Thomas Weber von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus bei Miteinander e.V. in Sachsen-Anhalt beantwortet diese Frage häufig, wenn er an Schulen Workhops und Seminare zu rechtsextremer Musik und Jugendkulturen macht.
Thomas Weber: Die NPD will mit ihren jüngsten Aktionen und Kampagnen Jugendliche und junge Erwachsene gewinnen. Darin liegt einer der Gründe, weshalb überdurchschnittlich viele Jung- und Erstwähler einer rechtsextremen Partei bei Wahlen ihre Stimme geben. Mit kostenlosen CDs warb die NPD erstmals 2001 bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und verstärkt ab 2004. Auf den CDs finden sich Songs von extrem rechten Bands und Liedermachern aus Deutschland. Strafrechtlich relevant sind die von der NPD herausgegebenen, so genannten Schulhof-CDs allerdings nicht. Sie sind also nicht verboten. Als Pädagogen und Pädagoginnen können Sie aber ihre Verteilung auf dem Schulhof untersagen. Um Ihr Hausrecht durchzusetzen und die Verteiler der CDs vom Schulgelände zu verweisen, sollten Sie die Polizei zur Hilfe holen. Eine Verteilaktion außerhalb des Schulgeländes ist jedoch zulässig ? sofern keine weiteren Straftatbestände vorliegen.
Das Hausrecht nutzen
Deshalb können trotz Hausverbots für die Neonazis Schulhof-CDs unter den Schüler herum gereicht werden. Außerdem verteilen NPD und deren Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) eigene Schülerzeitungen. Diese sind zwar deutlich schlechter gemacht als die CDs, haben aber auch ihre Wirkung. Als Adressaten der CDs und Schülerzeitungen nennt die NPD ideologisch noch nicht gefestigte Schüler und Schülerinnen. Sollten an Ihrer Schule diese extrem rechten Medien auftauchen, empfiehlt sich, die in den Liedtexten und Artikeln vorgebrachten politischen Positionen der Partei offensiv aufzugreifen und fächerübergreifend zu thematisieren.
Der Erfolg der Schulhof-CD begründet sich nicht nur in der Wahl eines jugendgerechten Mediums, sondern auch in ihren gesellschaftlich relevanten Themen: Arbeitslosigkeit, Globalisierung, Abwanderung und Geschichtspolitik. Eine Materialsammlung zur inhaltlichen Bearbeitung der CD inklusive Songtexte und Interpretationsangeboten haben die Vereine Argumente & Kultur gegen Rechts aus Bielefeld und Miteinander e.V. in Sachsen-Anhalt herausgegeben.
Themen diskutieren
In der Mehrzahl folgen die Liedtexte und Artikel demselben Muster. Meistens werden aktuelle gesellschaftliche Probleme zunächst schematisch angerissen, Dabei kann es um Armut im Allgemeinen, um Kinderarmut oder Arbeitslosigkeit gehen, aber zunehmend greift die extreme Rechte auch scheinbar ungewöhnlichere Themen wie Umweltzerstörung und die Bedrohung des Friedens durch kriegerische Auseinandersetzungen auf. Im Refrain des Liedes oder im weiteren Verlauf des Artikels folgen dann einfache Lösungsangebote, die meistens mit gängigen rechtsextremen Parolen wie „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ untersetzt werden.
Es ist wichtig, bei einer inhaltlichen Auseinandersetzung einerseits das Gesellschaftsbild der Neonazis und andererseits die weit reichenden Folgen dieser rechtsextremen Politikentwürfe herauszuarbeiten. Moderne Gesellschaften zeichnen sich durch einen hohen Grad an Komplexität aus; gesellschaftliche Entwicklungen lassen sich nicht auf eine einzige Ursache reduzieren, geschweige denn mit einfachen politischen Richtungsänderungen korrigieren.
Gemeinsam vorgehen
Aber egal, ob es um die inhaltliche Auseinandersetzung oder die Durchsetzung des Hausrechts gegenüber rechtsextremen Verteilern von CDs und Schülerzeitungen geht: Es ist in jedem Fall hilfreich, sich im Lehrerkollegium, mit der Schulleitung sowie nach Möglichkeit auch mit der Schülervertretung abzusprechen und allen Beteiligten das Vorgehen transparent zu machen.
Verhindern lässt es sich jedoch nicht, dass Jugendliche mit Rechtsrock oder Zeitschriften der extremen Rechten in Berührung kommen, auch wenn diese nicht von den Szeneangehörigen im Umfeld ihrer Schule verteilt werden. Die drei legalen Auflagen der Schulhof-CD lassen sich samt Cover und Liedtexten auf den Webseiten der NPD kostenfrei herunterladen. Die Verbreitung rechtsextremer Musik, dem zentralen Identifikationsangebot der Rechten für die modernen Jugendkulturen, geht weit über die Verkaufszahlen der gepressten CDs hinaus. Durch selbst gebrannte CDs sowie MP3-Tauschbörsen finden Kinder und Jugendliche nahezu problemlos Zugang zu dieser Musik. Die Indizierung von Tonträgern sowie die strafrechtliche Verfolgung von neonazistischen Musikern und Labelbetreibern stößt hier an ihre Grenzen.
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Weblinks
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