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NPD-Strategien im östlichen Mecklenburg-Vorpommern

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Wir schreiben das Jahr 2004. Bei den Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern erlangt die NPD zehn Mandate von 870 zu vergebenen. Insgesamt entfallen 0,4 Prozent der Stimmen auf ihre Kandidaten ? ein klägliches Ergebnis. Nur zwei Jahre später bescheren 7,3 Prozent der Wähler mit ihren Zweitstimmen der NPD den zweitgrößten Wahlerfolg bei Landtagswahlen seit ihrer Gründung (Landtagswahlen in Sachsen, 2004: 9,2 Prozent). Daraufhin ziehen sechs Abgeordnete der rechtsextremen Partei in den Schweriner Landtag ein. In wenigen Tagen finden die nächsten Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern statt. Wird die NPD nun auch ein Gros der Kommunalparlamente und erstmals einen Bürgermeisterposten erobern?

Ein Blick nach rechts

Der Stimmenzugewinn der NPD zwischen 2004 und 2006 ist unter anderem auf veränderte Strukturen innerhalb der rechtsextremen Szene zurück zuführen. Bis 2005 war die NPD in Mecklenburg-Vorpommern mit circa 200 Mitgliedern personell relativ schwach aufgestellt. Im Vorfeld der Landtagswahlen schmiedete man jedoch mit der regional stark verankerten freien Kameradschaftsszene eine ?Volksfront von rechts?. Zahlreiche Kader wurden Mitglieder der NPD und zogen auf hohen Listenplätzen in den Wahlkampf.

Dabei war ihnen die Unterstützung der freien Szene gewiss. Das Zusammenspiel aus politisch-strategischem Know-How und finanzieller Möglichkeiten seitens der NPD sowie starker regionaler Verankerung und Manpower der Kameradschaften legte den Grundstein für den Erfolg bei den Landtagswahlen von 2006. Diese Art der Zusammenarbeit hat auch im Wahljahr 2009 bestand und ist sogar enger und professioneller zu bewerten als je zuvor.

Ein weiterer Aspekt, der den Einzug der NPD in den Landtag ermöglichte und die Wahl in zahlreiche Kommunalparlamente befürchten lässt, ist die wachsende Stammwählerschaft insbesondere in den ländlichen Teilen Mecklenburg-Vorpommerns. Dort schüren die NPD-Vertreter geschickt Ängste, Neid und Vorurteile. Bedienen die Wut derer, die sich vom Staat im Stich gelassen fühlen. Geben sich als diskriminierte Oppositionelle, couragierte Politiker und gewinnen Sympathien als engagierte Vereinsmitglieder, besorgte Elternvertreter und nette Nachbarn.

Gleichzeitig gibt es in den ländlich geprägten östlichen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns nur wenige, die sich rechtsextremer Polemik und Aktivitäten entgegenstellen und versuchen Alternativen aufzuzeigen. Dieses Problem ist nicht allein der Abwanderung von engagierten Einwohnern geschuldet. In kleinen Gemeinden braucht es ungleich mehr Mut gegen eine offen gewalttätig auftretende Kameradschaft Stellung zu beziehen, als es beispielsweise in städtischen Strukturen der Fall ist. Eine direkte Konfrontation ist unausweichlich, während man sich in Städten zumeist in die Anonymität größerer Gruppen zurückziehen kann. Bei jedem Engagement gegen Rechts schwingt unweigerlich die Angst mit, Opfer rechtsextremer Bedrohung oder gar Gewalt zu werden. So wurden allein für das letzte Jahr 102 rechtsmotivierte Angriffe durch den Opferberatungsverein Lobbi für Mecklenburg-Vorpommern registriert (2007: 78).

Auch im sozialen Gefüge kleiner Gemeinden lassen sich Gründe finden, die die Zurückhaltung im Kampf gegen Rechtsextremismus erklären. Nicht selten handelt es sich bei Vertretern rechtsextremer Ideologie um alte Schulfreunde, Nachbarn oder Verwandte. In Widerspruch zu diesen zu gehen, bedeutet schnell auch, soziale Netzwerke zu riskieren.

Der NPD-Wahlkampf

Im Grunde befindet sich die NPD in einem Dauerwahlkampf. Immer wieder veranstaltet sie Feste und Infostände, so zum Beispiel in der letzten parlamentarischen Sommerpause. Während alle anderen Parteien in die Ferien gingen, tourte die NPD mit ihrem Fraktionsbus durch die Lande. Ein wünschenswerter Widerstand blieb aufgrund der Ferienzeit aus. Auch wenige Wochen vor den diesjährigen Kommunalwahlen veranstaltete die NPD eine Reihe von Infoständen. Allerdings stießen diese auf ein geringes Interesse, in manchen Orten sogar auf Widerstand bei der Bevölkerung.

Eine ständige Präsenz wird darüber hinaus mit regelmäßige Flyeraktionen und der Verteilung des so genannten ?Boten?, einer rechtsextremen Postwurfsendung, gezeigt. Er erscheint mehrmals im Jahr in regionalen Ausgaben, zum Beispiel als ?Uecker-Randow Bote? oder ?Greifswalder Bote?. Wie in den Flyern werden regionale Themen aufgegriffen und ideologisch aufgeladen, ohne dass für den Leser sofort der rechtsextremistische Hintergrund ersichtlich wird. Allerdings wurden in den letzten Ausgaben NPD-Werbung und von Beginn an Artikel von NPD-Mitgliedern veröffentlicht. Der Einfluss dieses Blattes ist angesichts mangelnder Alternativen enorm. So stellt der Bote für manche Einwohner die einzige Art Zeitung dar, die zu regionalen Themen politisch Stellung nimmt.

Spätestens mit der sehr frühen und massenweisen Plakatierung, vor der selbst abgelegene Dörfer nicht verschont blieben, eröffnete die NPD den aktuellen Wahlkampf. Mit ihren Slogans wie ?Grenzen dicht für Kriminelle? und ?Arbeit statt Einwanderung? greifen sie wie eh und je ihr Lieblingsthema auf und befriedigen so ihre Stammwählerschaft. Parolen wie Hartz-Armut, Praxisgebühr, Mehrwertsteuer – Es Reicht?, oder ?Preise runter – Es Reicht? richten sich hingegen eher an potentielle Protestwähler. Zugleich bedienen sie mit Texten wie ?Ländliche Infrastruktur stärken? oder ?Ländliche Schule erhalten? die Themen im ländlichen Raum. Das wohl paradoxeste Plakat des diesjährigen NPD-Wahlkampfes ist betitelt mit ?Nicht meckern, handeln?. So ist die NPD doch hauptsächlich für eine menschenverachtende Polemik und nicht für konstruktive Aktivitäten bekannt.

Diese weitestgehend globalen Parolen werden durch Flyer ergänzt, die sich bestimmten regionalen Themen widmen. Im Uecker-Randow-Kreis ist ein Flyer betitelt mit ?Etablierte Parteien lehnen Verkehrsentlastung für B104 ab – Grenzübergang Linken für LKW schließen?. Auf Usedom heißt es ?Brauchen wir ein deutsch-polnisches Schulzentrum? – Identität, Kultur und Heimat bewahren?. Damit greifen sie in der Region diskutierte Themen auf und hetzen unter verschiedenen Überschriften gegen polnische Einwanderer ? das zentrale Thema der NPD in der Grenzregion zu Polen.

Prognose 2009: Mehr NPD-Vertreter in den Kommunalparlamenten von M-V als je zuvor

Für diese Kommunalwahlen ist davon auszugehen, dass die NPD ein Vielfaches der Mandate von 2004 gewinnen wird. Das ist in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass sich an die 90 NPD-Kandidaten um Mandate in den Kommunalparlamenten, Kreistagen und als Bürgermeister bewerben. Gleichzeitig ist auch nicht mit einem übermäßigen Erfolg der NPD zu rechnen, denn viele Kandidaten sind bislang noch nicht in Erscheinung getreten und selbst der einheimischen Bevölkerung weitestgehend unbekannt. Hinzu kommt, dass laut einer aktuellen Umfrage von Infranet dimap die NPD bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern nur vier Prozent erreichen und damit den Einzug in den Schweriner Landtag verpassen würde.

Im Landkreis Uecker-Randow sind mit Tino Müller und Daniel Mante auch zwei Kandidaten für die Bürgermeisterposten ins Rennen geschickt worden. Allerdings zeigte der von Innenminister Lorenz Caffier auf den Weg gebrachte so genannte „Radikalenerlass“ seine Wirkung. Der Erlass beinhaltet unter anderem, dass Kandidaten für das ehrenamtliche Bürgermeisteramt ihre demokratische Einstellung unter Beweis stellen müssen. Diese wurde bei Kameradschaftsmitglied, HDJ-Aktivist und NPD-Fraktionsmitglied Tino Müller nicht ganz unberechtigt in Frage gestellt und daher die Kandidatur um das Bürgermeisteramt in Ferdinandshof verweigert. Doch auch dieses scharfe, wie umstrittene Schwert der Demokratie konnte nicht verhindern, dass Daniel Mante in Löcknitz als Bürgermeisterkandidat zugelassen wurde und sechs weitere Kandidaten für die Gemeindevertretung angetreten sind.

Damit hat die NPD Löcknitz offensichtlich zum Wahlkampfschwerpunkt auserkoren und den Ort dermaßen zuplakatiert, dass sich selbst potentielle Wähler belästigt fühlen müssten. Grund für die Propagandaschlacht sind die vorwiegend aus der nahen Großstadt Szczecin stammenden neuen polnischen Einwohner, aus deren Reihe sich sogar ein Kandidat für die Gemeindevertretung aufstellen ließ. Sie waren in der Vergangenheit des Öfteren Opfer rechtsextremistischer Einschüchterungsversuche und Gewalt geworden, vorbereitet durch gezielte Hetze in den benannten rechtsextremen Veröffentlichungen.

Was will die NPD in den Kommunalparlamenten?

Die Arbeit in den Kommunalparlamenten ist für die NPD sicher nicht der bevorzugte Weg, nach der Staatsmacht zu greifen, zumal er mühsam und finanziell unattraktiv ist. Scheinbar hält die Partei die Kommunalparlamente jedoch für eine geeignete Bühne, um ihre menschenverachtende Weltanschauung zu verbreiten und eigenen Mitglieder bekannt zu machen. Das ist in Hinblick auf die nächste Landtagswahl im Jahr 2011 ein nicht zu unterschätzender Faktor. Denn in Anbetracht von circa 1,3 Millionen Euro, die die NPD jährlich für ihre Arbeit im Schweriner Landtag kassiert, lässt sich die Bedeutung eines erneuten Einzugs für den Ausbau rechtsextremer Strukturen erahnen.

Ein Nebeneffekt des kommunalpolitischen Engagements der NPD könnte zudem sein, dass sich Kommunalvertreter und Einwohner an deren Präsenz und Ansichten gewöhnen, zu Lasten einer kritischen Auseinandersetzung. Schnell könnten kommunale Entscheidungen von der NPD-Ideologie gefärbt werden, schlimmstenfalls z.B. ?national-befreite? Zonen kommunalpolitisch vorbereitet werden.

Bei all der Aufmerksamkeit, die der NPD vor den Wahlen immer wieder geschenkt wird, gilt es, eines nicht zu vergessen: Dass sie in Mecklenburg-Vorpommern mit circa 400 Mitgliedern eine immer noch kleine Partei bleibt. Demgegenüber stehen mindestens weitere 1.000 Personen, die in rechtsextremen Netzwerken aktiv sind und maßgeblich für die Verbreitung rechtsextremistischer Einstellungen verantwortlich sind. Deren Aktivitäten entziehen sich zumeist der breiten Öffentlichkeit und sind damit als ungleich gefährlicher einzuschätzen. Der Erfolg der Rechtsextremisten und damit nicht nur der NPD, kann am Wirkungsvollsten eingeschränkt werden, in dem die Vorzüge einer demokratischen Gesellschaft von jedermann erkannt und gelebt werden. Demokratische Werte als solche sind nicht vererbbar und müssen sich von jedem Einzelnen zum Teil mühsam erarbeitet werden. Dies bedarf dauernder Aufmerksamkeit und Unterstützung des Staates und der Zivilgesellschaft, nicht nur im Vorfeld der Wahlen.

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