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Nazi-Demo in Berlin-Marzahn „Gegen Asylmissbrauch“ mit HoGeSa-Parolen

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Bereits im Vorjahr mussten sich antirassistische Initiativen gegen Neonazi-Hetze in Marzahn-Hellersdorf wehren. (Quelle: flickr/cc/ekvidi)

Neonazis in Berlin haben momentan einen vollen Terminkalender: Am Donnerstag zur Mahnwache gegen eine Flüchtlingsunterkunft in Buch, am Samstag zur Allende-Siedlung in Treptow-Köpenick, am Montag erst nach Marzahn und anschließend wieder nach Buch. Am gestrigen Donnerstag dann nochmal Buch, und am Samstag soll eine Großdemonstration in Marzahn-Hellersdorf folgen. Zu allen Terminen kam eine erkleckliche Anzahl organisierter Neonazis. Der wirkliche Erfolg lag aber darin, dass sich eine größere Zahl rassistischer Wutbürger_innen den Rechten entweder anschloss oder aber die Demonstrationen gleich selbst organisierte. Die neonazistische Hetze gegen Flüchtlinge verfängt.

Versagen der Lokalpolitik

Zu Gute kommt den Neonazis eine „Steilvorlage“ der Politik, wie es der Flüchtlingsrat Berlin bezeichnet. Schon im Vorjahr hatten Rechtsextreme mit einer rassistischen Mobilisierung gegen ein Flüchtlingsheim in Marzahn-Hellersdorf Erfolg. Unter erheblichen Anstrengungen antirassistischer Initiativen um das Bündnis „Hellersdorf Hilft“ konnte der Einfluss der Neonazis auf die Flüchtlingsdebatte im Bezirk zurückgedrängt werden. Erst der extrem kurzfristig kommunizierte Plan des Landes, eine Containersiedlung für Geflüchtete im selben Bezirk zu errichten, brachte die Neonazis wieder in die Offensive. Ähnlich sieht es auch in der Allende-Siedlung in Treptow-Köpenick aus. Dazu kommt der Unwillen oder die Unfähigkeit der Bundespolitik, rassistischen Ressentiments gegen Flüchtlinge etwas entgegenzusetzen.

Auftrieb durch die Bundespolitik

Ganz im Gegenteil: In den letzten Monaten wurde die Ausweitung der Drittstaatenregelung für Flüchtlinge beschlossen, die Bundespolizei beteiligte sich an der EU-weiten  Kontrollaktion „Mos Maiorum“, und der CSU-Grande Horst Seehofer ließ sich mit den Worten zitieren: „Wer betrügt, fliegt“. Gleichzeitig wurden Aktionen zur Rettung von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer eingeschränkt. Im Fall von Berlin wird die ablehnende Haltung gegenüber Geflüchteten sicherlich durch die durchweg empathielose Medienberichterstattung zu den Flüchtlingsprotesten in Kreuzberg verstärkt. Und so ist es traurig, aber nicht verwunderlich, dass Neonazis und andere Rassist_innen bei ihren Aktionen Zulauf erhalten und sich ermutigt fühlen, Jagd auf Flüchtlinge zu machen, wie dies zuletzt in Anklam der Fall war. Das erinnert fatal an die 1990er Jahre, als die Polizei bei neonazistischen Pogromen gegen Flüchtlingsheime zunächst tatenlos zusah, und die Politik anschließend die weitreichendsten Einschränkungen der Bundesgeschichte im Asylrecht beschloss.

Demonstrationen mit eindeutig rechtsradikaler Prägung

Über die Demonstrationen der rassistischen Rechten ist oft zu hören: Es sind nur wenige Neonazis, der Großteil der Teilnehmenden sind Anwohner_innen, die ihrer „berechtigten Sorge“ über die Verfehlungen der Politik Ausdruck verleihen. Dies kann am Beispiel der Proteste in Berlin klar widerlegt werden. Bei der Demonstration in Köpenick waren NPD-Ordner zu sehen, als Redner traten unter anderem der NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke und der NPD-Europaabgeordnete Udo Voigt auf. In Buch gerierte sich der NPD-Kreisvorsitzende von Pankow, Christian Schmidt, als besorgter Anwohner. Vor seinem NPD-Mandat hat Schmidt alle relevanten Stationen des Berliner Kameradschaftsspektrum durchlaufen: Er war Mitglied bei den „Freien Nationalisten Berlin Mitte“ und später im Neonazi-Netzwerk „Nationaler Widerstand Berlin“. In Buch konnten auch Aktivist_innen der „Freien Kräfte Neuruppin/Havelland“ in einem Redebeitrag Werbung für ihre Kampagne zum „Tag der deutschen Zukunft“ machen, der kommendes Jahr in Neuruppin geplant ist. Auch Aileen Rokohl, Kreisverbandsvorsitzende der NPD Barnim-Uckermark, sprach zu den Anwesenden.

Neonazis als Organisatoren

Noch eindeutiger ist die Lage im Fall der Demonstrationen in Marzahn. Diese werden schon seit langem von der vor allem auf Facebook präsenten „Bürgerbewegung Marzahn“ beziehungsweise „Bürgerbewegung Hellersdorf“ gesteuert. In deren Hintergrund bewegen sich bekannte Neonazis. So zeichnete bisher Uwe Dreisch, Landesvorsitzender der Partei „Die Rechte“, für die Anmeldungen von Demonstrationen verantwortlich. Vor seiner „Parteikarriere“ war Dreisch Mitglied in der mittlerweile verbotenen militanten Kameradschaft „Frontbann 24“. Unterstützt wird Dreisch in Marzahn von seinem Landesvize Patrick Krüger, und dem NPD-Mann René U.. Es ist erschreckend mit anzusehen, dass der Rassismus auch in bürgerlichen Spektren so tief verankert ist, dass kein Abgrenzungsbedürfnis zu militanten Neonazis mehr besteht. Stattdessen laufen rassistische Wutbürger_innen in Eintracht mit Neonazis bei Demonstrationen. Um den Kreis der Demonstrierenden kurzfristig auszuweiten, wurde das Motto der Neonazi-Demo am Samstag auf die HoGeSa-Parole „Gemeinsam sind wir stark“ ausgeweitet. Ein weiteres Beispiel dafür, wie beliebig die konkreten Themen für Neonazis letztendlich sind. Im Endeffekt geht es darum, Rassismus und neonazistische Ideologie auf die Straße zu tragen.

Unterstützung aus Brandenburg

Für die Mobilisierung am Samstag bauen die Marzahner Neonazis vor allem auf szeneinterne Unterstützung aus Brandenburg und auf das Internet. Ein Großteil der NPD-Facebookseiten bewirbt die Demonstration, gleichzeitig verfügt die Nordost-Berliner Neonaziszene seit jeher über exzellente Anbindung an die Kameradschaften im Umland. Aber auch in die andere Richtung ergeben sich Synergieeffekte. Brandenburger Neonazis haben erkannt, dass die Stimmungsmache gegen Flüchtlinge Erfolg verspricht. Am vergangenen Sonntag startete die Kampagne „Ein Licht für Deutschland gegen Überfremdung“  mit einem klandestin organisierten Fackelmarsch in Gransee. Als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts für die Flyer der Kampagne, die sich „gegen die Asylflut“ wendet, tritt Maik Eminger auf. Sein Bruder André sitzt beim NSU-Prozess auf der Anklagebank. Getragen wird die Kampagne aber auch von der Potsdamer Gruppierung „Licht und Schatten“, die sich vor allem an den Aktionsformen der als „Spreelichter“ bekannt gewordenen und mittlerweile verbotenen Bewegung „Widerstand Südbrandenburg“ orientiert.

Aufrufe zu Gegenprotesten

Für den Samstag in Marzahn rufen zahlreiche zivilgesellschaftliche Bündnisse zu Protesten und Gegenaktionen auf. Sogar der Berliner Senat fühlte sich bemüßigt, in einer gemeinsamen Erklärung zum Gegenprotest aufzurufen. Das Berliner Netzwerk „Berlin Nazifrei“ ruft zu Blockaden auf, ebenso das antifaschistische Kollektiv Marzahn- Hellersdorf. „Wir müssen uns den Rassist_innen und Nazis in Marzahn in den Weg stellen, um auch berlinweit ein Zeichen gegen Ihre Hetze und für einen solidarischen Umgang mit den Geflüchteten zu setzen“, heißt es in dem Aufruf von Berlin Nazifrei. Eine große Kundgebung mit Konzert ist von einem Bündnis rund um den Verein „Hellersdorf Hilft“ geplant. Diese soll ab 13 Uhr an der Ecke Landsberger Allee/ Blumberger Damm stattfinden.

Wenn es nur Berlin wäre…

Die Demonstration in Marzahn ist aber bei weitem nicht die einzige Veranstaltung, die Rechtsextreme am morgigen Samstag durchführen wollen. In Chemnitz plant die Facebook-Gemeinschaft „Chemnitz wehrt sich“ eine Demonstration „Gegen Asylwahnsinn, Überfremdung und Islamisierung“. „Chemnitz wehrt sich“ versucht zwar, sich von Neonazis zu distanzieren – es dürfte aber angesichts des klassisch rechtsradikalen Demonstrationsmottos beim Versuch bleiben. Auf der Facebook-Seite finden sich dementsprechend Kommentare, die sich „Gas für diese stinkenden Zecken“, und brennende „Heime“ wünschen. Zu Gegenprotesten ruft das Bündnis „Chemnitz Nazifrei“ auf. In Remagen planen Neonazis einen Gedenkmarsch und Totengedenken, ganz in der Tradition des Nationalsozialismus. Die Mobilisierung übernehmen vor allem die rheinland-pfälzische NPD und die Neonazi-Kleinspartei „Der III. Weg“. Auch in Remagen sind Gegenproteste geplant.

Neues aus der „HoGeSa“-Resterampe

Hannover wird an diesem Wochenende die Nachwehen der „HoGeSa“-Demonstration vom vergangenen Samstag zu spüren bekommen. Weil einige gewaltbereite Hooligans bei Zusammenstößen mit Antifaschist_innen verletzt wurden, hat ein Mitglied des Bundesvorstands der Partei „Die Rechte“ für Samstag eine Demonstration unter dem Motto: „Gegen linke Gewalt“ angemeldet. Die Mobilisierung läuft nach Einschätzung der Polizei Hannover aber schleppend. Für Abwechslung sorgt in Hannover dann immerhin eine Demonstration von homophoben Konservativen, die sich „Gegen sexuelle Vielfalt an Grundschulen“ richtet. Dagegen wehrt sich eine Veranstaltung unter dem Titel „Vielfalt statt Einfalt“. Im saarländischen Völklingen wagt sich eine Gruppierung mit dem klangvollen Akronym „SaGeSa“ (Saarländer gegen Salafisten) erstmalig zu einer Mahnwache auf die Straße. Die Teilnehmer_innenzahl soll sich allerdings im zweistelligen Bereich bewegen. Gegenproteste sind ebenfalls angekündigt.

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