Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Neonazi-Demonstration waren in Landshut nicht willkommen – Proteste und Blockadeversuche

Von|

Geschätzte fünfhundert Polizeibeamte, unzählige Einsatzfahrzeuge und ein eingegitterter Bahnhofsvorplatz ? dieses Bild bot sich einem, wenn man am Samstagvormittag, den 25. Februar 2012, den Landshuter Hauptbahnhof verließ. Großflächig hatten sich Kräfte der Polizei Landshut und der bayerischen Bereitschaftspolizei rund um den Bahnhof positioniert. Grund hierfür war ein von Neonazi Martin Wiese angemeldeter Aufmarsch unter dem Motto ?Linke Gewalt stoppen?.

Wenngleich die rechtsextreme Veranstaltung erst um 13 Uhr beginnen sollte, sammelten sich die ersten Angehörigen der Szene bereits kurz vor elf Uhr Vormittags am Bahnhofsvorplatz. Nach und nach trafen weitere Neonazis in der niederbayerischen Stadt ein, um sich an dem Aufmarsch zu beteiligen.

Etwa zeitgleich startete unweit des Bahnhofs eine bunte Gegenkundgebung, bei der auch der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Ritter als Redner auftrat. Das Bild bestimmten dabei bunte Transparente und Luftballons, die von den Gegendemonstranten an den Händen getragen wurden, und in den Himmel ragten. Ein überaus deutliches Symbol für ein buntes und tolerantes Landshut.

In seiner Rede stellte Ritter unter anderem fest, dass es ?rechtsextremistischen Terror? in der Bundesrepublik ?seit Jahrzehnten? gebe. Im Bezug auf Bayern sagte der SPD-Abgeordnete: ?Blickt man noch länger zurück, so ist gerade Bayern Tatort für die bekannten und folgenreichsten rechtsextremistischen Verbrechen nach dem Krieg geworden.? Weiterhin bezeichnete er ein Verbot der rechtsextremen NPD in seinem Vortrag als ?unumgänglich? und sprach sich zudem für ein Verbot der bayerischen neonazistischen Kameradschaft ?Freies Netz Süd? aus. Abschließend stellte Ritter klar: ?Ihr seid hier nicht willkommen. Schleichts euch! Ihr seid in dieser Stadt nicht willkommen, nicht im Landkreis, nicht in Niederbayern, nicht im Freistaat und nicht in dieser Republik!?

Während die Gegenkundgebung lief, nahm die Zahl der Neonazis, die sich vor dem Bahnhof versammelten, immer weiter zu. Nach und nach erreichten auch die letzten Rechtsextremen den Landshuter Bahnhof. Bevor sie jedoch zu ihren ?Kameraden? konnten, sahen sich die Teilnehmer/innen der rechten Versammlung allesamt mit lobenswert akkuraten Kontrollen konfrontiert. Sehr akribisch überprüften die Polizeibeamten bereits im Vorfeld, ob die Neonazis verbotene Gegenstände mit sich führten. Erst nachdem die Kontrollen abgeschlossen waren, durften sie sich der rechtsextremen Veranstaltung anschließen.

Diese nahm schließlich etwas nach 13 Uhr mit einer Kundgebung am Bahnhof ihren Anfang. Gleich der erste Redner, der Vorsitzende der NPD-Regensburg und Kopf der Kameradschaft ?Widerstand Regensburg Cham?, Robin Siener, erlaubte sich Ungeheuerliches: Unmittelbar nach der Gedenkfeier für die Opfer der rechtsextremer Anschläge verlas Siener die Namen von Personen, die angeblich Opfer ?deutschfeindlicher Taten? geworden seien. Dass es sich dabei aber oft schlicht um Beziehungstaten handelte, ignorierte der Neonazi, der offenkundig Probleme mit dem Aussprechen der Namen hatte, allerdings geflissentlich.

Den Gipfel dieser Verhöhnung aller Opfer des rechten Terrors bildete dann eine von den Neonazis abgehaltene Schweigeminute für die angeblichen Opfer ?deutschfeindlicher Taten?. Erst nach dieser Minute setzten sich die Neonazis vom Bahnhof aus in Bewegung. Mit Transparenten wie ?Die deutsche Linke ist volksfeindlich? oder ?Anti-Antifa? zogen die Rechten über die Bahnhofsstraße in Richtung Mainburger-Brücke, wo der Zug bereits zum ersten Mal stoppte.

Mehrere Gegendemonstrant/innen hatten sich auf die Brücke gestellt, um den rechtsextremen Aufzug zu blockieren. Doch noch ohne Erfolg: Die Polizeikräfte hatten die Gegendemonstrant/innen umstellt und soweit zurückgedrängt, dass die Neonazis vorerst weiter marschieren konnten. Kurzzeitig wirkte die Situation brenzlig, Neonazis und Gegendemonstrant/innen kamen sich auf der Mainburger-Brücke sehr nahe, die Lage wirkte angespannt.

Von der Brücke aus zogen die Rechtsextremen weiter in Richtung der Seligenthaler Straße, wo der Zug abermals von engagierten Neonazi-Gegner/innen vorübergehend gestoppt wurde. Zunächst hatte sich nur eine kleine Gruppe von Personen auf die Straße gesetzt, um ein Zeichen gegen Neonazi-Aufmärsche zu setzen, doch nach und nach wurde es immer mehr Menschen. Die Polizeikräften reagierten von Anfang an besonnen und ließen die Sitzblockaden bestehen. Nachdem die ganze Straße vollständig blockiert worden war, schien zunächst schon das Ende für die Neonazis erreicht zu sein, doch die Polizei entschied sich dazu, den rechtsextremen Zug einfach umzuleiten, obwohl viele auf eine Auflösung des Aufmarsches gehofft hatten.

Unter massivem Polizeischutz wendeten die Neonazis und bogen etwas weiter vorne in die Ludmillerstraße ein, in der ebenfalls schon Gegendemonstranten warteten. Allerdings weit vom dem Zug der Nazis entfernt und getrennt durch eine Polizeikette. Ein Durchkommen war nicht möglich. Derweilen marschierten die Rechtsextremisten um Martin Wiese durch die Renatastraße hin zum John.-F.-Kennedy-Platz für eine Zwischenkundgebung, die auch von massiven Protesten begleitet war. Bis auf eine Straße konnten die engagierten Landshuter alle Straßen blockieren und somit auch die Route, die zum eigentlichen Kundgebungsort der Neonazis, dem Bismarckplatz, führen sollte dicht machen.

Im Verlauf der rechten Zwischenkundgebung drohte die Lage schließlich zu eskalieren. Als die Neonazis von einigen Demonstrant/innen mit Tomaten beworfen worden waren, warfen die Rechtsextremen Tomaten zurück und versuchten, aus der Polizeikette auszubrechen. Nur durch ein schnelles und kontrolliertes Eingreifen der Beamten gelang es, die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen. Die ganze Zeit über war den Polizisten die Anspannung sichtlich anzumerken, weitere Eskalation waren zum damaligen Zeitpunkt nicht auszuschließen.

Für die Neonazis, die überwiegend aus der Kameradschaftsszene stammten, ging es durch Johannisstraße über die Rennstraße zur Luitpoldstraße, an der eine weitere Zwischenkundgebung folgte. Auch hier brachten die Landshuter wieder sehr deutlich zum Ausdruck, dass die Rechtsextremisten in ihrer Stadt nicht erwünscht sind. Immer wieder gelangen ihnen lautstarke Zwischenrufe wie ?Nazis raus!?, die vorrübergehend dafür sorgten, dass von der Kundgebung der Rechten nichts mehr zu hören war.

Danach zogen die Neonazis über die Luitpoldstraße zurück zum Bahnhof, wo die Veranstaltung gegen 17 Uhr nach einer weiteren Kundgebung endlich ihr Ende nehmen sollte. Bei der letzten Kundgebung sprach der Neonazi Daniel Weigl, Bezirksvorsitzender der NPD-Oberpfalz, Kopf der Kameradschaft ?Widerstand Schwandorf? und Betreiber des in Wackersdorf ansässigen rechtsextremistischen ?Final-Resistance-Versands?.

Weigl forderte die Anwesenden Neonazis dann dazu auf, ?den Weg in die gesellschaftlichen Kreise hinein zu bestreiten?, wie die Rechtsextremisten Weigl im Nachhinein auf ihren Internetseiten zitierten. Im Anschluss an die letzte Kundgebung wurde die Veranstaltung offiziell für beendet erklärt. Die Zwischenkundgebung wurde ebenso wie die Abreise der Nazis noch von Protesten begleitet.

Insgesamt zog die Polizei aber ein weitestgehend positives Fazit. Zwar sei ein Polizist angegriffen und leicht verletzt worden und insgesamt vier Personen verhaftet worden, ansonsten bezeichnete Polizeisprecher Kai Kreilinger den Verlauf aber ?aus polizeilicher Sicht? als ?hervorragend?.

Doch nachdem die Demonstration offiziell beendet worden war, war der Rechte Spuk in Landshut noch nicht vollständig vorbei. Am Abend marschierten etwa 50 Neonazis bei einer Spontandemonstration unter dem Motto ?Gegen Polizeigewalt? durch die Stadt, wie Bilder auf Neonazi-Homepages eindeutig belegen. Außerdem berichtete die vom Freistaat Bayern betreute Internetseite ?Bayern gegen Rechtsextremismus? ebenfalls über diese Spontandemonstration, die wohl von Martin Wiese der Polizei ?angekündigt? worden sein soll.

Hintergrund des rechtsextremen Aufmarsches am Nachmittag waren wohl Vorgänge rund um eine Flugblattverteilung durch den Rechtsterroristen Martin Wiese. Wiese, der bereits im Jahre 2003 wegen eines geplanten Sprengstoffattentats auf die Grundsteinlegung des Jüdischen Kulturzentrums in München zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, soll am 21. Februar Flugblätter verteilt haben, die die ?Mitglieder und Aktivitäten des ?Runden Tisch gegen Rechts? diskreditiert? haben, woraufhin die Flugblätter beschlagnahmt worden sind und eine Anzeige wegen Volksverhetzung und Beleidigung gegen die ?Verteiler? aufgenommen wurde. Nur einen Tag später forderte Martin Wiese die Aushändigung der Flugblätter durch die Polizei, was diese jedoch ablehnte. Daraufhin veranstalteten mehrere Neonazis eine Spontandemonstration ?gegen staatliche Repression?, bei der auch der Aufmarsch am 25. Februar ?angekündigt? wurde.

Obwohl die Neonazis ihre Veranstaltung am Ende trotz zahlreicher Blockaden durchführen konnten, geht dennoch Landshut ganz klar als Gewinner hervor. Zum einen, weil die Route der Neonazis zumindest verkürzt werden konnte und zum anderen, weil es gelang, mit einem breitgefächerten Protest ein sehr eindeutiges Zeichen gegen Neonazis in der niederbayerischen Stadt zu setzen. Dass dafür rund 2000 Menschen gekommen waren, ist beeindruckend und verdient allemal Respekt.

Weiterlesen

20130125_dresden_a

Dresdner Verhältnisse Zum Skandalprozess um Tim H.

Schon das erste Urteil gegen Tim H. hat für einen Aufschrei der Empörung gesorgt: Fast zwei Jahre Haft ohne Bewährung lautete das Urteil dafür, dass er bei einer Nazi-Demo in Dresden angeblich zum Durchbrechen einer Polizeiblockade aufgerufen haben soll. Konkrete Beweise dafür gab es indes nicht. Nun hat die Staatsanwaltschaft noch einmal nachgelegt: Sie will ein härteres Urteil. Welches Signal sendet das eigentlich aus?

Von|
Eine Plattform der