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Mythos „Die Leute wussten nicht von Hitlers Vorhaben“

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Kein seriöser Historiker wird behaupten, dass das deutsche Volk völlig ahnungslos in die nationalsozialistische Herrschaft hineingerutscht ist.
Die folgenden Quellen beschränken sich bewusst auf einen Teilaspekt, nämlich auf die Frage, ob das deutsche Volk wirklich im Stande einer „naiven Unschuld“ lebte.
Man kann nicht die Augen davor verschließen, dass es während der Weimarer Republik zahlreiche warnende Stimmen gegeben hat.
Die SPD z.B. verwendete bei vielen Wahlkämpfen (etwa den in den Jahren 1924, 1930 und 1932) Plakate und Schlagzeilen, die vor der innen- und außenpolitischen Aggressivität der Hitlerpolitik warnen sollten.
Hitler war auch Anfang der 30-er Jahre nicht etwa irgendein unbekannter Politiker.
Wer Hitler wählte, der wählte einen Mann, von dem bekannt war, dass er schon 1923 versucht hatte, die Republik gewaltsam zu beenden. Zudem gaben Hitler und seine Partei offen Einblick in ihre Ziele. Das während Hitlers Festungshaft entstandene Buch „Mein Kampf“ war frei erhältlich und wurde nach 1933 zu jeder Eheschließung überreicht.
In den zwanziger Jahren warben die Nationalsozialisten beispielsweise mit folgenden Forderungen um neue Mitglieder: „Den Galgen für Wucherer, Ausbeuter, Schieber“ und „Kampf gegen Judentum und Demokratie“.

Dafür, dass die Deutschen durchaus um die geplante Judenpolitik Hitlers wussten und damit einverstanden waren (wenn auch vielleicht nicht bis zur letzten Konsequenz), spricht auch, dass es kaum Proteste gegen den Antisemitismus gab. Die Bevölkerung schien so lange mit den Angriffen auf die Juden einverstanden gewesen zu sein, wie diese weder die Interessen der nichtjüdischen Bevölkerung beeinträchtigten (Versorgung, Arbeitslosigkeit wegen jüdischer Firmenbesitzer, Tourismus), noch die Interessen des Landes verletzten, besonders dessen Ansehen im Ausland ? man befürchtete wirtschaftliche Konsequenzen. (Vgl. David Bankier Die öffentliche Meinung im Hitler-Staat Berlin 1995

Schon in „Mein Kampf“ hat Hitler den Aufbau des nationalsozialistischen Staates beschrieben:
„Der völkische Staat hat, angefangen bei der Gemeinde bis hinauf zur Leitung des Reiches, keinen Vertretungskörper, der etwas durch Majorität beschließt, sondern nur Beratungskörper, die dem jeweilig gewählten Führer zur Seite stehen und von ihm in die Arbeit eingeteilt werden, um nach Bedarf selber auf gewissen Gebieten unbedingte Verantwortung zu übernehmen, genau so, wie sie im größeren der Führer oder Vorsitzende der jeweiligen Korporation selbst besitzt.“

Hitler selbst hat seine antidemokratische Haltung auch vor der Machtübernahme unmissverständlich erklärt. In einer Rede am 25.9.1930 in München (die Rede wurde einen Tag später von der Frankfurter Zeitung veröffentlicht) sagt er u.a.:
„Wenn wir heute unter unseren verschiedenen Waffen von der Waffe des Parlamentarismus Gebrauch machen, so heißt das nicht, daß parlamentarische Parteien nur für parlamentarische Zwecke da sind. Für uns ist ein Parlament nicht ein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck … Im Prinzip sind wir keine parlamentarische Partei, denn damit stünden wir im Widerspruch zu unserer ganzen Auffassung; wir sind nur zwangsweise eine parlamentarische Partei, und was uns zwingt ist die Verfassung. Die Verfassung zwingt uns, solche Mittel anzuwenden … Und so ist der Sieg, den wir gerade errungen haben, nichts anderes als der Gewinn einer neuen Waffe für unsern Kampf. Wir kämpfen nicht um Parlamentsitze der Parlamentsitze willen, sondern um eines Tages das deutsche Volk befreien zu können.“ (Quelle: Frankfurter Zeitung vom 26. 9. 1930. Zitiert nach Alan Bullock Hitler. Eine Studie über Tyrannei Düsseldorf 1953)

Joseph Goebbels bemerkte 1934, also nach der Machtübernahme:
„Wir Nationalsozialisten haben aber niemals behauptet, daß wir Vertreter eines demokratischen Standpunktes seien, sondern wir haben offen erklärt, daß wir uns der demokratischen Mittel nur bedienen, um die Macht zu gewinnen, und daß wir nach der Machteroberung unseren Gegnern rücksichtslos alle Mittel versagen würden, die man uns in Zeiten der Opposition zugebilligt hatte.“ (Quelle: Joseph Goebbels Wesen und Gestalt des Nationalsozialismus. Schriften der deutschen Hochschule für Politik, Heft 8 1934)

Primo Levi schreibt zu diesem Thema:
„Dieser verhängnisvolle Mann war kein Verräter. Er war ein Fanatiker, der sich selbst treu blieb, ein Mann mit außerordentlich klaren Vorstellungen, er hat sie nie geändert, noch hat er sie je verheimlicht. Wer für ihn stimmte, hat mit Sicherheit auch für seine Ideen gestimmt.“ (Quelle: Primo Levi Die Untergegangenen und die Geretteten München 1986)

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „In Auschwitz wurde niemand vergast. 60 rechtsradikale Lügen und wie man sie widerlegt“ von Markus Tiedemann (Verlag an der Ruhr, Mülheim 1996)

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