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MV Die NPD – eine demokratische Partei und wählbar?

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Im Ludwigsluster Rathaus wurde angeregt über den Wahlkampf der NPD diskutiert. (Quelle: ngn/ca)

Am 25. Mai finden hier in Mecklenburg Vorpommern Kommunalwahlen statt. Auch die NPD geht mit rechtsextremer Propaganda auf Stimmenfang. Sie hat 55 KandidatInnen aufgestellt, 6 davon sind Frauen. Dementsprechend wirbt die Partei auch nicht für eine Frauen-Quote, ganz im Gegenteil. Sie will ein „Müttergehalt“, das selbstverständlich nur an „herkunftsdeutsche“ Mütter ausgezahlt werden soll. Das Projekt „Lola für Lulu“, das geschlechterreflektierende Projekte für demokratische Vielfalt fördert, hat die Wahlkampfthemen der NPD genau analysiert. Familienpolitik steht dort an erster Stelle.  Der NPD geht es um „aktive Volkserhaltung“, also um eine rassistische Bevölkerungspolitik, die lediglich die Förderung „herkunftsdeutscher“ Elternschaften  zum Ziel hat. Dafür brauchen die Nazis klassische Familienvorstellungen und die Konzentration von Frauen auf Mutterschaft, erklärt Kristin Witte vom Projekt „Lola für Lulu“.

Bezüge zum Nationalsozialismus

Ähnliches weiß auch Dr. Margret Seemann, die Bürgermeisterin der Stadt Wittenburg, zu berichten. Sinngemäß zitiert sie Tino Müller, NPD- Kader aus Ueckermünde, mit den Worten: „Die deutsche Frau muss geadelt werden, wenn sie dem deutschen Volk deutsche Kinder gebiert. Wenn nicht, muss sie den ganzen Zorn des deutschen Volkes zu spüren bekommen.“ Dies bringe das Frauenbild der NPD auf den Punkt. Für Dr. Daniel Trepsdorf, Leiter des Regionalzentrums für demokratische Kultur Westmecklenburg, betreibt die NPD an dieser Stelle „aggressive Mimikry“ unter klarer Bezugnahme auf den Nationalsozialismus. Auch das Mutterkreuz, 1938 von Hitler gestiftet, trug die Inschrift: „Das Kind adelt die Mutter.“ Trepsdorf sieht ähnliche Bezüge auch in Erklärungen des Rings Nationaler Frauen, der der „Entartung des deutschen Volkes“  entgegen wirken will. Gleichzeitig beschäftige sich die NPD aber nicht mit den Problemen von Frauen im Arbeitsmarkt, stellt die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Ludwigslust-Parchim, Heidrun Dräger, fest: „Das existiert für die NPD gar nicht.“  So werbe auch Marianne Pastörs, Frau von NPD-Chef Udo Pastörs und in die Stadtvertretung von Lübtheen gewählt, ausschließlich für die Hausfrauenrolle. Wer alleinerziehend und werktätig ist, ist für die NPD keine richtige Frau.

NPD-Kader beobachten die Besucher der Veranstaltung und genießen volkszersetzende Süßspeisen (Foto: ngn/ca)

Neonazis – gute Nachbarn?

Ein Frauenbild mitzutragen, das sie zu Gebärmaschinen reduziert, heißt keinesfalls, dass Frauen in der politischen Arbeit der Nazis bedeutungslos wären. Davon können auch die anderen anwesenden Podiumsteilnehmer*innen berichten. Ute Lindenau von der Bürgerinitiative “Wir für Lübtheen“ und gleichzeitig auch Bürgermeisterin des Ortes, hat in der Vergangenheit einige Erfahrungen mit den Neonazis gesammelt. Zunächst hätte man in Lübtheen vor allem die Männer der NPD wahrgenommen. Dann habe man festgestellt, dass rechte Frauen in die Elternvertretungen von Kitas und Schulen drängten. Dabei ginge es den Neonazis darum, sich als normalen Teil der Gesellschaft darzustellen. Für politische Agitation würden die Posten in Elternvertretungen nicht genutzt, dies geschehe in privaten Gesprächen unter „guten Nachbarn“, oder etwa wenn Kinder anderer Eltern zu den Neonazis nach Hause eingeladen werden würden. Hier helfe es die Neonazis zu demaskieren, in dem man Eltern beispielsweise Udo Pastörs bei seinen rassistischen Hetzreden zeige. “Das hätte ich nie von ihm gedacht“, hieße es dann oft. “Bastelgruppen statt Kameradschaften“ sei die Strategie der Nazifrauen. Über kulturelle Veranstaltungen im Bürgerbüro der NPD – von deutschem Liedgut bis Selbstverteidigung –  versuche die Partei in die Mitte der Gemeinschaft einzudringen.

Die Neonazis versuchten auch, sich als Heilsbringer*innen darzustellen und die Erfolge im Ort für sich zu beanspruchen, so Lindenau weiter. Dementsprechend werde man in Lübtheen vorsichtig und lege sich selbst Zwänge auf. So habe man auf einen öffentlichen Aufruf nach Wahlhelfern verzichtet. Auch das örtliche Lindenfest werde nicht mehr ausgerichtet, nachdem sich dort bemerkenswert viele Besucher*innen aus der rechten Szene einfanden um aufzufallen und zu stören. Um den Nazis keinen Raum zu geben, seien die demokratischen Anwohner*innen von Lübtheen gefordert: “Wir müssen die sein, die zuerst da stehen, wenn es darum geht, einen Kuchen zu backen oder einen Pavillon aufzustellen“.  “Die NPD ist gut geschult und organisiert, dementsprechend müssen sich demokratische Bündnisse ebenso vernetzen“, ergänzt Dr. Trepsdorf. Ähnlich sieht es auch Dr. Margret Seemann. Die Prävention müsse im Vordergrund stehen: “Wir müssen Lösungen haben, bevor die NPD die Lösungen anbietet.“ Es müsse zu denken geben, wenn sich vor allem rechte Eltern für gemeinnützige Aufgaben meldeten.

Die Hetze der NPD verfängt

Auch bei der Hetze gegen Flüchtlingsunterkünfte  haben Nazi-Frauen ihren Anteil. Als Frauen und vermeintliche Mütter sprechen sie bei Kundgebungen aus einer scheinbar authentischen „Opferposition“ und streuen so Gerüchte über angebliche Übergriffe von Geflüchteten auf „einheimische“ Frauen und Kinder. Dabei werden sie oft nicht als rechte oder rechtsextreme Rednerinnen erkannt, schildert Kristin Witte die Strategien der Neonazis.  Interessant sei auch die Vorgehensweise der Rechtsextremen bei Demonstrationen. Den  Aufmarsch der NPD-nahen „Bürgerinitiative“ „Schöner und sicherer wohnen in Ueckermünde“ im März diesen Jahres führte beispielsweise ein ganzkörperverschleierter Kamerad, der vor der „Burka für deine Tochter“ warnte, an. Interessanterweise ist man sich bei den Neonazis in der Abgrenzung vom Islam nicht zu schade, sich auf Gleichberechtigungsvorstellungen zu beziehen, die an anderer Stelle als „Gleichmacherei“ vehement abgelehnt werden.

Ulrike Seemann-Katz, Vorsitzende des Flüchtlingsrats MV, stellt zudem fest, dass auch Frauen bei der Hetze gegen Flüchtlingsunterkünfte in den sozialen Medien kräftig mitmischten. Zudem gäbe es Wortmeldungen bei Diskussionsveranstaltungen über die Unterkünfte, bei denen zwar rechtsradikale Einstellungen deutlich würden, es aber nicht klar sei, ob sie tatsächlich von organisierten Neonazis stammten. Sie könnten auch von Personen aus der Mitte der Gesellschaft kommen, weil die Hetze der NPD auch dort verfange. Dies läge vor allem am mangelnden Wissen über und Kontakt mit den Flüchtlingen. Diese sind häufig in diskriminierenden Unterbringungen, versteckt am Stadtrand und hinter Zäunen, einquartiert. Das suggeriere: „Da ist was falsch mit denen.“ Deswegen müssten ausgrenzende Maßnahmen beseitigt werden und über die Situation von Geflüchteten in Deutschland und weltweit informiert werden, so Seemann-Katz.

Für Willkommenskultur ein Zeichen setzen

Ein aus Eritrea stammender Ludwigsluster, der bereits seit 1989 in der Stadt lebt, fordert in der Diskussion die Stadtvertretungen dazu auf, in Kontakt mit Flüchtlingen zu treten. Wenn sich die Unterkünfte schon am Stadtrand befänden, sollten die Vertreter*innen die Heime besuchen, um sowohl Heimbewohner*innen als auch Anwohner*innen zu zeigen, dass Geflüchtete in Mecklenburg-Vorpommern willkommen seien. Hier pflichtet ihm der Bürgermeister von Ludwigslust, Reinhard Mach, bei und gibt zu: „Sie haben recht, wir sollten mehr tun.“  Er ergänzt, die Schulen müssten bei der Aufnahme von Kindern aus den Unterkünften unterstützt und Ängste abgebaut werden. Kristin Witte von „Lola für Lulu“ betont noch einmal die Wichtigkeit, Eigeninitiative zu zeigen. So hätten sich Schüler*innen aus Ludwigslust ganz alleine überlegt, was sie tun könnten, um die Geflüchteten zu unterstützen. Reinhard Mach berichtet von Schüler*innen aus Ludwigslust, die kürzlich gegen den Informationsstand der NPD in der Stadt protestiert haben. Aus dem Publikum wird von einer Initiative in Bützow berichtet. Nachdem Neonazis gegen die Unterbringung von Geflüchteten im Ort agitiert und neonazistische Parolen geschmiert hatten, fanden sich in kürzester Zeit Menschen aus dem ganzen Spektrum der Gesellschaft zusammen, um der Hetze entgegenzuwirken. Dort hätten sich nun zwei Arbeitsgruppen gebildet. Die eine beschäftige sich mit dem Thema „Willkommenskultur“, die andere möchte die Nachbarschaft informieren und für Offenheit und Toleranz werben. Die ganze Initiative sei von den Menschen im Ort selbst ausgegangen, ohne Auftrag und ohne Druck von außen.

Gegen Nazis Verantwortung übernehmen

Insgesamt ist man sich an diesem Abend in Ludwigslust einig: Die Initiative der Anwohner*innen in Mecklenburg-Vorpommern ist gefragt. Man müsse Verantwortung übernehmen, den Raum und die Themen besetzen, bevor es den Neonazis gelingt. Demokratie müsse nicht nur als Staatsform, sondern auch als Lebensform begriffen werden. Und weil Männer und Frauen in der Szene unterschiedlich agieren, sei für Gegenstrategien eine geschlechterkritische Betrachtungsweise unerlässlich.

Das vor Ort dringend weiter gegen Neonazis gearbeitet werden muss, wird schon vor der Veranstaltung – wenn auch geschlechtlich traditionell – deutlich. Drei ranghohe NPD-Kader, Andreas Theißen, Stefan Köster und Sebastian Richter sitzen auf der Bank vor dem Rathaus, beobachten die Besucher*innen. Ins Gebäude gelangen sie nicht, dafür zeigen sie Präsenz und versuchen Besucher*innen der Diskussion einzuschüchtern. Das klappt allerdings nicht, denn die kennen ihre Neonazis schon. Aber, so kommentiert es ein Besucher: „Die nutzen wirklich jede Gelegenheit, um zu nerven.“

 

 

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