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Nominiert für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie Gesicht zeigen – Netzwerk für Demokratisches Handeln, Penig und Lunzenau

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Ergebnisse einer Schul-Aktion der Bürgerinitiative „Gesicht zeigen – Netzwerk für Demokratisches Handeln“. (Quelle: Bürgerinitiative „Gesicht zeigen – Netzwerk für Demokratisches Handeln“.)

Es ist ein klassischer Punkt, an dem Rechtsextremismus zum lokalgesellschaftlichen Problem wird: 2012 gab es in Lunzenau einen brutalen Gewaltvorfall. Ein jugendlicher Punk wird von lokalen Neonazis zusammengeschlagen. Ein Grund zur Auseinandersetzung mit antidemokratischen und menschenfeindlichen Einstellungen in der Region?  Nicht in Lunzenau. „Es hat mich erschreckt, wie ohnmächtig selbst die Pädagogen reagiert haben. Da gab es ein großes Entsetzen, aber wenig Auseinandersetzung“, sagt Janine Bürger, deren Tochter mit dem Angegriffenen in eine Klasse ging. Im Elternkreis besprachen sich die Mütter und Väter und waren sich einig:  Die Erwachsenen sollten ein gutes Vorbild geben, wie mit einem solchen Ereignis umzugehen sei – damit die Kinder das auch schaffen können.

Doch der Versuch, den regionalen Rechtsextremismus zu thematisieren, erwies sich zunächst als schwierig. Es bedurfte einiger Gespräche, um die Aufmerksamkeit etwa des Bürgermeisters und des Stadtrats zu bekommen. Auch die Schule brauchte Zeit, Gespräche und Angebote, um das Thema anzupacken. Dabei war allen klar, in Lunzenau gibt es eine aktive Nazi-Szene, vernetzt mit dem Freien Netz Sachsen und der Kameradschaft „Sturm 34“, die 2007 verboten wurde. „Ich glaube, die meisten hatten einfach Angst. In so einer ländlichen Region, einer Kleinstadt ist das ja auch ein Risiko, sich gegen Nazis zu engagieren. Man macht sich angreifbar“, sagt Janine Bürger.

„Wir haben viele Gespräche geführt“

Trotzdem sollte der Vorfall nicht unter den Tisch fallen – nicht zuletzt, weil weiterhin rechtsextreme Schüler_innen die nicht-rechten Schüler_innen bedrängten und bedrohten. „Wir haben nicht aufgegeben, viele Gespräche geführt. Mit der Polizei in Rochlitz, mit der Stadt, mit der Schule – wir wollten dieses Thema auf die Agenda heben!“ Die beginnende Bürgerinitiative suchte sich Hilfe bei der Opferberatungsstelle der RAA in Chemnitz und bei der Mobilen Beratung des Kulturbüros Sachsen. Neben der Arbeit in Lunzenau  weitet „Gesicht zeigen“ den Aktionsradius auf das benachbarte Penig aus. Dort finden die Engagierten Verbündete, etwa am Gymnasium. Infostände bei den Frühlingsfesten an der Evangelischen Mittelschule Lunzenau und am Freien Gymnasium Penig sorgen für Öffentlichkeit: „Weggucken ging jetzt nicht mehr“, sagt Janine Bürger.

Seitdem konnte „Gesicht zeigen – Netzwerk für demokratisches Handeln“ etliche inhaltliche Projekte verwirklichen können.  So organisierte die Bürgerinitiative etwa eine Fortbildungsveranstaltung für Übungsleiter der lokalen Sportvereine, um Möglichkeiten des Umgangs mit Neonazis oder rechtsextremen Meinungen im Verein zu diskutieren und Hilfen zu geben. Besonders am Herzen liegen Janine Bürger allerdings die Schülerworkshops und Projekttage, die es etwa zum Umgang mit rechtsextremen Äußerungen und Schmierereien gab oder zuletzt zu einem Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald, das sich in der Nähe von Penig befand.  „Die Schüler und Schülerinnen haben dazu recherchiert und dabei selbst festgestellt: Das liegt hier unter einer Decke des Schweigens. Wir möchten das aufarbeiten, ohne Schuldzuweisungen, um zu zeigen: Geschichte ist hier passiert! Das soll den Jugendlichen auch vermitteln: Das ist im regionalen Gedankengut verankert, es ist immer gut, aufmerksam zu sein.“ Denn, so ihre Erfahrung, die Jugendlichen spiegeln ja erst einmal die Meinungen wieder, die sie von zu Hause kennen: „Und wir möchten ihnen ermöglichen, sich eine eigene Meinung zu bilden, selbst entscheidungsfähig zu sein.“

„Die wurden mit Parolen bepöbelt, dass hätte ich mir nicht träumen lassen“

Inzwischen gibt es auch in Lunzenau Pläne für eine Flüchtlingsunterkunft – und damit ein neues Arbeitsfeld ist für die Bürgerinitiative „Gesicht zeigen“. Schon als die Pläne bekannt wurden, wurde die designierte Unterkunft mehrfach angegriffen. „Es gab eine Versammlung dazu in der Kirche, die war rammelvoll, es waren sogar hochrangige Lokalpolitiker dabei – die wurden beschimpft und mit Parolen bepöbelt, das hätte ich mir nicht träumen lassen“, sagt Bürger. Hier hört man deutliche den „Pegida“-Einfluss heraus. „Ja, Pegida ist hier gerade stark meinungsbildend, die Flüchtlingssituation beschäftigt viele; und durch die Demonstrationen wird scheinbar „gesellschaftsfähig“, was vorher als Hetze galt“, sagt Bürger, „aber wenn die Hemmungen fallen, weil Pegida scheinbar so eine breite Zustimmung erfährt, wollen wir den Leuten zeigen: Es gibt noch hier Menschen gibt, die sich gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit stark machen. Es bringt uns nicht um, wenn wir etwas von unserem Reichtum mit den Flüchtlingen teilen.“ Jetzt organisiert die Bürgerinitiative ehrenamtlichen Deutschunterreicht und gemeinsame Koch-Nachmittage, um Begegnungen zu ermöglichen und Kontakte herzustellen. Janine Bürger sagt: „Unser friedliches Leben ist kein Verdienst, wir haben Glück und können deshalb unseren Beitrag dazu leisten, dass auch andere hier friedlich leben können.“. Deshalb engagiert sie sich weiter für die Demokratiestärkung im Ort – und hofft, mit mehr Mitteln, wie sie das Preisgeld des „Sächsische Demokratiepreis“ bieten könnte, einerseits die Projektarbeit in den Schulen fortführen zu können, die bisher fast vollständig von den Mitglieder privat finanziert wurde , und andererseits den Kontakt zwischen Flüchtlingen und Lunzenauern beleben zu können – für mehr Toleranz und Verständnis.

 

Info: Der Sächsische Förderpreis für Demokratie 2015 

64 Bewerbungen für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie – Preisverleihung am 9.11. in Dresden mit Laudatio von Anja Reschke

In diesem Jahr wird der Sächsische Förderpreis für Demokratie zum neunten Mal verliehen. Der Preis würdigt herausragendes Engagement von Initiativen und Kommunen gegen Rechtsextremismus und für Menschenrechte und eine demokratische Kultur in Sachsen. 64 Initiativen, Projekte, Kommunen und Landkreise bewarben sich für die Auszeichnung. Ende September tagte die Jury, um aus der Fülle spannender Einreichungen diejenigen auszuwählen, die am 9. November in Dresden ausgezeichnet werden.

Die Nominierten des Sächsischen Förderpreises 2015 sind:

Banda Comunale: Mit der Initiative Neujahrsputz und der Angsthasen Prozession setzten sie Pegida eine Protestform entgegen, die mit Satire und positiven Bildern viele Dresdner ermutigte, sich mit zu positionieren.Bündnis „Willkommen in Roßwein“: Die Bürgerinitiative organisierte sich, um mit Politik, Verwaltung, Kirchen und Vereinen Asylsuchenden die ersten Schritte im Ort zu erleichtern und der lokalen Pegida-Bewegung die Stirn zu bieten.Bürgerinitiative „Gesicht zeigen“ – Netzwerk für demokratisches Handeln: Engagierte Eltern starteten trotz ständiger Bedrohung ein vielfältiges Programm zur Entwicklung einer demokratischen Soziokultur im ländlichen Raum um Penig und Lunzenau.Initiativkreis Antirassismus: Das Projekt „Die verschwiegenen Toten“ informiert über statistisch nicht erfasste Opfer rechter Gewalt in Leipzig und kämpft um ihre Anerkennung und ein an-gemessenes Gedenken.Legida? Läuft nicht. Leipziger Studierende gegen Rassismus: Die hochschulübergreifende Initia-tive ist eine der treibenden Kräfte der No-Legida-Bewegung und aktiv bei der Unterbringung von Asylsuchenden in Gebäuden der Hochschulen.Schüler für Flüchtlinge: Die Schüler des Goethe-Gymnasiums Bischofswerda setzen sich für Aufklärung und praktische Hilfe im benachbarten Asylbewerberheims ein und wurden zum Zentrum der ehrenamtlichen Unterstützungsstrukturen der Stadt.Jürgen Opitz, Bürgermeister der Stadt Heidenau: Der Bürgermeister positionierte sich klar ge-gen fremdenfeindliche Ausschreitungen und gewalttätige Flüchtlingsgegner und schaffte es so, auch andere Bürger für Willkommensaktivitäten zu mobilisieren.

Die Verleihung des Preises findet am 9. November im Max-Planck-Institut für Chemische Physik fester Stoffe in Dresden statt. Dort wird auch das Projekt bekannt gegeben, das mit dem Hauptpreis von 5.000 Euro ausgezeichnet wird. Die Laudatio hält die Journalistin und Panorama-Moderatorin Anja Reschke, die jüngst in einem Tagesschau-Kommentar klar Stellung gegen rechte Hetze in den Sozialen Medien bezog.

Der Preis wird ausgelobt von der Amadeu Antonio Stiftung, der Freudenberg Stiftung, der Sebastian Cobler Stiftung und der Stiftung Elemente der Begeisterung.

Mehr auf www.demokratiepreis-sachsen.de

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