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Neonazis in Schleswig-Holstein Demonstrieren vor der Landtagswahl

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Interview: Antonia Oettingen

Hat sich seit dem Bekanntwerden der Zwickauer Terrorzelle auf Seiten der Neonazis/Zivilgesellschaft/Polizei etwas verändert?
Polizei und Zivilgesellschaft sind aufmerksamer und sensibler für das Thema Rechtsextremismus geworden. Es gibt eine tendenziell steigende Fallzahl, die auf diese Sensibilisierung zurück zu führen ist. Die Leute sehen verstärkt hin und wenden sich schneller an die Beratungsstelle. Dies ist unser persönlicher Eindruck, muss sich also nicht in den Statistiken widerspiegeln. Bei den Behörden, also auch der Polizei, merkt man das Rechtsextremismus in der eigenen Arbeit stärker behandelt wird. Sie wenden sich öfter an uns, sind aktiver. Ihr Interesse für das Thema hat sich eindeutig verstärkt. Bei den Rechtsextremen macht sich eine ?Jetzt erst Recht?-Haltung bemerkbar. Zwei rechtsextreme Gruppierungen in Schleswig-Holstein beteiligten sich an der Kampagne ?Wir sind keine Terroristen? im Internet. In Leck wurde eine Demo gegen einen verurteilten Sexualstraftäter veranstaltet. Man vermutet, dass Rechtsextreme die Organisatoren waren. Außerdem gab es in Ratzeburg zum Jahreswechsel eine Auseinandersetzung zwischen Polizei und Neonazis, worauf der Bürgermeister sich involvierte. Wenig später waren gegen den Bürgermeister gerichtete Todesdrohungen an Wänden in der Stadt zu sehen. Die von den Rechtsextremen ausgehende Stimmung hat sich also aufgeheizt.

Trauermarsch Lübeck 2012: NPD klagt gegen das Demonstrationsverbot. Wie schätzen Sie die Erfolgschancen ein?
Ich vermute, dass das Gericht das Verbot letztendlich aufheben wird. Es sei denn das Gericht erkennt die Sorge um die öffentliche Sicherheit letztendlich an.
Landtagswahl 2012: Wie sieht es mit dem Erfolg der NPD bei den Landtagswahlen dieses Jahr aus? Rechnet man mit mehr Stimmen als 2009?
Ich nehme an, dass die Wahlergebnisse unverändert zur letzten Landtagswahl 2009 bleiben. Was letztlich als Erfolg zu werten ist, denn das bedeutet weiterhin kein Sitz für die NPD im Landtag. Ich weiss auch von Regionen im Norden von Schleswig-Holstein, in denen die NPD gar nicht kandidiert. Das ist auch als Nachteil für die Partei zu werten. Es bleibt abzuwarten, ob die sogenannten Protestwähler der NPD weiterhin ihre Stimme schenken werden oder ob die Berichte über die Zwickauer Terrorzelle sie abgeschreckt haben. Auf der anderen Seite könnte es auch einen ?Jetzt erst recht?-Effekt bei den Wählerinnen und Wählern hervorrufen.

Wie tritt die NPD vor der Wahl auf?
Die NPD wird mithilfe altmodischer Mittel ihren Wahlkampf gestalten: Sie werden mit Lautsprecherwagen ihre Parolen verbreiten. Es wird sich zeigen, ob man dagegen vorgehen kann. Eventuell kann man Auflagen bei der Lautstärke machen und die Wägen in der Nähe von Spielplätzen oder Altersheimen verbieten. Außerdem sind sie bei der Demo in Neumünster und inoffiziell auch in Lübeck präsent. Wahlkampfstände sind in Städten wie Kiel schon aufgebaut.
Ist der Zusammenhalt von NPD und freien Kameradschaften weiterhin stark?
Von den Webseiten zu schließen ist der Zusammenhalt nicht mehr so stark wie bisher. In den Foren laufen Debatten. Wir beobachten, dass sich ?Freien Kameradschaften? von der NPD abgrenzen. Vor allen Dingen der Führungswechsel innerhalb der Bundes-NPD, von Udo Voigt zu Holger Apfel, wird heftig kritisiert. Man kann allerdings nicht von einzelnen Internetartikeln auf die gesamte rechtsextreme Szene in Schleswig Holstein schließen.

Ist die rechtsextreme Kneipe ?Titanic? in Neumünster weiterhin wichtiger Treffpunkt der Szene? Gibt es neue Treffpunkte?
?Titanic? ist weiterhin ein wichtiger Treffpunkt der Szene. Sie wird nicht nur von Rechtsextremen besucht, sondern mitunter auch von den ?Bandidos?. Da finden Überschneidungen statt. Dort finden große Feiern statt. Ein anderer von Neonazis frequentierter Platz ist der ?Club 88? in Neumünster. Der Club geriet erneut in die Öffentlichkeit, nachdem ein sich als amerikanischer Interessent ausgebender Journalist dort mit dem Geschäftsführer unterhielt und dieser ihn auch mit ?Heil Hilter? begrüßte. Das hat die Debatte um ein eventuelles Verbot erneut angeheizt.

Sind die rechtsextremen Szenen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern vernetzt?
Die Szene im süd-östlichen Schleswig-Holstein und westlichen Mecklenburg-Vorpommern ist weiterhin stark vernetzt.

Im letzten jahr wurde der Fahll einer Rechtsextremen bekannt, die in Bredstedt als Lehrerin arbeitete. Ist das ein Einzelfall?
Es ist ein weiterer Fall bekannt: Eine rechtsextreme Frau, die in einem Wohlfahrtsverband arbeitet. Sie hat aber ihre Gesinnung, so weit ich weiss, in der Arbeit nicht nach außen getragen. Ansonsten sind keine weiteren Fälle bakannt.

Sind für den 1. Mai rechtsextreme Demonstrationen in Schleswig-Holstein geplant?
Da zieht es die Neonazis nach Neumünster. Bei der bisher genehmigten Demo werden in etwa 300 Neonazis erwartet.

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

| Jahresrückblick 2011 – Schleswig-Holstein: Legitimationsstrategie im Landtagswahlkampf

Mehr im Internet:

Aktuelle Infos zum Nazi-Aufmarsch am 31.03.2012 und Gegendemonstrationen:
| www.wirkoennensiestoppen.de

| Nazispuk in Lübeck? (mut-gegen-rechte-gewalt.de)

| Nazi-Präsenz in Schleswig-Holstein: Massiv und flächendeckend (mut-gegen-rechte-gewalt.de)

| Beratungsnetzwerk Rechtsextremismus Schleswig-Holstein

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