Moderner Okkultismus geht auf ähnliche Quellen wie der Neopaganismus zurück, auch gelten bezüglich Irrationalismus, Antimodernismus und Zivilisationskritik ähnliche Vorbehalte wie für das Neuheidentum formuliert. Anders als dieses jedoch zeichnet den Begriff „Okkultismus“ ein deutlich stärkerer Praxisbezug aus – so bezeichnet werden im Allgemeinen magische Handlungen und Rituale, von denen der Ausführende meist einen konkreten Nutzen für sich erwartet. Neben der genannten Gründungsliteratur der Esoterik können Okkultisten dabei auf eine recht breite Basis an mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Spruchsammlungen, Kräuterliteratur usw. zurückgreifen. Auf dieser Bedeutungsebene meint Okkultismus also einzelne Praktiken, die wie Pendeln oder Tischrücken teilweise recht weit verbreitet sind, ebenso wie ganze praktisch-magische Systeme.
Als N[ational]S[ozialistischer]-Okkultismus wird die Tatsache bezeichnet, dass zahlreiche Prominente aus den Reihen der NSDAP okkultistischen Zirkeln angehörten. Dazu zählt die Ariosophie, die die Theosophie (aus dem Griechischen, Lehre vom Göttlichen) der Helena Blavatsky (1831-1891) stark auf deren rassistische Lehren bezieht, nach der die arische Rasse die am weitesten entwickelte sei, und um magisch-okkultistische Praktiken anreichert (siehe: Neopaganismus). Männer wie Guido von List (1848-1919), Gründer der Ariosophie, oder sein Nachfolger Jörg Lanz von Liebenfels (1874-1954) wollten die vorchristliche Religion als Ausdruck der „Volkseele“ verstanden wissen, „welche die noch heute lebenden Ideale des deutschen Volkes vergöttlichten“, so von List in seiner Schrift „Von der deutschen Wuotanspriesterschaft“ (1893). Führende Nationalsozialisten wie der NS-Ideologe Alfred Rosenberg (1893-1946) sahen im Nationalsozialismus solche verschütteten, aber durch die „Blutlinie“ unter der Oberfläche weitergegebenen Ideale am Werk. Die ursprünglichen Germanen seien „Gottmenschen“ gewesen mit „Zauberfähigkeiten“, die durch die „Verstandeslehren“ der christlichen Kirche unter „Zurückdrängen des Gefühlslebens“ verloren gegangen seien. Es komme, so von List, darauf an, die alten, überlieferten Rituale wiederzubeleben und ihnen den gefühlsmäßigen und intuitiven Gehalt zurückzugeben, den sie vor der Christianisierung gehabt hätten, um das Göttliche in den „Ariern / Germanen“ zu neuem Leben zu erwecken.
Die Christianisierung sei ein Werk des Judentums gewesen, so eine verbreitete Überzeugung, die von vielen Okkultisten, Neuheiden und Esoterikern geteilt wird. Den Juden sei durch „Vermischung mit Tieren“ ihre ursprüngliche Göttlichkeit abhanden gekommen, schreibt der chilenische Esoteriker Miguel Serrano (Jahrgang 1917) in seinem Buch „Das Goldene Band. Esoterischer Hitlerismus“ von 1978. In der Diaspora („Verstreuung“) – also nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahr 136 nach unserer Zeit und die Vertreibung der Juden – müssten den Juden, so Serrano weiter, die Traditionen der „Völker“, bei denen sie leben, als „natürlicher Feind“ erscheinen, da diese Ausdruck „andersartigen und überlegenen Menschentums“ seien. Also würden sie alles daran setzen, „Tradition und Adel“ zu vernichten.
Es ist eine Folge irrationaler, also letztlich vernunftfeindlicher Weltbilder, wie sie Neuheidentum, Esoterik und Okkultimus darstellen, dass solche absurden Theorien plausibel erscheinen. Denn, wo alles allein eine Frage des Glaubens ist, dort rückt alles in den Bereich des Möglichen und Denkbaren. Ob die Menschheit von Aliens abstammt, ob mittels Auspendeln Kontakt zu Verstorbenen aufgenommen werden kann oder ob „die Juden“ sich mit Tieren „vermischt“ hätten, ist letztlich austauschbar. Auch wenn selbstverständlich nicht alle Okkultisten antisemitisch oder rechtsextrem sind.
Dieser Text wurde uns freundlicherweise von der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung zur Verfügung gestellt