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Narrative und Motive Flüchtlinge als »Invasoren«, »Kriminelle«, »Kulturlose«, »übergriffige Fremde« und »Schmarotzer«

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Menschenverachtende Aktivitäten im Social Web ist unser Schwerpunkt im Juli 2016. Heute: Die Narrative um Geflüchtete als Bedrohung und Nutznießer. (Quelle: Netz gegen Nazis)

Rechtspopulisten und Rechtsextreme nutzen den Begriff, um einen angeblichen Kriegseinsatz gegen »die Deutschen« zu konstruieren. Gleichzeitig wird die Angst geschürt, bei den zumeist jungen Männern, die aus den Krisenregionen fliehen, würde es sich um Terroristen oder verdeckte feindliche Kämpfer handeln. Ihnen wird zum einen unterstellt, eine rassistisch und kulturalistisch konstruierte deutsche Nation durch den Nachzug ihrer Familien, die Geburt von Kindern und die Ausnutzung deutscher Sozialsysteme in die Knie zu zwingen. Zum anderen sollen auch Terroranschläge und Gewalt zu ihrem Instrumentarium zählen.

Dabei werden die Flüchtlinge als radikale, fundamentalistische Muslime und Muslimas gedeutet, die Deutschland bzw. Europa »islamisieren« wollen. Die Hetze und Ablehnung gegenüber Flüchtlingen ist daher stark mit antimuslimischen Ressentiments verknüpft. Der Kampf gegen die angeblich drohende Islamisierung ist ein zentrales verbindendes Motiv aller neuen rechten Bewegungen von der Identitären Bewegung über die German Defense League, PEGIDA und AfD bis hin zu NPD, Der III. Weg und Die Rechte. Der Islam wird dabei als mit einer deutschen bzw. europäischen Kultur unvereinbar erklärt und zum ideologischen Hauptfeind erkoren.

Im Netz haben sich schon vor einigen Jahren entsprechende Blogs etabliert, die gegen den Islam hetzen. In Deutschland ist die Seite PI-News der bekannteste Vertreter dieser Szene, die international vernetzt ist. Das von entsprechenden Blogs mit etablierte Klima ist ein entscheidender Faktor für die massive Hetze im Netz.

Flüchtlinge als »Kriminelle«, »Kulturlose« und »übergriffige Fremde«

Flüchtlinge werden häufig als kriminell stigmatisiert. Um dieser behaupteten Gefahr Nachdruck und Nahrung zu geben, wurden und werden immer wieder Vorfälle erfunden. Häufig geht es dabei um Überfälle auf Supermärkte. Auch wenn entsprechend lancierte Berichte nicht bestätigt werden konnten, so haben die Falschmeldungen schon ihre Wirkung erreicht, da sie dieses Vorurteil zu bestätigen scheinen. Nach dem gleichen Muster funktionieren Falschmeldungen, die Flüchtlinge als barbarisch und kulturlos stigmatisieren sollen. So gab es zum Beispiel eine Meldung darüber, dass Flüchtlinge Schwäne aus Teichen entführt und anschließen gegessen haben sollen. Diese Meldung erwies sich ebenfalls schnell als erlogen und haltlos, doch das Gerücht besteht weiter.

Auch das Stereotyp des sexuell übergriffigen Fremden ist Teil der rechtsextremen Dramaturgie der Angst. Die Erzählung ist simpel: Wenn Flüchtlinge in die eigene Umgebung kommen, dann kommt es zu einen Anstieg an Gewalt- und Drogenkriminalität, aber vor allem wird es gefährlich für Frauen, da diese von den Flüchtlingen als »Freiwild« angesehen würden. Sowieso seien ja alle Flüchtlinge Muslime, und diese wiederum hätten aufgrund ihrer Herkunft keine Achtung vor Frauen und Gleichberechtigung. Lancierte Falschmeldungen über Vergewaltigungen sollen diesen Mythos stützen und bestätigen.

Besonders perfide ist dabei, dass Rechtsextreme ihre eigene anti-emanzipatorische und frauenverachtende Haltung auf das von ihnen geschaffene Feindbild übertragen, um sich selbst als Verteidiger_innen von Emanzipation, Gleichberechtigung und Feminismus zu inszenieren. Auf Facebook waren Bilder im Umlauf, auf denen dazu aufgerufen wurde, »unsere Frauen zu schützen«. Im Kontext der Ereignisse in Köln um die Jahreswende 2015/16 wurde noch ein weiteres Netzphänomen deutlich. Nachdem als Reaktion auf die Silvesternacht die Twitterkampagne #ausnahmslos startete, gab es gezielte Stör- und Kaperversuche gegen die Initiative. Mit pornographischen Bildern unter dem Hashtag #falschesgrau versuchten User, anti-feministische Propaganda in die Öffentlichkeit zu tragen. Diese Störversuche hatten ihren Ursprung jedoch nicht, wie teilweise vermutet, in rechtsextremen Kreisen, sondern auf dem deutschsprachigen Imageboard »pr0gramm«. Es handelte sich um so genannte Trolle: Störer um des Störens willen und Maskulinisten, die dem (Netz-)Feminismus den Kampf angesagt haben. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass nicht nur Rechtsextreme als anti-emanzipatorische Kräfte im Netz agieren und wirkmächtig sein können.

Flüchtlinge als »Schmarotzer«

Lügen über die Familie von Aylan Kurdi waren weit verbreitet auf flüchtlingsfeindlichen Facebook-Seiten 

Flüchtlinge werden häufig als keine »echten« Flüchtlinge – sprich: »Kriegsflüchtlinge«, die direkt und ohne Umwege aus umkämpftem Gebiet einreisen – dargestellt, die hilfsbedürftig sind. Die Tatsache, dass sie Smartphones besitzen, wird häufig als Argument angeführt, dass es sich um »Wirtschaftsflüchtlinge« handle, die »das Sozialsystem ausbeuten« würden. Besonders bekannt wurde in diesem Kontext zum Beispiel die Geschichte des dreijährigen Aylan Kurdi, der auf der Flucht von Syrien nach Europa im Mittlermeer ertrank. Die Bilder der Leiche Kurdis sorgten im September 2015 für viel Aufsehen und wurden auch massiv für die Hetze gegen Geflüchtete instrumentalisiert. Dabei ging es um das Narrativ, dass Aylan Kurdi nur ertrunken sei, weil sein Vater sich in Europa neue Zähne machen lassen wollte. Kurdi und seine Familie seien also keine »echten« Flüchtlinge, sondern wollen sich am europäischen Wohlstand bereichern. Im oben abgebildeten Beispiel wird auf eine rechtsextreme Seite verwiesen, die ein Interview mit einer Verwandten Kurdis umgeschnitten hat, um die Behauptung der »Wirtschaftsflucht« halten zu können. Flüchtlingshelfer_innen wird in diesem Kontext oft vorgeworfen, dass sie lieber deutsche Obdachlose unterstützen sollten. Flüchtlinge bekämen Vorzugsbehandlungen, während die »eigenen« Bedürftigen vernachlässigt würden. So spielen Rechtextreme marginalisierte Gruppen gegeneinander aus und inszenieren sich selbst als Helfer_innen der »wahren« Bedürftigen.

 

Auszug

aus Monitoringsbericht 2015/2016 – Rechtsextreme und menschenverachtende Phänomene im Social Web“ unseres Partner-Projektes debate_dehate /no-nazi.net der Amadeu Antonio Stiftung.

Mehr aus dem Bericht auf Belltower.news unter

| Schwerpunkt Juli 2016: Hass im Netz 2016

Menschenverachtende Phänomene im Social Web:

Bürgerliche MimikryGewaltaufrufeFalschmeldungen und Gerüchte

Narrative und Motive:

Volk, Staat und WiderstandOpferrolle: Nazi, Pack„Lügenpresse“ und „Gegenöffentlichkeit“Flüchtlinge als »Invasoren«, »Kriminelle«, »Kulturlose«, »übergriffige Fremde« und »Schmarotzer«

Der Monitoringbericht zum Download (PDF)

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