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Nach der Wahl in Schweden Regierung mit Schwedendemokraten?

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Rechtspopulismus, Islamfeindlichkeit und Rassismus mit Blümchen und DJ: Jimmie Åkesson (ganz rechts) ist der Kopf der Schwedendemokraten. (Quelle: picture alliance / TT NYHETSBYRÅN | Stefan Jerrevång/TT)

Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson hat nach der Wahl in Schweden am Wochenende bereits ihren Rücktritt eingereicht. Denn die schwedischen Wähler*innen haben mit einer denkbar knappen Mehrheit entschieden, dass das europäische Musterland der Sozialdemokratie in Zukunft von einem konservativ-rechtspopulistischen Parteienbündnis regiert werden soll. 175 von 347 Sitzen sind im Reichstag von Stockholm für eine Mehrheit notwendig. Die vier konservativ-rechtspopulistischen Parteien – die Moderaten, Schwedendemokraten, Christdemokraten und Liberalen –  unter Führung von Ulf Kristersson (Moderate) hat 176 Sitze.

Die Sozialdemokraten sind zwar weiterhin die Partei mit den meisten Stimmen, aber die zweitstärkste Partei sind eben die rechtspopulistischen, rassistischen Schwedendemokraten unter der Führung von Jimmie Åkesson. Jeder fünfte Mensch in Schweden hat sie gewählt. Die Schwedendemokraten wittern nun ihre Chance auf eine erste Regierungsbeteiligung und würden aus strategischen Gründen auch den Kristersson und den Moderaten das Amt des Regierungschefs überlassen – wollen der Regierungsarbeit aber deutlich ihren ideologischen Stempel aufdrücken. Nicht geschmälert wurde ihr Erfolg durch den Antritt weiterer rechtsextremer Parteien: Weder die „Nordische Widerstandsbewegung“ noch die „Alternativ för Sverige“ konnten nennenswerte Stimmen sammeln.

So stehen nun Moderate, Christdemokraten und Liberale vor der schwierigen Frage, ob sie mit Rechtspopulist*innen, deren Positionen sie zum Teil ablehnen, eine Regierung bilden und damit politische Macht in Schweden bekommen wollen – oder demokratischen Prinzipien treu bleiben und die Rechtspopulist*innen nicht legitimieren.

Ideologie und Strategie der Schwedendemokraten

Die Chancen der Schwedendemokraten (schwedisch: Sverigedemokraterna) stehen allerdings nicht schlecht. Die ursprünglich rechtsextreme, inzwischen rechtspopulistische Partei hat in den vergangenen Jahren hart daran gearbeitet, ihre Nicht-Anhänger*innen ihre Ideologie vergessen zu lassen: Etwa die Wurzeln der Partei in der rassistischen und rechtsextremen Bewegung Bevara Sverige Svenskt (deutsch etwa: „Schweden soll schwedisch bleiben“), die sich 1986 mit der „Fortschrittspartei“ (Framstegsparti) zur „Schwedenpartei“ zusammenschlossen. 1987 wurden Teile der „Fortschrittspartei“ aus der Neugründung ausgeschlossen – und gründeten zwei Gruppieren, zum einen erneut die „Fortschrittspartei“ – zum anderen die Schwedendemokraten. Ein freundliches blau-gelbes Blümchen-Parteidesign verlieh den Rassist*innen ein harmlos-freundliches Aussehen, und inhaltlich änderten sich die Slogans, blieben aber deutlich: Islamfeindlichkeit, Flüchtlingsfeindlichkeit, EU-Feindlichkeit (vgl. Belltower.News).

Seit 2010 sitzen die Schwedendemokraten im Reichstag – und haben seitdem ihren Einfluss strategisch ausbauen können. Im Fachmagazin Expo analysiert Chefredakteur Daniel Poohl, wie die Partei dies bewerkstelligt hat: Stilistisch habe sie vermeintliche Kurswechsel vollzogen, ihren Kurs gegenüber der NATO verändert, in einem gewissen Maße der Aufnahme von Flüchtlingen zugestimmt. Wobei ihre rassistische Kernideologie – „Schweden muss schwedisch bleiben“ – sich seit der Gründung nicht verändert hat. Nur, dass die Partei nun auch gern Donald Trump zitiert: „Die Schwedendemokraten wollen, dass Schweden wieder groß(artig) wird.“

In den Botschaften allerdings gab sich die Partei im Laufe der Zeit flexibel, um viele Wählergruppen anzusprechen: Bei den Wahlen 1991 präsentierte sich die Partei als neue Volkspartei; im Parteiprogramm von 1996 bezeichnete sie sich als nationale Zentrumspartei mit einer ökologischen Vision; bei den Wahlen 1998 stellte sie sich stattdessen als nationale demokratische Zentrumspartei vor, um bei den nächsten Wahlen als neue Arbeiterpartei die Sozialdemokraten herauszufordern. Nach den Wahlen 2014 erklärte der damalige Parteisekretär Björn Söder, dass die Partei als die neuen Christdemokraten zu betrachten sei. Heute nennt sie sich „rechtssozialkonservativ“. Vor dem Einzug ins Parlament 2010 nannte sich die Partei „weder links noch rechts“; nach dem Einzug ins Parlament wollte sie plötzlich beides sein – so, wie es ihnen zur sich verändernden politischen Landschaft zu passen schien.

Hilfreich für den Aufstieg der Rechtspopulist*innen: Die Untätigkeit der anderen

Maßgeblich, da sind sich die Experten von Expo einig, hat zum Erfolg der Schwedendemokraten aber auch beigetragen, dass die anderen Parteien das Framing der flüchtlingsfeindlichen Partei aufgenommen haben: „Plötzlich vertraten viele Politiker*innen ein Erklärungsmodell, das Einwanderung als den Mittelpunkt aller Probleme der Gesellschaft darstellte. Das hat der Partei Raum für Radikalisierung gegeben.“ Das habe außerdem zu einer Normalisierung der rassistischen Thesen der Partei geführt. Andere Parteien versuchten, mit flüchtlingsfeindlichen Argumentationen die Wähler*innen der Schwedendemokraten zu umwerben. Zudem habe die Opposition zwar mit Ablehnung der Partei der Schwedendemokraten reagiert – nicht aber auf einer inhaltlichen Ebene geantwortet, welches demokratische Gesellschaftsbild sie anstreben. „Opposition gegen die Schwedendemokraten kann nicht das Hauptthema eines politischen Programms sein“, sagt Daniel Poohl.

Ziel: Eine ethnisch und kulturell homogene Nation

Expo-Redakteur Niclas Nilsson analysiert: „Was wir verstehen müssen, ist, dass die SD seit langem in der Lage ist, ihre Position und ihr Ansehen in der schwedischen Politik aus eigener Kraft zu gestalten. Sie sind auch praktisch die einzigen, die den Wählern (…) eine Vision der Gesellschaft bietet, die die Partei schaffen will. Eine Richtung für die Zukunft. Nicht nur, was die Partei jetzt tun will, sondern warum und wohin es führen wird. Dies geschieht nicht nur im Wahlkampf, sondern diese ideologische Schulung wird täglich über die parteieigenen oder verwandten Medienkanäle an Tausende von Menschen weitergegeben.“ Nur ist diese Vision traditionalistisch, nationalistisch und rassistisch: Schweden soll schwedisch bleiben, eine imaginierte, ethnisch und kulturell homogene Nation.

Sollte dieser Zustand erreicht sein, versprechen die Schwedendemokraten: „Wenn wir dieses Stadium erreicht haben, wird das Paradies anbrechen, frei von Konflikten und trennenden sogenannten Sonderinteressen wie dem Individualismus des Liberalismus und den Ideen der Sozialdemokratie von Solidarität und Gleichheit.“ Sollte dabei der Konservatismus im Weg sein und den sogenannten „heterogenen Staat“ aufrechterhalten wollen, würde man sie ebenfalls über Bord werfen. Schwedendemokraten-Parteisprecher Mattias Karlsson nennt das eine Vision: „Ein Kampf auf Leben und Tod.“ Dabei ist aber klar, dass eine solche Ideologie eines „homogenen Staates“ keine Grenzen hat. Wenn es keine Geflüchteten mehr gäbe, würden andere Gruppen als Feindbilder gefunden: „Die Nation kann immer homogener werden, und es gibt immer spaltende Sonderinteressen, gegen die man in den Krieg ziehen kann“, analysiert Niclas Nilsson. Dagegen helfe nur, da sind sich die Expo-Experten einig, wenn sich die demokratischen Parteien der Aufgabe annehmen, eine ähnlich eingängliche Vision einer gleichwertigen, demokratischen Gesellschaft zu entwerfen und zu promoten, statt dem Rassismus der Schwedendemokraten den Staat zu überlassen.

 

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