Der Fall des damals Rechtsextremen aus Weil am Rhein, der als Stützpunktleiter der Jungen Nationaldemokraten in Lörrach bekannt war, ging im September 2009 durch die Presse: Nach einem anonymen Hinweis nahm die Polizei den damals 22-Jährigen fest – und fand bei ihm ein Handbuch zur Herstellung von Schwarzpulver, ein Schweizer Sturmgewehr samt Munition, dass als „Kriegswaffe“ gilt, Messer, die unter das Waffengesetz fallen – und eben 22 Kilogramm chemische Rohmaterial zum Bombenbau: Kalkammonsalpeter, Wasserstoffperoxid, Schwefelsäure, Nitromethan und Calciumkarbid. Bestellt hatte der Thomas B. die Materialien sukkzessiv und systematisch im Internet, zum Teil über die Adressen anderer Rechtsextremer. Die Polizei gab damals an, noch nie habe man eine größere Menge derartigen Materials bei Neonazis in Deutschland gefunden.
Die Staatsanwaltschaft Lörrach machte sich an die Arbeit und erhob im vergangenen Jahr Anklage wegen „Vorbereitung eines Explosionsverbrechens“. Das wird mit Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren bestraft. Der Angeschuldigte habe die Materialien gehortet, um sie für eine gewaltsame Auseinandesetzung mit dem politischen Gegner einzusetzen, so der Staatsanwalt Dieter Inhofer. Genauso sah das die Freiburger Autonome Antifa, die zum Angeschuldigten auch ein ausführliches Dossier im Internet veröffentlichte und wohl auch der Polizei die entscheidenden Hinweise zur Verhaftung zukommen ließ. Die Antifa hatte dort auch Hinweise aus einem abgefangenen Email-Verkehr der Neonazis gesammelt, die eine Vermutung über ein Anschlagsziel zuließen: Der linke Freiburger Treff KTS.
Dies alles hat das Freiburger Landgericht allerdings nicht beeindruckt, wie heute die „Badische Zeitung“ berichtet: Weil Thomas B. noch nicht mit dem Bombenbau begonnen habe und es keine gesicherten Erkenntnisse über Ziel und Zeitpunkt eines möglichen Anschlags gäbe, gäbe es auch keinen hinreichenden Tatverdacht, so das Landgericht. Sie lehnte die Eröffnung eines Hauptverfahrens wegen des Besitzes von Sprengstoff ab. Auch Staatsanwalt Inhofer bestätigt der „Badischen Zeitung“: „Es handelt sich hier um eine rechtlich schwierige Frage.“ Die Staatsanwaltschaft wird die Entscheidung des Landgerichtes nun aber prüfen und voraussichtlich anfechten. „Wir möchten in der Sache eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes herbeiführen“, so Staatsanwalt Inhofer.
So absurd das klingt – es drohen dem Neonazi aus Weil zunächst keine Konsequenzen für den Besitz der Bombenbau-Chemikalien. Übrig bleiben dann Verstöße gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz – und die sollen nun vor dem Schöffengericht des Amtsgerichtes Lörrach verhandelt werden.
Die „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) sind die Jugendorganisation der rechtsextremen Partei NPD. Thomas B. kaufte Kalkammonsalpeter, Wasserstoffperoxid, Schwefelsäure, Nitromethan und Calciumkarbid systematisch und zum Teil über Adressen weiterer Neonazis bei Versandfirmen im Internet. Fügt man diesen Substanzen weitere frei verkäufliche Stoffe wie etwa Glycerin hinzu, können gefährliche Sprengmittel wie Trinitrotoloul (TNT) oder Triacetat-Triperoxid (TATP) hergestellt werden. Wie aus dem Email-Verkehr des Angeschuldigten hervorging, besorgte er laut eines ZEIT-Berichtes auch Zündschnüre, elektrische Bauteile für Fernzünder und Materials zum Herstellen von Rohrbomben. Dazu besorgte er sich einen Ganzkörperanzug aus einem Online-Sexshop – vermutlich als Schutzanzug oder um DNA-Spuren am Tatort zu vermeiden.
Thomas B. soll außerdem als Mitglied eines Schützenvereins weitere legal erworbene Schusswaffen besessen haben. JN-Stützpunktleiter war der Mann im Juni 2009 geworden – zuvor war er Skinhead, zwei Jahre lang Soldat bei den Krisenreaktionskräften und Mitglied der Neonazi-Gruppe „Freie Kräfte Lörrach“. Wie die Freiburger Antifa aus einem abgefangenen Email-Verkehr erfuhr, haben Lörracher Neonazis, auch der Chemikalienkäufer, zudem mehrfach versucht, den linken Szenetreff KTS in Freiburg auszuspionieren. Die Freiburger Antifa hatte zuvor zahlreiche Namen, Daten und Details von NPD-Mitgliedern veröffentlicht, woraufhin sich der NPD- Kreisverband Freiburg auflöste. Wie die „Badische Zeitung“ 2009 berichtete, hatte der Bomenbauer auch auf SchülerVZ mit seinem Vorhaben geprahlt.
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