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Abschiebung Nicht schwul genug für Österreich

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(Quelle: pixabay)

 

 

„Sie sind nicht homosexuell und haben daher bei Ihrer Rückkehr nach Afghanistan nichts zu befürchten.“ So das Fazit des Ablehnungsbescheids des Asylsuchenden. Homosexualität verstößt in Afghanistan gegen die islamische Rechtsprechung. Ist also illegal. Laut der Gesetzgebung der Scharia soll gleichgeschlechtlicher Sex mit der Todesstrafe bestraft werden. Seit dem Ende der Taliban-Herrschaft sind jedoch keine Fälle bekannt. LGBTQ* haben in Afghanistan keine besonderen Schutzrechte, sie müssen sich verstecken und können nicht offen leben. Im Human Rights Watch Report 2017 wird von Misshandlungen durch die Polizei gesprochen. Generell ist die Behauptung, bei der Rückkehr nach Afghanistan sei nichts zu befürchten laut taz eine “krasse Fehleinschätzung”. Afghanistan ist kein sicheres Herkunftsland und zurzeit für wirklich niemanden sicher. Taliban und IS-Kämpfer terrorisieren Städte und morden. Trotzdem werden aus Deutschland regelmäßig Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Im Juli nahm sich ein junger Afghane aus Verzweiflung nach seiner Abschiebung das Leben.

 

Die Kriterien der österreichischen Behörde sind fragwürdig. So habe der junge Mann sich aggressiv verhalten, dass sei “bei einem Homosexuellen nicht zu erwarten”. Weil Schwule das ganze Jahr CSD feiern und das immer so eine friedliche Parade ist? Eine nähere Erklärung gibt es dafür jedenfalls nicht. Dass Schwule, Lesben und Transpersonen Diskriminierungen ausgesetzt sind und sich häufig sowohl verbal als auch körperlich zur Wehr setzen müssen. sei dahingestellt. In den Augen der Behörden lässt das bisschen Diskriminierung die Community wahrscheinlich einfach noch enger zusammenwachsen und vor allem friedlicher werden.

 

Weiter geht es in dem Ablehnungsbescheid wie folgt: „Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sein könnten“. Auch hier kann man nur den Kopf schütteln. Welches konkrete Bild von schwulen Männern der Beamte im Kopf hatte, lässt sich nur mutmaßen. Vermutlich etwas zwischen den stereotypen Karikaturen aus Bully-Herbig-Filmen und den Dragqueens bei RuPaul. Auch glaubte ihm der zuständige Beamte nicht, dass er bereits mit zwölf Jahren gewusst habe, dass er schwul sei. Das sei unwahrscheinlich.Viel zu früh. Vor allem in der konservativen afghanischen Gesellschaft.

 

In der Fantasiewelt des Beamten kann man sich also auch noch aussuchen, wann und in wen man sich verliebt. Das wäre durchaus ziemlich praktisch. Die sexuelle Orientierung kann man sich aber genauso wenig aussuchen, wie die geschlechtliche Identität mit der man sich wohlfühlt. Aussuchen kann man sich aber z.B. in Österreich, wie man diese Identität lebt. Der stereotype Kriterienkatalog des Beamten negiert diese Selbstbestimmung allerdings. Für ihn sind Schwule alle gleich.

 

Für den sächsischen Landeskoordinator für queere Geflüchtete, Ronald Zenker, sind die Begründungen “absolut nicht nachvollziehbar”. Man müsse eigentlich nachprüfen, ob der verantwortliche Beamte homofeindlich sei. Er selbst sei sprachlos gewesen, als er von dem Fall hörte. Man dürfe solche Entscheidungen niemals aufgrund von Äußerlichkeiten treffen. Außerdem müssten Beamte, die solche Sonderentscheide treffen, speziell ausgebildet werden.

 

Auch in Deutschland werden Menschen fehlerhaft abgelehnt. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, spricht von 37.000  Fehlentscheidungen. Skandalisiert wurde diese Zahl hierzulande allerdings nicht. Stattdessen wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) harsch kritisiert, da angeblich Schutzsuchende zu Unrecht Asyl bekommen hätten. Nach Überprüfung stellte sich jedoch heraus, dass die Fehlerquote nur bei 0,7% liegt.

 

 

Beim #BAMF geht es um 1.200 Fehlentscheidungen zu Gunsten von Geflüchteten. Zu UNgunsten gab es 37.000 Fehlentscheidungen. (Davon wurden 32.500 von Gerichten kassiert). Es wurden also 30 mal mehr Fehlentscheidung gegen Geflüchtete getroffen als für sie. #Fakten https://t.co/7HENmtJAne

— Katja Kipping (@katjakipping) 28. Mai 2018

 

 

Asyl zu beantragen, ist für LGBTQ*-Geflüchtete mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Staatliche Verfolgung ist zum Beispiel ein legitimer Grund. Wird eine Person aber von Einzelpersonen oder Gruppierungen diskriminiert, verfolgt und bedroht reicht das meist nicht aus. Auch in den Unterkünften sind LGBTQ* Diskriminierung ausgesetzt. Sie flüchten ja nicht nur aus Ländern, in denen sie staatlich verfolgt werden sondern eben auch vor den homofeindlichen Gesellschaften. Hass und Stereotypen begegnen LGBTQ*-Geflüchtete dann häufig wieder in den Unterkünften. Das geht von “verbalen Übergriffen bis zur Vergewaltigung” erklärt Zenker. Der Tagesspiegel berichtete von Demütigungen und Übergriffen in Gemeinschaftsunterkünften durch andere Bewohner. Ein anderer Fall beschreibt die Diskriminierung einer Transgeflüchteten in Berlin.

* Der zuständige österreichische Beamte wurde nun versetzt.

 

Update

In Österreich gibt es jetzt auch zu schwul. Firas, ein junger Asylbewerber aus dem Irak, erhielt einen negativen Bescheid, weil er „zu mädchenhaft“ wirkte.  Durch sein Auftreten ist es für das Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA)  „nicht glaubhaft, dass [er] sexuell anders (homosexuell) orientiert“ sei. Auch habe sein Vater bestritten, dass er homosexuell sei. (Vgl. Queer.de)  Im Irak ist Homosexualität zwar gesetzlich nicht verboten, jedoch gibt es keinerlei Schutzrechte für LGBTQ*.  Sie können nicht frei und offen leben und müssen oft um ihr Leben fürchten. Nicht verwunderlich also, dass man sich nicht gerade bei der ganzen Familie outet. Für das BFA besteht jedoch kein Zweifel: die „genannten Fluchtgründe [resultieren] ausschließlich aus dem Wunsch nach besseren Lebensbedingungen“. Firas hat Einspruch gegen das Urteil eingelegt und muss jetzt durch Aussagen von Sexpartnern beweisen, dass er schwul ist.

 

 

 

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