen

Um die Fratelli d’Italia und ihre politischen Ziele zu verstehen, muss man ihre Parteigeschichte und das Erbe des italienischen Faschismus unter Mussolini berücksichtigen.

Spulen wir zurück zu den eigentlichen Anfängen der Brüder Italiens: 1946 gründeten Benito Mussolinis faschistische Verbündete, die fast alle Mitglieder der italienischen Sozialrepublik waren, eine extrem rechte Nachfolgepartei: die Movimento Sociale Italiano (die Italienische Soziale Bewegung). Schon früh drohten interne Machtkämpfe zwischen den rechtskonservativen und rechtsextremen Flügeln, die Partei von innen zu zerreißen, bis sie schließlich vom Zeitgeist der 1960er Jahre überholt und an den Rand der Politik gedrängt wurde.

Doch der politische Wille der MSI, die extreme Rechte wieder an die Macht zu bringen, ließ nie nach und in den 1980ern schafften es Benitos Erben wieder nationale Aufmerksamkeit und politischen Einfluss zu gewinnen. Der interne Wettbewerb zwischen den Gemäßigten und den Rechtsradikalen ging jedoch hinter den Kulissen ungeachtet der Öffentlichkeit weiter. In den 1990er Jahren begann der ehemalige Parteiführer Gianfranco Fini, die MSI allmählich von ihrer neofaschistischen Ideologie abzubringen und auf eine angeblich nur traditionell konservativere politische Agenda umzustellen. Gianfranco Fini, auch bekannt für Statements wie „Wir sind Faschisten, die Erben des Faschismus, der Faschismus des Jahres 2000“  hatte verstanden, dass der Erfolg des Faschismus nur dadurch gesichert werden kann, indem man sich von ihm öffentlich lossagt. Es ist also nicht verwunderlich, dass sich die Partei schließlich als „post-faschistisch“ identifizierte und sich 1995 in einem weiteren Versuch, die faschistischen Wurzeln zu verbergen, auflöst und als Alleanza Nationale neugründete.

Die Alleanza Nationale verfolgte denselben politischen Willen – nämlich der extremen Rechten an die Macht zu verhelfen – wie ihre Vorgängerpartei  MSI. Nicht verwunderlich also, dass die Tricolore, also die Flamme mit den Farben der italienischen Flagge und der Unterschrift MSI im Alleanza Nationale (AN) Logo wiederzufinden sind. Einziger Unterschied war, dass der Führer der Nationalen Allianz, Gianfranco Fini, nun Geschäftsanzüge trug und seinen Parteigänger*innen freundlich davon abriet, den  faschistischen Gruß zu verwenden. 1994 schließt die AN ein Wahlbündnis mit Berlusconis Forza Italia, einem Mitte-rechts-Parteien-Konglomerat und schafft es zur drittstärksten Kraft. Es folgten fette Jahre für Mussolinis Erben, die als Teil des  Kabinetts von Berlusconi erstmals an der Regierung beteiligt waren. Gianfranco Fini diente damals als stellvertretender Ministerpräsident und war auch mitverantwortlich für die Zerschlagung des italienischen Wohlfahrtsstaates. 2012 verlassen Giorgia Meloni und Ignazio La Russa Berlusconis Partei „Popolo della Libertà (PdL) und  gründeten dann die Fratelli d’Italia. Ein erfolgreiches Unterfangen. Denn die FDI wucherte, um ein Tolkien Bild zu bemühen, seitdem wie Sauron in der Dunkelheit…

 

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