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Nach den Wahlen So sieht das AfD-Machtpotential aus

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(Quelle: picture alliance/dpa | Matthias Bein)

Die bevorstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg könnten das politische Kräfteverhältnis in Ostdeutschland erheblich verändern. Sollte die Alternative für Deutschland (AfD) bei diesen Wahlen gut abschneiden und in mehreren Ländern sogar stärkste Kraft werden, wird es schwierig, stabile Parlamentsmehrheiten gegen sie zu bilden. Wahlprognosen zeigen, dass die AfD in allen drei Bundesländern mit starken Wahlergebnissen rechnen kann. In Thüringen könnte sie sogar stärkste Kraft werden. Was bedeutet eine mögliche Regierungsbeteiligung der rechtsextremen Partei für die politische und gesellschaftliche Zukunft in diesen Regionen? Und welche Folgen haben hohe AfD-Wahlergebnisse auch ohne Regierungsbeteiligung?

Bereits jetzt deutet sich an, dass die AfD mit ihrem problematischen Demokratieverständnis, ihrer harten Linie in der Inneren Sicherheit und ihrer radikalen Migrationspolitik großen Einfluss gewinnen könnte – selbst ohne Regierungsbeteiligung. Denn falls die AfD ein Drittel der Abgeordneten im Landtag stellt, hätte sie eine sogenannte Sperrminorität und könnte damit zum Machtfaktor werden: Sie könnte Verfassungsänderungen blockieren, die Wahl des Landtagspräsidiums, von Verfassungsrichter*innen oder der Landesrechnungshofleitung verzögern oder verhindern sowie Entscheidungen, die eine qualifizierte Mehrheit erfordern, blockieren. Ein möglicher Machtgewinn der AfD in den betroffenen Bundesländern wird aber nicht nur die parlamentarische Arbeit, sondern auch die Zivilgesellschaft und den Schutz von Minderheiten vor neue Herausforderungen und Gefahren stellen.

So zeigt ein Blick in die AfD-Wahlprogramme der drei Bundesländer, dass die Partei auf die Stärkung von direkter Demokratie setzt. Die AfD fordert eine umfassende Einführung von Volksentscheiden auf Landesebene, ähnlich dem Schweizer Modell. Die Rechtsextremen sehen Volksentscheide als ein Instrument, um politische Entscheidungen zu korrigieren, die ihrer Meinung nach an den Bedürfnissen und Wünschen der Bürger*innen vorbeigehen. Unter der Überschrift „Direkte Demokratie stärken“ erklärt die Thüringer AfD in ihrem Wahlprogramm: „Die Altparteien haben sich in unserem Staat bequem eingerichtet. Die Vergabe von Ämtern und Mandaten zur Herrschaftssicherung hat ein Pfründensystem etabliert, in dem das Gemeinwohl oft Sonderinteressen geopfert wird.“ Der Staat sei so zu einer Beute der Parteien geworden und viele Bürger*innen hätten den Eindruck, dass die Politiker*innen über ihre Köpfe hinweg entscheiden würden, heißt es weiter im Wahlprogramm.

Doch Volksentscheide können leicht missbraucht werden, um komplexe politische Prozesse auf einfache und populistische „Ja oder Nein“-Entscheidungen zu reduzieren, die Minderheitenrechte außer Acht lassen. In diesem Kontext ist auch die Forderung im Programm nach einer „Entbürokratisierung“ staatlicher Institutionen kritisch zu betrachten. Während der Bürokratieabbau an sich ein legitimes Anliegen ist, besteht die Gefahr, dass die AfD diesen Begriff nutzt, um die Rolle der Parlamente und der staatlichen Kontrollinstanzen zu schwächen. Eine solche Schwächung demokratischer Institutionen könnte autoritären Tendenzen und extremistischen Strömungen den Weg ebnen.

Innere Sicherheit: Mehr Polizei, mehr Kontrolle

In ihren Wahlprogrammen setzt die AfD auch einen Schwerpunkt auf innere Sicherheit und nutzt dabei das Thema Migration, um Ängste zu schüren: „Die verantwortungslose Politik im Bereich Migration und Inneres gefährdet nicht nur die Sicherheit des Einzelnen, sondern auch das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft“. Die Partei fordert unter anderem einen massiven Ausbau der Polizeikräfte und eine Verschärfung des Strafrechts. Sie will härtere Strafen und schnellere Abschiebung von straffällig gewordenen Ausländer*innen. Maßnahmen, die angeblich dazu dienen, die Sicherheit der Bürger*innen zu erhöhen und ihr Vertrauen in den Rechtsstaat zu stärken.

Doch tatsächlich könnten sie auch zu einer Militarisierung der Polizei führen und damit das Verhältnis zwischen Staat und Bürger*innen grundlegend verändern. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnt sogar vor einer möglichen AfD-Regierungsbeteiligung auf Landesebene und den Folgen für die Arbeit von Polizist*innen. Es habe bereits vermehrte Anfragen der Polizeikräfte gegeben, zum Wechsel in andere Bundesländer oder Kündigungen, so der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. Im Falle einer Regierungsbeteiligung sieht Kopelke auch die länderübergreifende Zusammenarbeit der Polizei in Gefahr: „Es ist absolut gefährlich und problematisch, wenn personelle Unterstützung anderer Landesbereitschaftspolizeieinheiten verwehrt werden und länderübergreifende Einsatzlagen keine Unterstützung mehr aus den anderen Bundesländern erfahren.“

Abschottung statt Integration

Kaum ein Thema treibt die AfD so sehr um, wie die Migrationspolitik. In ihren Wahlprogrammen für die Landtagswahlen fordert die Partei eine drastische Begrenzung von Zuwanderung, einen nahezu vollständigen Stopp der Aufnahme von Asylsuchenden und eine gnadenlose Abschiebungspolitik. Sie setzt sich dafür ein, dass Strafgerichte das Recht erhalten, Aufenthaltstitel aufzuheben und sofortige Abschiebungen anzuordnen, wobei die maximale Dauer von Ausreisegewahrsam und Abschiebehaft ausgeschöpft werden soll. Das Ziel der AfD sei, den „Irrweg einer multikulturellen Gesellschaft“ zu verhindern, die Rede ist von einer „Einwanderungskrise“. Sozialverbände und Wirtschaftsvertreter*innen warnen vor den sozialen und wirtschaftlichen Folgen einer solchen Politik. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Siegfried Russwurm, wirft der AfD in Thüringen wirtschaftliche Inkompetenz vor und kritisiert, dass ihre fremdenfeindliche Haltung den Fachkräftemangel in Deutschland verschärfen könnte.

Ein weitgehender Ausschluss von Zuwanderung könnte einerseits den Arbeitskräftemangel weiter verschärfen, der vor allem in Ostdeutschland bereits zu spüren ist. Der Präsident des Handelsverband Deutschland (HD), Alexander von Preen, nennt die AfD gefährlich und verantwortungslos und rät von einer Stimme für die AfD ab. Unter dem Motto „Warum bei Edeka Blau nicht zur Wahl steht“ positioniert sich auch das Handelsunternehmen Edeka gegen die AfD: „In Deutschland stellen die Blauen heute die größte Bedrohung für eine vielfältige Gesellschaft dar,“ heißt es in einer ganzseitigen Anzeige des Unternehmens in der FAZ und der Zeit. 

Sozialverbände befürchten, dass die von der AfD geforderte Migrationspolitik zu einer Spaltung der Gesellschaft und einer weiteren Marginalisierung von Minderheiten führen könnte. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) veröffentlichte im Mai einen Aufruf gegen die AfD und warnte bereits vor der Europawahl, dass die AfD nicht wählbar sei – auch nicht aus Protest, denn die Politik der Rechtsextremen sei mit der Menschenwürde nicht vereinbar. „In der AfD werden rechtspopulistische, fremdenfeindliche und rechtsextreme Positionen vertreten und Rechtsextremisten geduldet“, erklärt der SoVD und bezieht sich dabei unter anderem auf die Einstufung der AfD sowie ihrer Jugendorganisation Junge Alternative (JA) als rechtsextremistischen Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).

Sperrminorität: Wie die AfD trotzdem an Einfluss gewinnen könnte

Die Frage, was eine Regierungsbeteiligung der AfD für Thüringen, Sachsen und Brandenburg bedeuten würde, beschäftigt viele Beobachter*innen. Gewerkschaften, Wirtschaftsunternehmen und Sozialverbände warnen zwar vor tiefgreifenden negativen Folgen, sollte die AfD in einem dieser Bundesländer tatsächlich Teil der Regierung werden. Doch selbst ohne Regierungsbeteiligung könnten hohe Wahlergebnisse starke Auswirkungen auf die politische Kultur und die Zivilgesellschaft in den betroffenen Bundesländern haben.

Ein starkes Abschneiden der AfD bei den Landtagswahlen bedeutet mehr Sitze in den Landtagen und damit auch mehr Einfluss in parlamentarischen Ausschüssen und anderen Gremien. Die Arbeit der Ausschüsse könnte durch eine größere Fraktion erheblich beeinflusst werden, da die AfD mehr Gelegenheiten hätte, ihre Positionen einzubringen und durchzusetzen. Mit einem Zuwachs an Sitzen kann die AfD mehr Fragen stellen, mehr Anträge einbringen und mehr Vorschläge für Änderungen machen. Und sollte die AfD eine Sperrminorität erreichen, also ein Drittel der Sitze im Landtag gewinnen, könnte sie noch stärker als bisher in der Lage sein, Gesetzgebungsprozesse zu verzögern oder zu blockieren. Auch die öffentliche Debatte könnte durch die vermehrte Präsenz der AfD radikalisiert werden.

Hoh Wahlergebnisse werden die Arbeit von Initiativen und Organisationen, die sich der Demokratieförderung und dem Schutz von Minderheiten widmen, massiv erschweren. In der Vergangenheit hat die AfD immer wieder zivilgesellschaftliche Projekte verbal attackiert und deren Finanzierung infrage gestellt. Im Landtag in Sachsen-Anhalt hat die AfD im Jahr 2018 beispielsweise gefordert, die Fördermittel für das bundesweite Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ einzustellen. Eine starke AfD in den Landtagen Sachsen, Thüringen und Brandenburg könnte laufende und auch zukünftige Projekte zur Förderung von Demokratie und Toleranz gefährden. Seit 2005 fördert Sachsen mit dem Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz (WOS)“ Projekte, die sich für demokratische Werte und gegen Extremismus sowie Fremdenfeindlichkeit einsetzen. Ohne die Genehmigung weiterer finanzieller Mittel ständen solche Förderungen auf Landesebene aber auf der Kippe. Die Thüringer AfD stellt in ihrem Regierungsprogramm bereits klar: „Die Finanzierung linker Ideologie in sogenannten Demokratieprojekten wird eingestellt. Der Linksstaat wird wieder ein weltanschaulich neutraler Staat.“

Für Minderheiten haben hohe Wahlergebnis der AfD ebenfalls schwerwiegende Folgen. Die Partei ist bekannt für ihre Ablehnung, gar Feindlichkeit, gegenüber ethnischen und religiösen Minderheiten. Das Sicherheitsgefühl und die Integration von Minderheiten in der Gesellschaft könnte durch ein hohes Wahlergebnis der AfD also nachhaltig beeinträchtigt werden.

Was die Wahlen für die Zukunft des Ostens bedeuten könnten

Die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg könnten den Osten Deutschlands ordentlich durchrütteln. Michael Kraske, Journalist und Mitautor des Buchs Angriff auf Deutschland – Die schleichende Machtergreifung der AfD, spricht mit Blick auf die Wahlen im Osten sogar von einem politischen Beben, das ganz Deutschland schwer erschüttern wird.

Wenn die AfD bei den Wahlen stark abschneidet, könnte sie in den Landtagen erheblich mehr Einfluss gewinnen und möglicherweise sogar ein Drittel der Sitze erreichen. Das würde ihre Fähigkeit stärken, Gesetze zu blockieren und wichtige Entscheidungen zu verzögern, was den politischen Betrieb ordentlich bremsen könnte. Ihre rassistische Migrationspolitik könnte den bereits spürbaren Fachkräftemangel verschärfen und zu mehr sozialen Spannungen in der Region führen. Die kritische Haltung der AfD gegenüber Minderheiten könnte zudem die Integration und den Schutz dieser Gruppen im Osten deutlich erschweren. Auch die Unterstützung für Projekte, die Demokratie und Toleranz fördern, könnte unter Druck geraten oder sogar ganz wegfallen, wenn die AfD ihren Kurs durchsetzt.

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