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NRW 2013 Die extreme Rechte zwischen Stagnation und Straßenpolitik

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Gegen den Auftritt der NPD am 15. August 2013 demonstrierten in Münster rund 1.500 Menschen. (Quelle: mobim)

[mobim]

Das Jahr 2013 verlief für die extreme Rechte in Nordrhein-Westfalen in mehrfacher Hinsicht enttäuschend. Bei den Bundestagswahlen im September 2013 stagnierten NPD, „Die Republikaner“, „Pro Deutschland“ und die Partei „Die Rechte“ auf äußerst niedrigem Niveau. Die bewegungsorientierte Neonaziszene versuchte sich nach einer Reihe von Organisationsverboten, die das NRW-Innenministerium im Jahr 2012 etwa gegen den Nationalen Widerstand Dortmund, die Kameradschaft Hamm und die Kameradschaft Aachender Land verhängt hatte, neu zu formieren. In diesem Kontext firmieren die an verschiedenen Orten entstandenen Kreisverbände der Partei „Die Rechte“ als Nachfolgestruktur der verbotenen Gruppierungen. Deren ProtagonistInnen versuchten somit, ihre bisherigen Aktivitäten nahtlos fortzuführen – etwa durch Aufmärsche und Kundgebungen. Fast ausnahmslos blieben jedoch die TeilnehmerInnenzahlen bei diesen Veranstaltungen hinter jenen der Vorjahre zurück. Weitgehend auf das eigene Spektrum beschränkt blieben bislang auch die Aktionen der rechtspopulistischen „Bürgerbewegung Pro NRW“, die vor allem bemüht war, die an vielen Orten in Teilen der Bevölkerung aufflammende rassistische Stimmung gegen Geflüchtete und andere MigrantInnen weiter zu schüren. Im Jahr 2013 kam es zudem zu einigen Vorfällen mit rechtsoffenen Hooligan-Gruppen, die zu Diskussionen um eine vermeintliche oder tatsächliche „Unterwanderung“ zumindest einiger Fankurven führten.

Bundestagswahlen 2013: „Dieses Ergebnis ist noch lange nicht die Machtübernahme“

Die Bundestagswahlen am 22. September 2013, die vom Landesvorsitzenden und Spitzenkandidaten der NPD in Nordrhein-Westfalen, Claus Cremer, noch im Mai großspurig als „Grundstein für den Einzug der NPD ins europäische Parlament 2014″ angekündigt worden waren, verliefen für die Partei sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene ernüchternd. Die „Nationaldemokraten“ kamen landesweit auf nur 1 Prozent der Stimmen (2009: 0,9 Prozent). Die Partei blieb somit hinter dem bundesweiten Ergebnis von 1,5 Prozent zurück, konnte sich allerdings gegenüber dem desaströsen Ergebnis der Landtagswahl vom Mai 2012 um 0,5 Prozent verbessern.

Auffallend ist jedoch, dass die NPD in Wahlkreisen, in denen es zu zugespitzten und ressentimentgeladenen Debatten um Einwanderung sowie die Unterbringung von Geflüchteten gekommen war, vergleichweise überdurchschnittliche Zustimmungswerte erreichte. So erzielte die Partei im Wahlkreis Duisburg II mit 3,37 Prozent der Zweitstimmen und 4,51 Prozent der Erststimmen ihr bestes Ergebnis in den „alten“ Bundesländern. In einzelnen Wahllokalen konnte der NPD-Direktkandidat Peter Stölting sogar bis zu 11,9 Prozent der Erststimmen auf sich vereinigen – mehr als die KandidatInnen von AfD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, der Linken und der Piraten.

Gleichwohl musste Claus Cremer in landesweiter Perspektive einräumen, dass das Ergebnis der NPD „noch lange nicht die Machtübernahme“ gewesen sei. Der für die NPD wieder einmal enttäuschende Wahlausgang in NRW hat seine Ursache nicht zuletzt im personell dünnen und organisatorisch schwachen Zustand, in dem sich die Partei im bevölkerungsreichsten Bundesland präsentiert. Zu einer eigenständigen, wahrnehmbaren Wahlkampagne war die NPD demnach kaum in der Lage gewesen. Für Aufsehen hatte lediglich die von der Bundespartei organisierte „Deutschlandfahrt“ des „NPD-Flagschiffs“ – ein mit einschlägigen Parolen beklebter LKW – gesorgt, das im Sommer quer durch die Republik getourt war und an 16 Orten in NRW Station gemacht hatte. Die auf 90 Minuten angelegten Kundgebungen unter dem Motto „Asylflut und Europawahn stoppen!“, bei denen als Hauptredner der NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel auftrat, gingen jedoch meist in lautstarken Gegenprotesten unter.

„Pro Deutschland“ auf Wahlkampftour – ohne lokale Unterstützung

Diese Erfahrungen mussten auch die als absurd-groteske Reisegruppe auftretenden VertreterInnen von „Pro Deutschland“ machen. Angeführt von ihrem „Generalsekretär“ Lars Seidensticker veranstalteten die Rechtspopulisten eine ähnliche Wahlkampftour wie die NPD. Auf lokale oder regionale Unterstützung konnten die in einem Kleintransporter reisenden, vorwiegend aus Berlin stammenden AktivistInnen jedoch nicht zählen. Führende Funktionäre von „Pro NRW“ waren wiederholt auf Distanz zum Wahlantritt von „Pro Deutschland“ gegangen – freilich weniger aus inhaltlichen, denn aus strategischen Erwägungen. Ziele der Wahlkampftour waren in der Regel Treffpunkte der linksalternativen Szene und Moscheen. An diesen „dunklen Orten des Landes“ (so „Pro Deutschland“) sollte auf die vermeintliche Bedrohung durch „radikale Islamisten und ihre einheimischen Helfer“ aufmerksam gemacht werden. „Pro Deutschland“ verknüpfte so ihre islamfeindlichen und rassistischen Forderungen mit dem Ruf nach „Law and Order“. In NRW standen Besuche in Paderborn, Bielefeld, Münster, Hamm, Dortmund, Bochum, Gelsenkirchen, Essen, Duisburg, Krefeld, Mönchengladbach, Düsseldorf, Wuppertal, Leverkusen, Köln, Aachen und Bonn auf dem Programm, die jeweils von Protesten begleitet wurden. Vor allem in Duisburg versuchte „Pro Deutschland“ die Auseinandersetzung um die Unterbringung von MigrantInnen aus Bulgarien und Rumänien zu instrumentalisieren und mit antiziganistischer Stimmungsmache zu punkten. Zumindest im Hinblick auf das Wahlergebnis erfüllte sich diese Erwartung nicht. „Pro Deutschland“ gelang es lediglich 0,2 Prozent der Stimmen auf sich zu vereinen.

„Die Rechte“ ohne Wahlerfolge, aber solidarisch mit Naziverbrecher Erich Priebke

Noch schlechter schnitten die „Republikaner“ ab, die mit 0,1 Prozent (2009: 0,3 Prozent) nach jahrelangem kontinuierlichen Niedergang in einem kaum mehr messbaren Bereich angekommen sind.

Dort landete auch die  Partei „Die Rechte“, die bei der Bundestagswahl nur in NRW über eine Landesliste wählbar war. Mit 0,024 Prozent (2.288 Stimmen) schnitt die Partei jedoch noch deutlich schlechter ab, als ihre KonkurrentInnen im extrem rechten Lager. Selbst in ihrer „Hochburg“ Dortmund kam die Partei nur auf insgesamt 178 Stimmen (0,085 Prozent). Einen ernsthaften Wahlkampf hatte „Die Rechte“ freilich gar nicht erst geführt. Die Teilnahme an der Bundestagswahl diente nur dem Zweck, den Vorgaben des Parteiengesetzes zu entsprechen, um auf diese Weise den reklamierten Parteienstatus abzusichern, der wiederum ein Verbot der Organisation erheblich erschwert. Gleichwohl versuchten deren AktivistInnen den Bundestagswahlkampf für provokative Aktionen – meist in Form von Aufmärschen – zu nutzen. Zur Sitzung des Bundeswahlausschusses im Berliner Bundestag Anfang Juli 2013, bei der über die Zulassung der Partei „Die Rechte“ zur Bundestagswahl entschieden wurde, erschienen Sascha Krolzig und zwei weitere Parteimitglieder beispielsweise in roten T-Shirts mit der Aufschrift „Freiheit für Erich Priebke“. Der frühere SS-Hauptsturmführer war im März 1944 maßgeblich an der Erschießung von 335 italienischen ZivilistInnen in der Nähe von Rom beteiligt gewesen. 1998 wurde Erich Priebke in Italien zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, die er auf Grund seines hohen Alters im Hausarrest bis zu seinem Tod am 11. Oktober 2013 in Rom absaß.

Die „Alternative für Deutschland“ als neue Rechtsaußenpartei?

Für die auch von den extrem rechten Parteien kaum zu beschönigenden Wahlergebnisse machten deren VertreterInnen – neben der angeblichen „Schweigespirale“ der Medien und den als „Schikane“ beklagten Auflagen der Behörden – nicht zuletzt auch das vergleichsweise erfolgreiche Abschneiden der noch jungen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) verantwortlich, die in NRW 3,9 Prozent (bundesweit 4,7 Prozent) erzielte. Christian Worch, Bundesvorsitzender der Partei „Die Rechte“ erklärte zum Ergebnis der AfD, dass deren Wahlantritt seit dem knapp gescheiterten Einzug der NPD in den Bundestag im Jahr 1969 „der einzige ernstzunehmende Versuch, das Parteienkartell der durch die Fünf-Prozent-Hürde geschützten Bundestagsparteien von rechts […] aufzubrechen.“ gewesen sei.

Wohin die Partei des Vorsitzenden Bernd Lucke politisch steuert ist momentan noch nicht entschieden. Einerseits distanzierte sich vor allem Lucke immer wieder von rechtsextremen Tendenzen und Positionen und spricht sich gegen die Aufnahme ehemaliger Mitglieder extrem rechter und rechtspopulistischer Parteien aus. Andererseits trugen auch der Wahlkampf der AfD („Wir sind nicht das Weltsozialamt“) sowie Äußerungen des Parteivorsitzenden selbst, der beispielsweise am Wahlabend von einer „Entartung von Demokratie und Parlamentarismus“ sprach, erkennbar rechtspopulistische Züge.

Kameradschaftsszene in neuem Gewand? Die Partei „Die Rechte“ auf den Straßen aktiv

Als Nachfolgeorganisation der im Jahr 2012 verbotenen Kameradschaften in Aachen, Dortmund und Hamm, dient die Partei „Die Rechte“ vor allem als legale Struktur des bewegungsorientierten Neonazismus in NRW. Mittlerweile sind „Kreisverbände“ der Partei in Aachen, Düsseldorf, Dortmund, Hamm, Heinsberg, Mülheim/Essen, im Münsterland, im Rhein-Erft-Kreis sowie in Wuppertal entstanden, wobei die Aktivitäten der regionalen Gliederungen sehr unterschiedlich ausfallen. Zentrales Aktionsfeld der „Rechten“ bildet nach wie vor die „Straßenpolitik“ mit einer Reihe überregional beworbener Demonstrationen

Als „Premiere“ wurde am 9. März 2013 ein Aufmarsch der Partei in Soest angekündigt. Wie schon im Jahr zuvor nahmen die Neonazis den Tod eines Jugendlichen, der im Jahr 2011 während einer Party erstochen worden war, zum Anlass gegen eine vermeintliche „Kuscheljustiz für Ausländer“ zu demonstrieren. 120 AktivistInnen (2012: 130) folgten dem Aufruf und zogen mit Parolen wie „Damals wie heute – Hitlerleute“ oder „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ durch die westfälische Kreisstadt. Als Anmelder der Demonstration firmierte Sascha Krolzig, vormals Führungskader der verbotenen „Kameradschaft Hamm“ und nun stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes der Partei „Die Rechte“.

Am 1. Mai folgten mehr als 400 Neonazis dem Aufruf der Partei „Die Rechte“ zu einer Demonstration nach Dortmund. Nach Angaben des antifaschistischen Internetblogs „NRW rechtsaußen“ skandierten TeilnehmerInnen Parolen wie „Wir putzen unsere Stiefel mit dem Blut der Antifa“. Rund 3.500 Menschen protestierten mit verschiedenen Kundgebungen, kleineren Blockadeversuchen und kreativen Aktionen gegen diese martialisch inszenierte Provokation.

Ein ähnliches Szenario bot sich in der Ruhrgebietsmetropole am 31. August. Am ersten September-Wochenende hatte der „Nationale Widerstand Dortmund“ seit 2005 jährlich bundesweit zum „Nationalen Antikriegstag“ in die Stadt mobilisiert und somit einen „Event“ geschaffen, an dem sich bis zu 1.300 Neonazis aus Deutschland sowie aus anderen europäischen Ländern beteiligten. Im Zusammenhang mit dem Verbot des „Nationalen Widerstands Dortmund“ im August 2012 war auch der „Nationale Antikriegstag“ 2012 untersagt worden. Der Aufmarsch in diesem Jahr stand nunmehr unter dem Motto: „Weg mit den Verboten nationaler Gruppen und Parteien“. Große Mühe ihre Militanz und Gewaltbereitschaft zu verbergen gaben sich die TeilnehmerInnen des Aufmarsches indessen nicht. Aus deren Reihen wurde gegen Ende der Veranstaltung ein Feuerwerkskörper geworfen, der fünf GegendemonstrantInnen verletzte.

Der Wuppertaler Kreisverband der Partei „Die Rechte“ (faktisch die Nachfolgeorganisation der „Nationalen Sozialisten Wuppertal“) rief schließlich am 21. September 2013 zu einer Demonstration „gegen antideutsche Zustände“ auf, welche der Neonazirapper „Makks Damage“ in einem Mobilisierungsvideo zur „Schlacht um Wuppertal“ stilisierte. Mehr als 1.000 GegendemonstrantInnen standen letzten Endes nur rund 165 Neonazis gegenüber, die, aufgehalten durch eine Sitzblockade, erst verspätet losziehen konnten und auf der Hälfte der Route schließlich wieder umdrehen mussten. Gleichwohl wurden auch bei diesem Aufmarsch, den die „Rechte“ zum Höhepunkt ihres „Bundestagswahlkampfs“ erklärt hatte, unmissverständliche Parolen wie „Nationalsozialismus jetzt“ skandiert. Gemessen an der großspurigen Mobilisierungsrhetorik erfüllte die Demonstration die Erwartungen der OrganisatorInnen jedoch nicht. In einer Rückschau räumten sie ein, dass der Tag nicht so verlaufen sei, „wie es die meisten erwartet hatten und hätte man den Verlauf im Vorhinein gekannt, hätte man vermutlich auf die Anmeldung verzichtet und stattdessen eine wirksamere, spontanere Aktion durchgeführt“.

Einen weiteren Termin im extrem rechten „Demonstrationskalender“ 2013 bildete der „Gedenkmarsch“ am 23. November in Remagen im benachbarten Rheinland-Pfalz, zu dem traditionell auch zahlreiche Neonazis aus NRW anreisen. Im Zentrum dieser durchweg geschichtsrevisionistischen Veranstaltung, stehen die Versuche, die am Ende des Zweiten Weltkriegs in so genannten Rheinwiesenlagern internierten und ums Leben gekommenen deutschen Kriegsgefangenen zu Opfern angeblicher alliierter Kriegsverbrechen zu stilisieren. An dem Aufmarsch nahmen mehr als 230 Personen teil – deutlich mehr als im vergangenen Jahr, als nur 150 Neonazis in Remagen erschienen waren.

Insgesamt bleibt mit Blick auf den bewegungsorientierten Neonazismus in NRW zu konstatieren, dass deren Strukturen und Aktivitäten durch die Organisationsverbote vom August 2012 nur kurzzeitig beeinträchtigt wurden. Innerhalb nur weniger Wochen gelang es den Szenekernen, sich unter dem Dach der Partei „Die Rechte“ neu zu formieren. Gleichwohl ist festzustellen, dass es den ProtagonistInnen dieses Spektrums trotz ihres permanenten Aktionismus nicht gelungen ist, die eigene personelle Basis zu erweitern – vielmehr zeigte sich wie schon im letzten Jahr eine Stagnation bzw. ein Rückgang der TeilnehmerInnenzahlen bei Demonstrationen. In manchen Regionen, wie etwa im östlichen Münsterland oder im nördlichen Ruhrgebiet, wo bis ins Jahr 2012 kleine, allerdings gut vernetzte Gruppierungen aktiv waren, hat der organisierte Neonazismus an Bedeutung verloren. Hier haben die verstärkten staatlichen Repressionsmaßnahmen wie auch das breite zivilgesellschaftliche Engagement gegen die extreme Rechte ihre Wirkung anscheinend nicht verfehlt.

„Wir sind das Volk“? Rassistische Mobilisierungen von Pro NRW

Obgleich sie nicht zur Bundestagswahl antrat, entwickelte die „Bürgerbewegung Pro NRW“ auch im Jahr 2013 eine Reihe von Aktivitäten, die – wenig überraschend – von den für die RechtspopulistInnen üblichen rassistischen, islamfeindlichen und antiziganistischen Positionen geprägt waren. Erwartungsgemäß bemühte sich die Partei, Debatten und Ressentiments im Zusammenhang mit der Einrichtung von Unterkünften für Geflüchtete sowie der Einwanderung von Menschen aus Rumänien und Bulgarien im Zuge des Freizügigkeitsrechts der EU mit aggressiven Parolen zuzuspitzen. Dabei konnte „Pro NRW“ hoffen, an bereits bestehende und mobilisierte rassistische Haltungen in der „Mitte der Gesellschaft“ anzuknüpfen.

So kam es beispielsweise im Essener Stadtteil Frintrop wiederholt zu AnwohnerInnenprotesten gegen die Einquartierung von Geflüchteten in einer leerstehenden Schule. Unmittelbar neben der Unterkunft entstand eine so genannte ‚Klagemauer’ bestehend aus Plakaten und Transparenten, auf denen gegen die Stadtverwaltung und Asylsuchende teilweise mit unverhohlen rassistischen Parolen polemisiert wurde. In der Folgezeit kam es sogar zu zwei Anschlägen auf das ehemalige Schulgebäude, das von Unbekannten mit Stahlkugeln beschossen wurde. Ähnliche Zuspitzungen ließen sich in den Duisburger Stadteilen Rheinhausen-Bergheim und Neumühl beobachten. Vereinzelt gelang es „Pro NRW“ daher mit ihren Kundgebungen zustimmende Resonanzen in Teilen der Bevölkerung zu erzielen.

Anfang Oktober veranstaltete die „Bürgerbewegung“ beispielsweise eine Kundgebung in Rheinhausen-Bergheim, bei der die antiziganistischen Redebeiträge der „Pro-NRW“ Funktionäre von anwohnerInnen beklatscht wurden. Bei einer weiteren von Pro NRW ausgerechnet am 9. November organisierten Demonstration im Duisburger Stadtteil Neumühl skandierten die rund 50 AktivistInnen der „Bürgerbewegung“ sowie sympathisierende AnwohnerInnen gemeinsam die Parole „Kein Asyl in Neumühl“. Auch an anderen Orten Nordrhein-Westfalens versucht „Pro NRW“ mit ähnlichen Auftritten zu punkten und sich auf diese Weise für die im Mai 2014 anstehenden Kommunalwahlen ins Gespräch zu bringen.

Rechte Dominanz in den Fankurven?

Für Aufsehen in diesem Jahr sorgten im Bereich des Fußballs eine Reihe gewalttätiger Übergriffe rechtsoffenener Hooligangruppen auf nicht-rechte bzw. antirassistische Fans und Ultras in NRW. Im Januar 2013 erklärten die „Aachen Ultras“, nicht mehr als Gruppe bei den Spielen von Alemannia Aachen aufzutreten, nachdem sie wiederholt von der „Karlsbande“, einer Fangruppierung des gleichen Vereins, mit Kontakten in die regionale Neonaziszene (beispielsweise zur im August 2012 verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“) attackiert worden waren.

Doch auch an anderen Orten kam es zu ähnlichen Konfrontationen: Beim Heimspiel des Drittligisten MSV Duisburg gegen den 1. FC Saarbrücken griffen im Oktober mutmaßliche Mitglieder der Ultragruppe „Division Duisburg“ gemeinsam mit örtlichen Neonazis, Angehörige der antirassistisch engagierten „Kohorte Duisburg“ an. Bereits zuvor waren deren AktivistInnen von ihren rechtsoffenen WidersacherInnen genötigt worden, im Stadion auf rassismuskritische Positionierungen zu verzichten.

Am 16. Oktober verhinderte eine Gruppe von 20 Hooligans aus der Fanszene des in der Regionalliga West spielenden Vereins Rot-Weiß Essen unter Androhung von Gewalt die im Fanprojekt der AWO geplante Vorführung des Dokumentarfilms „Blut muss fließen“, der in kritischer Perspektive die deutsche und internationale Rechtsrockszene portraitiert. Eingeladen hatten das Bündnis „Essen stellt sich quer“ und das Fanprojekt. Die Hooligans begründeten ihre Drohung mit dem Hinweis, dass sie keine „politischen“ Aktionen im Bereich des Stadion dulden würden. Im Gegensatz zur weitgehend indifferenten Haltung mit der Alemannia Aachen den Geschehnissen in der Fanszene des Vereins begegnet war, reagierten die Verantwortlichen bei Rot-Weiß Essen jedoch sofort. Der Verein erstatte Anzeige gegen die bislang nicht identifizierten StörerInnen der Veranstaltung vom 16. Oktober und lud zur Vorführung des Films ins Stadion ein. Der Aufsichtsratschef von Rot-Weiß Essen Christian Hülsmann verurteile die Aktion der Hooligans als „Angriff auf die im Grundgesetz verankerten Grundrechte“. Der Verein wolle demgegenüber „ein Zeichen gegen Rassismus, Gewalt und jede Form von Diskriminierung setzen“.

Dies scheint nach wie vor notwendig: Mitte November attackierten Essener Hooligans im Anschluss an das Spiel Rot-Weiß Essen II gegen MSV Duisburg II, eine Gruppe von Duisburger AnhängerInnen von denen zwei erheblich verletzt wurden. ZeugInnen berichten, dass aus dem Kreis der Angreifer „Ich hau dir aufs Maul, du Jude“ gerufen worden sei. Gleichwohl kann von einem allgemeinen Rechtsruck in den Fanszenen Nordrhein-Westfalens nicht gesprochen werden.

Perspektiven für das Jahr 2014

Die Kommunal- und Europawahlen am 25. Mai 2014 werden sich zweifellos auch auf die Aktivitäten der extremen Rechten in Nordrhein-Westfalen auswirken. Pro NRW, NPD und „Republikaner“ werden versuchen, die besonders auch auf kommunaler Ebene geführten Debatten um die Unterbringung von Geflüchteten und die Einwanderung im Kontext der innerhalb der EU bestehenden Freizügigkeit aufzugreifen und polemisch zuzuspitzen. Sie können dabei auf die mancherorts in weiten Teilen der Bevölkerung bestehenden Ängste, aber auch auf verbreitete rassistische Ressentiments bauen. Die bei den Kommunalwahlen nicht bestehende Fünf-Prozent-Hürde könnte VertreterInnen der extremen Rechten somit einige Mandate bescheren.

Gleichwohl werden den extrem rechten Parteien flächendeckende Wahlerfolge aus mehreren Gründen kaum beschieden sein. Dagegen sprechen zum einen deren im Flächenland NRW oftmals nur punktuell vorhandenen Organisationsstrukturen, die sich zudem in einer dünnen Personaldecke spiegeln. Zum anderen stoßen die Aktivitäten der extrem rechten Parteien keineswegs nur auf Gleichgültigkeit oder sogar auf Zustimmung, vielmehr sind in vielen Orten und Regionen Nordrhein-Westfalens mittlerweile zahlreiche Bündnisse und Initiativen entstanden, die sich nicht nur gegen rassistische und ausgrenzende Hetzparolen stellen, sondern sich auch für eine positive, menschen- und bürgerrechtsorientierte Willkommenskultur für Geflüchtete und andere MigrantInnen engagieren.

Der bewegungsorientierte Neonazismus in NRW wird versuchen, sich in Gestalt der Partei „Die Rechte“ weiter zu konsolidieren. Aufmärsche und ähnliche straßenpolitische „Events“ werden somit auch im Jahr 2014 zum festen Aktionsrepertoire dieses Spektrums gehören. Gleichzeitig hat die „Rechte“ ihre Teilnahme an den Europa- und Kommunalwahlen angekündigt. Als „Spitzenkandidat“ des Dortmunder Kreisverbandes firmiert etwa Siegfried Borchardt, vormaliger Landesvorsitzender der im Jahr 1995 verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) und Mitbegründer der der berüchtigten extrem rechten Hooligangruppe „Borussenfront“. Auf diesen Nimbus greift die „Rechte“ zurück, indem sie mit dem Slogan „Von der Südtribüne in den Stadtrat“ für den mehrfach vorbestraften Altaktivisten wirbt.

Für die weitere Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen ist von großer Bedeutung, dass die Landesregierung voraussichtlich bis Ende 2014 ein „Integriertes Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ auf den Weg bringen möchte. In diesen Prozess sind zahlreiche zivilgesellschaftliche AkteurInnen, Beratungseinrichtungen, wie die Mobile Beratung, die beiden Beratungsstellen für Opfer rechter und rassistischer Gewalt, Aussteigerinitiativen, das Elternberatungsnetzwerk sowie eine Reihe weiterer Verbände, Vereine, Institutionen, Behörden und Ministerien eingebunden. Ziel ist es, in einem partizipatorischen Prozess langfristige Strategien und Konzepte zu entwickeln.

Weitere Links:

Mobile Beratung NRW gegen Rechtsextremismus

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:| Alle Bundesländer im Jahresrückblick 2013

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