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Neue Broschüre „Digital Streetwork“

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Ausschnitt aus dem Titelbild der neuen Broschüre ""Digital Streetwork - Pädagogische Interventionen im Web 2.0" des Projektes debate // der Amadeu Antonio Stiftung (Quelle: Debate//)

 

 

Facebook, Instagram, Twitter, WhatsApp, … Soziale Medien sind ein wesentlicher Bestandteil der Lebenswelt von Jugendlichen. Hier verbringen sie tagtäglich oft viele Stunden, pflegen ihre sozialen Kontakte, tauschen sich mit anderen über die für sie wesentlichen Dinge aus, versorgen sich mit Information. Soziale Medien sind daher auch ein ganz wesentlicher Raum, in dem junge Menschen politische Meinungen ausbilden, festigen und an Gleichaltrige weitergeben. Für die politische Bildung und die soziale Arbeit mit ihrem lebensweltorientierten Ansatz sind digitale Lebenswelten heute daher ein zentraler Ort, um Jugendliche zu erreichen. Soziale Arbeit ist auch Demokratiearbeit. Dazu gehört der präventive Umgang mit Abwertung und Diskriminierung, hin zu mehr Pluralität und Gleichwertigkeit.

Eine wesentliche Aufgabe der demokratiebildenden Arbeit ist es, die Debattenkultur von Jugendlichen im demokratiefördernden Sinne zu begleiten. Dabei gilt es nicht nur, Jugendlichen zu befähigen, sondern auch, sie stärker in die Medienbildungsarbeit einbeziehen. Bislang geschieht das, wenn, dann eher über technisch-orientierte Zugänge, jedoch weniger mit Blick auf die demokratiefördernden oder eben Hass und Hetze verbreitenden Inhalte des Internets und von Sozialen Medien. Rechtsextremismus und Rechtspopulismus sind im Netz schon länger und leider auch erfolgreich aktiv, wie jüngst noch einmal eindrucksvoll die Studie des Londoner Institute for Strategic Dialogue belegt, die den Versuch rechtsextremer Netzwerker nachzeichnet, mit Desinformation und Hass-Kampagnen Einfluss auf die Bundestagswahlen 2017 zu nehmen. Das, was im Netz an Stimmungen gemacht und vorbereitet wird, schwappt dann ebenfalls ins analoge Leben, dies ließ sich beispielsweise bei Pegida und ihren Ablegern belegen. Zunehmend lässt sich aber auch eine subtilere Einflussnahme der Neuen Rechten beobachten, die über Internetseiten, die auf den ersten Blick harmlos wirken – beispielweise zu Umwelt- und Tierschutz-Themen oder über vegane Food-Blogs –, unbedarfte User anzieht und ihnen dann über catchy Begriffe wie Identität, Widerstand und Rückeroberung eine rechtsextreme Ideologie zuspielt.

Die Prävention von Rechtsextremismus ist in Deutschland seit 20 Jahren aktiv und hat in der Zeit diverse gute Ansätze entwickelt. Es ist dringend notwendig, den sich verändernden Lebenswirklichkeiten von Jugendlichen – und übrigens auch von Erwachsenen – Rechnung zu tragen und diese Ansätze auf den digitalen Raum zu erweitern. Zu solchen erfolgreichen Zugängen gehören zum Beispiel jugendkulturell arbeite Projekte der schulischen und außerschulischen Jugendarbeit, in denen Vertreter*innen von subkulturellen Strömungen (z.B. aus dem Hip Hop, Electro, Streetstyle oder Poetry Slam) Jugendliche dabei begleiten, sich kreativ mit Rassismus auseinanderzusetzen.

Aus der Forschung über Meinungsbildungsprozesse und die Umsetzung von Einstellungen in Verhalten ist bekannt, wie bedeutend wichtige Bezugspersonen sind, denn sie prägen dann auch die eigenen Meinungen. Für Jugendliche sind diese Personen neben Eltern, Großeltern, Lehrer*innen, Trainer*innen im Sportverein usw. vor allem Peers und auch etwas ältere junge Mentor*innen, die z.B. Jugendfreizeitgruppen anleiten. In den sozialen Medien können solche wichtigen Bezugspersonen als »Freundesgruppe« und Influencer auftreten.

Die Forschung verweist zudem auf die Rolle angenommener sozialer Normen, die die Einstellungen beeinflussen. Das macht die Herausbildung einer wertschätzenden Kommunikationskultur und von nicht-rassistischen Normen auch in den sozialen Medien so zentral. Sie setzen Standards, an denen sich dann die einzelnen User orientieren – nicht alle, aber viele.

Außerdem wissen wir aus der Forschung zum zivilcouragierten Verhalten in der analogen Welt, wie wichtig die direkte Ansprache von sogenannten Bystandern ist. Bystander – und das sind in der Regel viele – bleiben im Hintergrund, verhalten sich eher passiv, weil sie unsicher sind, wie sie einen Vorfall bewerten sollen, wie sie sich verhalten sollen; sie trauen sich auch manchmal nicht einzugreifen oder denken, es sei am besten, die Sache »wegzuignorieren«. Sie schauen bei einem Vorfall aber, wie die anderen sich verhalten, um sich dann ein Bild von der Sache zu machen – und beeinflussen mit ihrem Nicht-Verhalten wiederum andere Bystander. Zivilcourage- und Anti-Mobbing-Trainings sprechen daher ganz gezielt auch Bystander an, die ebenfalls die primäre Zielgruppe von Counter Speech in den sozialen Netzwerken sind.

Schließlich arbeiten Projekte im Rahmen mobiler Jugendarbeit und Einzelfallhilfen in der analogen Welt und jetzt mit digital Streetwork auch im Web über die unmittelbare Ansprache rechtsextrem affiner Jugendlicher und bieten ihnen Beratung und Unterstützung für einen Weg aus der Szene heraus an. Hier setzt auch das Format digital Streetwork des Projektes debate// in an, das nun eine erste Testphase abgeschlossen hat. Die Prävention von online Hate Speech ist die digitale Ergänzung zu einer Praxis der analogen Präventionsarbeit gegen rechts, die in Zeiten von Hetze und Hass im Netz insbesondere durch rechtspopulistische Bewegungen mehr denn je an Bedeutung gewonnen hat. Diese Broschüre bietet Information über mögliche Ansprachen von Jugendlichen im Netz und zeigt Handlungsoptionen auf, wenn man selbst als Sozialarbeiter*in im Web 2.0 werden möchte.

 

Einleitung 

 

Präventionsarbeit in Sozialen Netzwerken umzusetzen ist ein Novum. 2014 begann unter dem Namen »nonazi.net« erstmals ein Projekt, klassische aufsuchende Soziale Arbeit – auch bekannt als »Streetwork« – in den sozialen Netzwerken zu praktizieren. Damit versuchte es nicht nur, pädagogische Perspektiven in ein aktuelles, wachsendes Medium und die Lebenswelt Jugendlicher im 21. Jahrhundert zu übertragen; es öffnete mit seinen Erfahrungen und den daraus entstehenden Fragen das professionelle Feld selbst für neue fachliche Impulse.

Die Arbeit gegen Rechtsextremismus kann auf eine lange Debatte in Deutschland zurückschauen – viele Ansätze und Methoden sind seit dem Beginn der 90er Jahre entwickelt, diskutiert und von Praktiker*innen neu eingeordnet worden. Diese Debatte um den digitalen Bereich zu erweitern und mit Praxiserfahrung zu füllen, war die Gründungsaufgabe des Projektes. Denn die Wirkung von (rechts-) extremistischen Inhalten in sozialen Netzwerken und ihre Rezeption durch Jugendliche wird bereits stark erforscht, die dazugehörigen praxisbezogenen digitalen Präventionsansätze aber kaum. Daher wurden das Projekt und seine Ansätze der digitalen Streetwork von Beginn an parallel vom Media Uselab durch Prof. Dr. Julie Woletz wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Ein Ergebnis dessen ist – nicht überraschend –, dass es noch viel Raum für innovative Formen der Rechtsextremismusprävention und deren Umsetzung im digitalen Raum gibt.

Dem Gedanken eines solchen gezielten pädagogischen Engagements zur Diskursänderung im Netz folgend, hat sich das Projekt 2016 in debate// für digitale demokratische Kultur umbenannt. Sich mit einem sozialprofessionellen Selbst diesen relevanten lebensweltlichen Raum für Jugendliche verstärkt zu erschließen und ihn auch für demokratie-stärkende Maßnahmen zu nutzen, dazu möchten wir mit unserem Projekt Praktiker*innen der Bildungs-und Sozialarbeit ermutigen. Die Publikation soll den Weg dahin bereiten. 

 

In den kommenden Tagen werden wir Auszüge aus der Broschüre auf Belltower.News veröffentlichen. 

 

Die Broschüre

Christina Dinar, Cornelia Heyken:„Digital Streetwork – Pädagogische Interventionen im Web 2.0“Hrsg.: Amadeu Antonio StiftungBerlin 2018

PDF zum Download:

http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/pressemitteilungen/digital-street-internet.pdf

 

debate// für digitale demokratische Kultur

Das Projekt debate// der Amadeu Antonio Stiftung setzt sich für die Stärkung einer digitalen demokratischen Debattenkultur ein. Debate wird dabei als der pädagogische Auftrag verstanden, präventiv gegen menschenfeindliche Inhalte im Web 2.0 vorzugehen. Ziel dessen ist es, das Klima in Online-Debatten zu einem positiven, zivilen und respektvollen Austausch hin zu verändern. Menschen sollen als User*innen befähigt und dazu ermutigt werden, demokratische Debattenkultur online umzusetzen – statt sie wegzuscrollen und somit zur/zum stillen Mitleser*in zu werden. Insbesondere dort, wo die virtuelle Öffentlichkeit bereits durch toxische, menschenfeindliche Narrative und Stimmungen besetzt worden sind, ist eine Beteiligung, die auf Demokratie, Menschenrechte und einen diskriminierungsfreien Diskurs setzt, wichtig.

Eines der Projektanliegen ist es, junge Menschen zu erreichen, die rechte Affinitäten aufweisen und sich zu geschlossenen Weltbildern hingezogen fühlen – insbesondere diese für die Demokratie zurückzugewinnen, einer weiteren Verfestigung  rechtsaffiner Einstellungen entgegenzuwirken und eine Distanzierung von entsprechenden Tendenzen zu fördern. Dazu werden sie mit der eigenen Einstellung konfrontiert und ihnen deren menschenverachtender Charakter verdeutlicht; vor allem werden sie dabei unterstützt, sich selbst zu reflektieren und ihre Bedürfnisse zu erkennen.

Ein weiteres Ziel des Projekts ist es, junge Menschen zu empowern, die sich bereits gegen rechte Affinitäten im Netz einsetzen und Hate Speech nicht unwidersprochen stehen lassen. Zu beiden Notwendigkeiten werden Konzepte erprobt und die Erkenntnisse und Erfahrungen daraus für pädagogisches Fachpersonal und Multiplikator*innen aufbereitet, um ihnen Handwerkszeug an die Hand zu geben. Damit soll zu einer demokratischen Debattenkultur und deren Etablierung im digitalen Raum beigetragen und Menschen befähigt werden, antidemokratische Haltungen zu erkennen und diesen auch mit kommunikativen Mitteln im Web begegnen zu können.

 

www.debate-dehate.com

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