Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Nach antisemitischem Übergriff in Bonn Solidarität und Respekt für alle

Von|
Hunderte Menschen haben sich in gegen Antisemitismus positioniert. (Quelle: Alle Bilder von Roland Kaufhold)

Es waren deutlich mehr Menschen gekommen als erwartet: 750 Personen, viele mit Kippa, hatten sich auf dem Bonner Marktplatz vor dem Alten Rathaus versammelt. Sie protestierten gegen einen antisemitischen Übergriff auf den israelischen Philosophieprofessor Jitzchak Jochanan Melamed

Roland Kaufhold

Sein Name fiel mehrfach während der Reden, in denen sich Bonns Oberbürgermeister Ashok-Alexander Sridharan (CDU), die Vorsitzende der Synagogengemeinde Bonns Margaret Traub und Martin Frick, Senior-Direktor beim Klimasekretariat der Vereinten Nationen (UNFCCC), zu Wort meldeten.

Synagogenbesuche

Oberbürgermeister Sridharan sprach von einem „weiteren traurigen Fall“ von Antisemitismus. Dieser komme heute vor allem aus der Mitte der Gesellschaft, nicht so sehr von deren extremen Rändern. Er habe mit Margaret Traub verabredet, dass er nun einmal pro Jahr die Bonner Synagoge besuchen werde, und selbstverständlich werde er dort auch eine Kippa tragen, betonte der 53-Jährige unter Beifall. 

Es sei schwer zu ertragen, dass Synagogen bis heute so stark geschützt werden müssten, auch der Gedanke an Auswanderung aus Deutschland nach Israel sei schmerzhaft. „Die Zivilgesellschaft muss Solidarität zeigen“, rief Oberbürgermeister Sridharan unter starkem Beifall. Es dürfe keinen Schlussstrich unter die Erinnerung geben. Aufforderungen zu einem Boykott Israels seien eindeutig antisemitisch, hob er hervor. Dies war bemerkenswert, gilt Bonn seit einigen Jahren doch als die inoffizielle BDS-Hauptstadt von Nordrhein-Westfalen. 

Anschlag

Viel Zuspruch erhielt Gemeindevorsitzende Margaret Traub für ihren Redebeitrag auf der Empore des Alten Rathauses. „Es ist genug!“, rief sie unter stürmischem Beifall. Dies gelte insbesondere in Zeiten, in denen ein NRW-Gericht einen Anschlag auf eine Synagoge in Wuppertal, verübt von drei jungen Palästinensern, nicht als antisemitisch beurteile. Es könne nicht sein, dass die Politik hierzu schweige. Sie erwarte, dass der Täter vom Hofgarten „mit aller Härte angeklagt“ und dass die weiteren befremdlichen Begleitumstände lückenlos aufgeklärt werden. Wichtiger als das Gedenken an die ermordeten Juden sei es, dass die hier lebenden Juden geschützt werden. Zivilcourage sei gefragt, hob Margaret Traub hervor. 

Martin Frick zeigte sich beeindruckt davon, dass so viele Teilnehmer eine Kippa trugen. Er erinnerte an die Idee der UN von Völkerverständigung und dem Schutz von religiösen Überzeugungen. „Zählen Sie auf uns bei weiteren Aktionen!“, rief er. 

Stärke

Auch Alexander Schlüter war angetan von der knapp einstündigen Kippa-Aktion. „Ich will ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen“, sagte er. Deshalb sei er gekommen. Der Antisemitismus komme aus der Mitte der Gesellschaft. Wichtig sei es, das sichtbare jüdische Leben in der Mitte der Stadt zu stärken. Der Bonner Oliver Geffers (23) war mit einer Israelfahne auf den Marktplatz gekommen. Er sei sogar auf dem Platz dafür kritisiert worden. Israel sei doch an vielen Verbrechen beteiligt, habe man ihm gerade zugerufen. Deshalb sei es für ihn sehr wichtig, was Margaret Traub gerade gesagt habe. 

Auch eine Gruppe vom Verein „Haldy Fotthy“ war vertreten und zeigte ihre großformatigen Transparente: „Zusammenhalten!“ und „Solidarität“ hießen ihre Losungen. Bah Ousmane, er wurde in Sierra Leone geboren, betonte: „Ich bin ein Muslim. Wir müssen uns respektieren.“ Von Beleidigungen stehe nichts im Koran. Deshalb sei er mit seinen Freunden spontan zur Demonstration gekommen.Dem stimmte auch Benjamin Kowitze von „Refugees Welcome Bonn“ zu. Diese aktive Gruppe hat soeben eine bemerkenswert deutliche Erklärung zum antisemitischen Übergriff veröffentlicht.

 

Unter den Kundgebungsteilnehmern waren auch mehrere muslimische Frauen mit Schaila, Hidschab oder Abaja. „Jüdisches Leben in Deutschland willkommen“ stand auf ihrem Transparent, auf einem anderen „Gegen jeden Antisemitismus“.

 

Eine lange Vorgeschichte?

Am Rande der Kundgebung war spürbar, dass der Bonner Übergriff eine lange Vorgeschichte zu haben scheint. Einige Besucher attackierten in gewohnter Einseitigkeit Israels Verteidigungsmaßnahmen. Und sogar ein Mitglieder der vulgär antisemitischen, der MLPD-Sekte nahestehenden  „Bonner Jugendbewegung“ bzw. der  „antikapitalistischen Aktion“ (AKAB) war zu sehen. Diese radikal antisemitische Bonner Gruppierung, die sich offenkundig bis heute unbeanstandet im Bonner DGB-Haus in der Endenicher Straße trifft, hat sich vor allem durch Gewaltandrohungen gegen israelsolidarische Gruppen einen Namen gemacht. Spätestens nach diesem antisemitischen Bonner Übergriff wäre zu erwarten, dass der Bonner DGB seine Räume nicht mehr für solche kämpferisch  „antizionistischen“ Grüppchen zur Verfügung stellt.

2015 hatten sie, wie haGalil kürzlich berichtet hat, bei der jährlichen, geschichtsrevisionistischen Neonazidemonstration in Remagen  „eine Mahnwache vor dem jüdischen Friedhof angegriffen, die ein Mitglied der örtlichen Jüdischen Gemeinde angemeldet hatte. Dieser hatte sich auch davor aufgestellt, um Übergriffe gegen den Jüdischen Friedhof – wie sie bei militanten Nazis jederzeit zu erwarten sind – unter Einsatz seiner Gesundheit zu verhindern. Er trug vor dem jüdischen Friedhof eine Kippa und war insofern als Jude eindeutig zu erkennen. Unterstützt wurde er hierbei durch eine zweite Person, die eine Israelfahne trug. Daraufhin näherten sich im November 2015 jedoch nicht die Neonazis, sondern  ‚linke‘, organisierte Judenfeinde der stalinistischen Bonner AKAB-Sekte dem jüdischen Friedhof . Unter Rufen wie ‚Intifada bis zum Sieg!‚ und  ‚Palästina, Kurdistan! Intifada, Serhildan!‘ beschimpften und beleidigten diese militanten Judenhasser mehrere Minuten lang den deutschen Juden. Diese linken Judenhasser beließen es nicht bei den gezielten Angriffen gegen den Kippaträger sondern warfen zusätzlich demonstrativ Müll auf den jüdischen Friedhof. Auch die Enkelkinder der Nazis bleiben dem Gestus ihrer Großeltern treu. Sie hätten sich in dieser Frage inhaltlich ohne Schwierigkeiten bei den rechten Nazis einreihen können.“

Weiterlesen

Eine Plattform der