Im Jahr 2006 hat die DVU in Sachsen-Anhalt ein Traumergebnis geholt: 12,6 Prozent der Wählerstimmen entfielen auf die rechtsextreme Partei. Inzwischen ist die DVU Geschichte, stattdessen schickt sich die NPD an, in die Fußstapfen zu treten. Während die NPD bei der Kommunalwahl 2009 in Halle und Mageburg je 2 Prozent der Stimmen erhielt, stehen nach aktuellen Umfragen ihre Chancen nicht schlecht, diesmal die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen und in den Landtag einzuziehen. In Sachsen-Anhalt interessierten sich schon 2006 nur 44,4 Prozent de Wählerinnen und Wähler genug für die Landtagswahl, um hinzugehen.
Die Prognosen für dieses Jahr sehen nicht besser aus. Das spielt den kleinen Parteien in die Hände, und darauf wartet keine mehr als die NPD. Die verliert – bisher nicht rechtsverbindlich gelungenen Vereinigungsversuchen mit der DVU zum Trotz – zunehmend ihre führende Funktion in der rechtsextremen Szene. Sich selbst verwirklichende „Autonome Nationalisten“ suchen keine Führer mehr und interessieren sich auch nicht wirklich für Parteiendemokratie. Und zahlreiche Neuparteien konkurrieren mit der NPD darum, das rechtspopulistische Wählerpotenzial zu ködern. So könnte die NPD einen Landtagseinzug nicht nur finanziell, sondern auch taktisch gut gebrauchen, um ihre Stellung in der Nazi-Szene Deutschlands zu sichern.
Es wird allerdings nicht nur die mangelnde Wahlbeteiligung sein, die der NPD zugute kommt. Wählen muss sie ja trotzdem jemand – trotz skurriler, teilweise vorbestrafter Kandidaten mit großem Ego und grauenhaftem Versmaß. Was bietet die NPD im Landtagswahlkampf 2011? Sie hat sich für den „sächsischen Weg“ entschieden und dessen Erfinder, den sächsischen NPD-Chef Holger Apfel, gleich zum Wahlkampfleiter gemacht: So versucht die NPD durch bürgerliches Auftreten, Beschwören der „Heimatliebe“ und lokale Themen, aber auch durch modern gestaltete Materialien eine größere Menge den Wählerinnen und Wählern zu erreichen, die für Anti-Politiker-Hetze, Law-and-Order-Politik und rassistische Thesen vielleicht ein offenes Ohr haben. Zugleich unterstreichen die Vorstrafen und (manchmal unfreiwillig an die Öffentlichkeit geratenen) Wortmeldungen der verschiedenen Kandidaten, dass man sich auch im weniger gemäßigten Neonazi-Spektrum zu Hause fühlt.
Im Internet versucht es die NPD und ihr Spitzenkandidat Matthias Heyder (stets als „unser Heyder“ präsentiert) mit langweiligen Onlinespielen („Heyder räumt auf“) und so Werbevideos mit weinender Mutti (Vater muss aber gar nicht wegen Volksverhetzung ins Gefängnis, wie es bei der NPD auch möglich wäre, sondern zum Arbeiten in den Westen). Der Versuch, über Twitter und Facebook Menschen zu erreichen, ließ die Partei dagegen offenbar aus Mangel an Erfolg wieder ruhen. In der realen Welt setzt die NPD auf eine Materialschlacht, pflastert die Laternenmasten mit Plakaten, was sich als günstige Strategie erwiesen hat – gerade wenn die NPD-Plakate als einzige politische Plakate vermitteln, die NPD-Anhänger seien auch die einzigen „Kümmerer“ bis ins Dorf.
Medienöffentlichkeit gab es durch die skurilleren Kandidaten: Etwa Schornsteinfeger Lutz Battke aus Laucha, dessen Fußballclub sich mit einer Distanzierung vom Trainer mit dem Hitlerbärtchen äußerst schwer tat, Hans Püschel, der in seiner Funktion als Bürgermeister von Krauschwitz von der SPD zur NPD wechselte – und zuletzt durch die Enthüllungen von tagesschau.de und dem npd-Blog über Foreneinträge von Spitzenkandidat Matthias Heyder, in denen dieser zum Bombenbau anleitet und zur Vergewaltigung linker Politikerinnen aufruft. Dies allerdings torpedierte das bürgerliche Selbstbild der Partei deutlich.
Es gibt viele Gründe, eine solche Partei nicht zu wählen. Das Argument der Politikverdrossenheit, in den 1990er Jahren en vogue, ist heute der Antwort gewichen: Menschen wählen die NPD, weil sie getäuscht werden und es nicht mitbekommen, dass die NPD eine durch und durch demokratiefeindliche, rassistische und menschenverachtende Truppe ist. Dies versuchen Kampagnen wie „Kein Ort für Neonazis“ oder „Wähl nicht NPD“ zu ändern, die viele gute Argumente aufführt, warum man von der NPD die Finger lassen sollte. Ähnliches wollen Filme der Infothek Dessau:
Teil 1:
Teil 2:
Zuletzt haben sich die Politiker der demokratischen Parteien zusammengeschlossen und einen Aufruf verfasst, dass ihre Landsleute doch bitte nicht die NPD wählen sollen. Sie haben gute Argumente: Die NPD ist eine rassistische und antidemokratische Partei; mit der NPD-Wahl kann man nicht gegen soziale Ungerechtigkeiten protestieren, weil die NPD die Ungleichheit von Menschen zum Prinzip machen will; die NPD bearbeitet keine Sachthemen, sondern nutzt die Landtage nur für Propaganda.
Es ist allerdings anzunehmen, dass dies den Wählerinnen und Wählern langsam bekannt ist. Es gehört zu den unangenehmeren Einsichten, dass NPD-Wählerinnen und -Wähler die NPD genau deshalb wählen, weil sie rechtspopulistischen Einstellungen zustimmen und auch nichts gegen einfache Welterklärungsmuster haben, solange andere an der Misere schuld sind und es hinterher ein Feindbild gibt. Und offenbar ist es einer zunehmenden Zahl von Menschen egal, dass durch ihr Nicht-Wählen solche Parteien zu Geld und Öffentlichkeit kommen.
Aber vielleicht hilft Humor?
Ein Klassiker ist der Spot von Oliver Kalkhofe nach der Landtagswahl 2006, der auch zeigt, wie furchtbar der DVU-Fernsehspot damals war:
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Mehr im Internet:
| Kein Ort für Neonazis in Sachsen-Anhalt (Kampagne der Amadeu Antonio Stiftung und von Miteinander e.V.)
| Wähl nicht NPD!
| Die bürgerliche Fassade der NPD ist in sich zusammengebrochen (mut-gegen-rechte-gewalt.de)
|(Die NPD kämpft um Sachsen-Anhalts Spießbürger(ZEIT online)
| Vorwurf gegen NPD-Kandidaten – extrem explosiv (Störungsmelder)