„AfD in dünn besiedelten Räumen mit Überalterungsproblem stärker“
So die Zusammenfassung einer Studie von Christian Franz, Marchel Fratzscher und Alexander S. Kritikos für das Deutsche Wirtschaftsinstitut. Untersucht haben die Forscher, in welchen Umfeldern die AfD besonders stark bei der Bundestagswahl abgeschnitten haben. Dafür haben sie in Wahlkreisen untersucht, welchen Einfluss ökonomische und sozio-demographische Lebensumstände auf die Zustimmung zum Rechtspopulismus haben.
Einige Ergebnisse:
Es sind kaum Zusammenhänge zu erkennen von AfD-Wahlergebnissen mit Arbeitslosenquote, Bildung, Ausländeranteil
Hoher Zuspruch bundesweit im ländlichen, dünn besiedelten Raum
Hoher Zuspruch in Wahlkreisen mit überdurchschnittlich hohem Anteil älterer Menschen über 60 Jahre.
Hoher Zuspruch in Wahlkreisen, in denen überdurchschnittlich viele Menschen mit nichtdeutscher Staatsbürgerschaft wohnen.
Hoher Zuspruch in Wahlkreisen, wo schon zuvor Parteien am rechten Rand, wie die NPD, Zuspruch fanden (dort Akzeptanz für diese Positionen, Strukturen).
Ostdeutschland:
Hoher Zuspruch für die AfD
in Wahlkreisen mit überdurchschnittlich vielen älteren Menschen (noch viel stärker als in Westdeutschland)
in Wahlkreisen, die dünn besiedelt sind.
Westdeutschland
Hoher Zuspruch für die AfD
In Wahlkreisen mit vielen Industrie-Beschäftigten
In Wahlkreisen mit niedrigen Haushaltseinkommen
Fazit
Wesentlich für die Motivation, AfD zu wählen, scheint ein Gefühl der Perspektivlosigkeit zu sein
Das Gefühl, selbst abgehängt zu sein, erodierte das Vertrauen in die etablierten Parteien
Steigt das Jahreshaushaltseinkommen, verringert sich die Zustimmung zur AfD.
Handlungsbedarf für Wirtschafts- und Sozialpolitik: soziale Teilhabe und Entwicklung strukturell schwacher Regionen verbessern.
Öffentliche Grundversorgung (z.B. Schulen, Krankenhäuser) erhalten und absichern statt Infrastruktur abzubauen.
In strukturschwache Räume investieren, Grundversorgung ausbauen, Anreize für private Investitionen.
Die Studie: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.578543.de/18-8-3.pdf
Abstiegsängste in Deutschland
Ganz ähnlich sieht das Soziologieprofessorin Bettina Kohlrausch, die eine Studie zum Thema „Abstiegsängste in Deutschland. Ausmaß und Ursachen in Zeiten des erstarkenden Rechtspopulismus“ für die Hans-Böckler-Stiftung erstellt hat.
Einige Ergebnisse:
Obwohl die Angst vor Arbeitslosigkeit objektiv gesehen auf einem historisch niedrigen Stand ist, sind soziale Verunsicherung und soziale Ängste wichtige Treiber, die AfD zu wählen.
Entscheidend sind dafür:
Sorge um die kurzfristige und langfristige Verschlechterung der individuellen finanziellen Situation,
Sorge um den generellen Lebensstandard
Sorge vor Verschlechterungen im Arbeitskontext
So äußern etwa viele Menschen Angst um ihren sozialen Status, obwohl sie nicht um ihren Job fürchten – und tendieren dann vermehrt dazu, rechtspopulistisch zu wählen.
25 % machen sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz
39 % machen sich Sorgen um ihre finanzielle Situation
49 % machen sich Sorgen um ihre finanzielle Situation im Alter
47 % befürchten, ihren Lebensstandard nicht dauerhaft halten zu können.
Am stärksten sind die Abstiegsängste ausgeprägt bei Menschen mit geringem Einkommen.
Die Angst, den Lebensstandard nicht halten zu können, wird bis in den Mittelstand geteilt – also auch von Menschen, die nicht unmittelbar von einem sozialen Abstieg bedroht sind.
Es geht also um ein Gefühl der sozialen Verunsicherung.
Zwischen 20 und 50 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung sind von Abstiegsängsten betroffen.
Interessant: Je diffuser Abstiegsängste werden, desto mehr werden sie in höheren Gehaltsklassen geteilt. So findet die Aussage „Was mit mir passiert, wird irgendwo draußen in der Welt entschieden“ besonders viel Zustimmung in den mittleren Gehaltsgruppen (rund 38 Prozent der Befragten).
Der Aussage „Durch die Digitalisierung wird die Kontrolle und Überwachung an meinem Arbeitsplatz immer größer“ findet die größte Zustimmung durch alle Gehaltsgruppen: Wenn Digitalisierung als besonderes Problem benannt wird, geht es also auch um Angst vor einer Veränderung des Erwerbssystems und die Angst davor, dass sich dies der Einflussnahme des Einzelnen entzieht.
Gegenstrategien:
Politische Angebote zur besseren sozialen Absicherung der unteren sozialen Schichten.
Vermitteln, dass die zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen politisch gestaltbar sind.
Die Studie: https://www.boeckler.de/pdf/p_fofoe_WP_058_2018.pdf
Das Foto ist bei Pixabay unter der Lizenz CC0 Creative Commons erschienen.