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Neonazi–Frauen in Sozialen Medien. Eine Annäherung

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Niedlich und gewalttätig: So präsentiert sich die Facebook-Gruppe "Just Nationalist Girls". "Schön" in der Kommentarspalte: Von Männer der Szene kommt gleich einmal Sexismus als Kommentar. (Quelle: Screenshot 29.07.2015)

Eines der zentralen Ergebnisse der Recherche ist, dass in den Sozialen Netzwerken viele Frauen aktiv sind, die sich rechtsextrem verorten und ihren Wohnort in Mecklenburg-Vorpommern angeben. Was mit der zunächst unspezifischen Angabe »viele« gemeint ist, soll im Folgenden geklärt werden. Vergleichbar mit den Aktivitäten rechtsextremer Frauen im öffentlichen Raum wird auch für den Online Bereich sehr häufig davon ausgegangen, dass Frauen im Rechtsextremismus eine nachrangige Rolle spielen und von daher vernachlässigbar sind. Diese Position lässt sich mit dem hier vorliegenden Rechercheergebnis hinterfragen und widerlegen. Rechtsextreme Frauen sind in allen Bereichen moderner Medien aktiv und bringen offen oder subtil ihre Ideologie ein. Sie übernehmen online die Rolle der Wortführerin, der Unterstützerin und versuchen Personen anzusprechen, die bislang nicht ihre Meinungen teilen. Viele Frauen, die angeben, in Mecklenburg-Vorpommern zu wohnen, haben die NPD geliked oder sind durch entsprechende Verlinkungen als rechtsextrem erkennbar. Wenn man sich die Profile dieser Frauen anschaut, fällt auf, dass sie auf den ersten Blick oft unverdächtige Themen bedienen und z.B. Kinderfotos, Kochideen und Party-Bilder posten. Auf den zweiten Blick wird deutlich: Es bestehen Verbindungen zur NPD, zu einschlägigen Nazi-Bands, zu Homepages und Gruppen wie »Gegen Asylmissbrauch« und »Arbeit statt Asylanten! – Nein zur Aufnahme von Asylbewerbern in Franzburg!«. Viele dieser Frauen sind bei Facebook sehr aktiv, meist unverdeckt. So »liken« oder »teilen« sie Statusmeldungen von einschlägigen Neonazis, der NPD und Rassismus in Hetzgruppen.

Viele der offen auftretenden neonazistischen Frauen sind offline oder im so genannten »realen« Leben bisher nicht als Neonazifrauen bekannt. Dies lässt vermuten, dass es eine Reihe rechtsextremer Frauen gibt, die explizit online ihr Betätigungsfeld suchen, hier die Neonazi-Szene unterstützen und deren menschenverachtende Ideologie über das Web verbreiten. Dass es kaum Aufmerksamkeit hierfür gibt und die rechtsextremen Aktivitäten dieser Frauen unbeachtet bleiben, ist gefährlich: Werden die Aktivitäten rechtsextremer Frauen übersehen, so kann das Vorgehen rechtsextremer Gruppierungen insgesamt unerkannt bleiben. Auch für den Online Bereich gilt: Es ist notwendig, genau hinzusehen, aufmerksam zu sein und rassistische, antisemitische Äußerungen von Frauen wahr und ernst zu nehmen. Rechtsextreme lassen sich heute nicht mehr ohne Weiteres am äußeren Erscheinungsbild mit ihrer Ideologie erkennen. Das gilt auch für das Internet: Waren Neonazis zuweilen an ihren Tä-towierungen auf dem Profilbild, dem NPD-Logo als Hintergrundfoto oder durch eine zum Gruß erhobene rechte Hand zu erkennen, geschieht dies heute meist verdeckter. Insbesondere rechtsextreme Frauen gehen häufig sehr strategisch vor, um nicht als Neonazis erkannt zu werden – und werden auf diese Weise übersehen.

Themenvielfalt – auch online

Rechtsextreme Frauen und Männer besetzen online eine Vielzahl von Themen und hetzen aus ihrer Perspektive gegen Demokratie, Einwanderung und Geschlechtergerechtigkeit. Sie äußern sich online zu allen Bereichen, dennoch gibt es Themen, die besonders häufig aufgegriffen werden. Dazu zählen die Themen Kindererziehung und »Zukunft der Familie«. Es geht sehr oft um die Frage, wie sichergestellt werden kann, dass die eigenen Kinder das Weltbild vertreten, das ihnen zu Hause vorgelebt wird. Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher werden als Feinde wahrgenommen, die für die Vermittlung von Demokratie verantwortlich sind. Die Diskussionen, in denen sich Neonazi-Mütter über Kindererziehung austauschen, sind nicht harmlos. Häufig geht es um einen »Schutz der Kinder« vor einem so genannten »Multikulti-Wahn« demokratischer Politik. Bei dem Thema »Systemkritik« an den »bösen Demokraten«, das in vielen Posts von Neonazi-Frauen erkennbar ist, geht es nicht nur um Kindererziehung. Doch dienen Erziehungsfragen häufig als vermittelndes Moment, um die neonazistische Haltung unterschwellig zu platzieren. Auch wenn es beispielsweise um gesunde Ernährung geht, können Rezepte über deutsche Küche verbunden sein mit revisionistischen Vorstellungen.

In Fragen über Erziehungsstile tauchen Vorstellungen aus dem Nationalsozialismus auf. Es werden auf Ratgeber aus dieser Zeit verwiesen oder rassistische und antisemitische Kinderbücher empfohlen. Häufig wird in diesem Zusammenhang über das Thema sexueller Missbrauch debattiert und deutlich agitiert. Gerade online hetzen viele Neonazi-Frauen gegen Täter sexuellen Missbrauchs. Sie verlassen hierbei rechtsstaatliche Standards, die Forderung »Todesstrafe gegen Kinderschänder« erhält sehr schnell breite Zustimmung. Neonazi-Frauen mobilisieren online häufig auch gegen Flüchtlingsunterkünfte, Einwanderung oder Moscheebauten. Die Hetze gegen Flüchtlinge oder Personen mit Migrationsgeschichte ist von rassistischen Bildern begleitet, die nicht selten bis weit in verschiedene Teile der Gesellschaft hinein sehr anschlussfähig sind. In diesem Zusammenhang wird die Ideologie der »Volksgemeinschaft« vermittelt, u.a. werden kinderreiche »deutsche« Familien gelobt. Mit rassistischen und frauenfeindlichen Stereotypen wird vor einer »Islamisierung Europas« gewarnt.

Nicht zuletzt ist auch online der Antisemitismus ein wichtiges Thema für rechtsextreme Frauen. Antisemitismus ist eines der zentralen Ideologieelemente im Rechtsextremismus. Er wird auch von weiblichen Userinnen aus Mecklenburg-Vorpommern vertreten: So freut sich z.B. die Userin Julia W. über das Infragestellen des Existenzrechts Israels, das im Kontext eines Pop-Konzertes in Israel diskutiert wird. Antje Mentzel Karnatz, im Landesvorstand des Ring Nationaler Frauen, zeigt auf ihrer Facebook-Seite u.a. gewaltverherrlichende Bilder und ruft dazu auf, gegen Jüdinnen und Juden aktiv zu werden: Zu einem Foto, das eine große Demonstration von Jüdinnen und Juden in New York zeigt, schreibt sie: »Das hätte man mal früher wissen müssen … alle auf einem Fleck … was meint ihr was man da alles hätte anstellen können. Huiuiui«

Rechtsextreme Hetze von Frauen online

Oft sind es neonazistisch geschulte Frauen, die in Facebook den Verlauf von Diskussionen rassistisch aufladen und verstärken, legitimiert durch die eigene Mutterschaft und die »Sorge« um die eigenen Kinder. So steht folgende Aussage auf einem Bild, das eine Userin eingestellt hat: »Verletze mein Kind … und ich lasse deinen Tod … wie einen Unfall aussehen«. Die Aussage wird positiv kommentiert, 27 Freunden gefällt das Bild, darunter vielen anderen Frauen. Rechtsextreme Frauen hetzen online offen rassistisch. »Keiner mag die schwarzen«– eine Neonazi-Frau postet ein Foto einer halb leeren Schokoladenkuss-Packung, bei der offensichtlich die Bitterschokoladen-Schokoküsse übrig geblieben sind. Ihr Freund »Benji K.« kommentiert darauf ironisch: »Neger sind geil«, was von Anne R. (die ein sehr harmlos aussendendes Profil mit Blumenfotos und Hundebildern hat, sich für eine Robbe einsetzt und eine sehr bunte Mischung an Popbands inklusive Frei.Wild, aber auch Culcha Candela mag) mit »Jeder sollte einen haben« kommentiert wird. Steffi K. gibt Anne Recht. Jan G. sagt: »Nee schwarze nee lass ma«. Der Thread endet mit Steffi K’ s Kommentar: »Ihr schubst auch kleine negerkinder vom fahrrad und riecht am sattel«. Der Gebrauch des N-Wortes weist bereits auf eine rassistische Weltanschauung hin, die Likes und die Freundeslisten dieser Frauen bestätigen ihre Bezüge in die neonazistische Szene.

Frauen werden online später erkannt und gestoppt

Auch online werden Frauen oft später als männliche Neonazis erkannt und seltener in ihrer Agitation gestoppt. Wenn man sich Diskussionen zu unterschiedlichen Themen ansieht, fällt auf, dass Neonazi-Frauen online oft sehr viel länger mitdiskutieren als es männlichen Neonazis möglich ist. Neonazi-Frauen hetzen oft eher subtil, verwenden weniger eindeutige Schlagworte und sind häufiger in Diskussionen zu finden, bei denen die anderen Userinnen und User in der Diskussion politisch noch nicht so gefestigt sind. Gerade bei Themen zu Erziehung, Haushalt, Rezepten und Familie werden die Frauen geduldet oder gar in ihrer Argumentation unterstützt. Wenn darauf hingewiesen wird, dass es sich um Neonazis handelt, kommt nicht selten der Kommentar: »Lasst die arme Mutter doch, sie weiß doch gar nicht, was sie dort schreibt«. Diese Haltungen werden strategisch genutzt. Es ist davon auszugehen, dass Neonazi-Frauen genau deshalb online besonders aktiv sind und sich so für die Szene einsetzen.

 

Handlungsempfehlungen:

Was können Aktive im Internet gegen rechtsextreme Propaganda in sozialen Medien tun?

? Hetze und Hatespeech sollte grundsätzlich nicht unwidersprochen bleiben. Es gilt hier für alle, sich eindeutig zu positionieren. Schweigen und unkommentiert belassen kann schnell als Zustimmung interpretiert werden.

? In weniger eindeutigen Fällen kann es sinnvoll sein nachzufragen z.B.: »Wussten Sie eigentlich, dass das rassistisch ist?« oder »Bereits die Forderung nach Todesstrafe entspricht nicht unserem demokratischen Konsens«.

? Sinnvoll ist auch, Rechtsextreme für alle anderen Mitleserinnen und Mitlesern zu rügen: »Das ist rassistisch, belästigen Sie mich nicht damit! Das passt nicht in dieses Forum« und auf die AGBs hinzuweisen.

? Wichtig ist es, ruhig und sachlich auf rechtsextreme Äußerungen zu reagieren und sich nicht zu Beleidigungen o.ä. hinreißen zu lassen.

? Soziale Medien wie beispielsweise Facebook sind dazu verpflichtet, diskriminierende Äußerungen, Bilder und ähnliches zu löschen. Nehmen Sie diese Möglichkeit wahr und weisen Sie die Betreiberinnen und Betreiber von Internetseiten auf solche Inhalte hin, damit diese entfernt werden können!

 

Dieser Text ist ein Auszug aus der Broschüre:

Frauen und Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern.

Eine Broschüre des Vereins „Lola für Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern e.V.“ im Auftrag des Landesfrauenrates M-V e.V.in Kooperation mit der Amadeu Antonio Stiftung.2015

 

Die Broschüre gibt es hier als pdf zum Download.Eine Printversion können Sie hier bei der Amadeu Antonio Stiftung bestellen.

 

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