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Opferberatungen kritisieren Polizeiverhalten

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Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch kann manches Mal gar nicht fassen, wie einige seiner Beamten vor Ort auf Angriffe von Rechtsextremen reagieren: „Neulich kamen Jugendliche, die sich gegen Rechts engagieren, in die Dienststelle, um Anzeige zu erstatten. Rechte hatten auf ihre Klingelschilder Spuckis geklebt, um sie daran zu erinnern ?Wir denken an dich.?“ Den Polizisten sei nichts Besseres eingefallen als ihnen zu antworten: „Na, das ist doch nett, wenn jemand an dich denkt.“ Für Glietsch ist dieses Verhalten jedoch ein Fehler individueller Beamten. Dies sei in keiner Organisation hundertprozentig vermeidbar, so Berlins Polizeipräsident bei einer Diskussion mit Vertretern von Opferberatungsprojekten am vergangenen Montag in der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Das sieht Helga Seyb von der Berliner Opferberatung ReachOut anders. Jeder Fehler sei einer zu viel. Wenn Polizisten die Opfer nicht ernst nähmen oder ihnen sogar eine Mitschuld an rechten Angriffen unterstellen, hinterlasse das tiefe Spuren. Für Seyb gibt es zu viele dieser „individuellen Fehler“. „Gerade vorige Woche zum Beispiel ist eine Gruppe Farbiger in Berlin auf der Straße angegriffen worden. Sie beschreiben die Täter als Skinheads. Aber die Polizei hat noch vor Ort versucht ihnen auszureden, dass der Angriff irgendetwas mit Rassismus zu tun haben könnte.“

Darüber, wie solche Fehler künftig vermieden werden können und was sonst noch schief läuft in der Zusammenarbeit von Polizei und Nicht-Regierungsorganisationen bei rechtsextremer Gewalt, waren sich Polizei- und Projektvertreter nicht immer einig.

Die Berater und Beraterinnen kritisierten nicht nur das unsensible Verhalten mancher Polizisten im Umgang mit den Opfern, sondern auch strukturelle Defizite. „Wir erfahren zu spät von Gewalttaten, bei denen der Verdacht besteht, dass sie rechtsextrem motiviert sind. Und ein paar Monate nach der Tat können wir den Opfern dann nicht mehr richtig helfen“, sagte Dominique John von der Opferperspektive Brandenburg. „Wir wollen frühzeitig von einem Angriff erfahren, damit wir vor Ort recherchieren und den Betroffenen unsere Hilfe anbieten können“, so John.

Selbst einfache Vorgänge scheinen oft nicht zu funktionieren: ReachOut ist eine anerkannte so genannte „Erst-Anlaufstelle“ für die Opfer rechtsextremer Gewalt in Berlin. Vor Ort sollten Polizisten daher den Betroffenen nach einem Angriff einen Zettel mit Anschrift und Telefonnummer der Beratungsstelle in die Hand drücken können. „Das geht in der täglichen Einsatzbelastung manchmal unter“, räumte Glietsch ein. Allerdings habe sich in den vergangenen Jahren „ein positives Klima entwickelt“. Das sei nicht immer so gewesen. Dennoch, so Glietsch: „Bei der Sensibilisierung unserer Beamten haben wir noch nicht das erreicht, was wir uns vorstellen.“

Um Verbesserungen möglich zu machen, setzt Glietsch auf die Aus- und Weiterbildung seiner Beamten. Und wenn die nicht fruchtet? „Dann mache ich solche Sachverhalte in der Behörde publik“, sagte Glietsch. „Ich spreche mit dem Direktionsleiter und anderen Vorgesetzen und setze darauf, dass sich das herum spricht und bekannt wird.“ Es gehe es nicht darum, die Kollegen an den Pranger zu stellen, aber deutlich zu machen, „dass das so einfach nicht geht“. Die betreffenden Beamten würden dann zwangsweise in die Weiterbildung geschickt, die ansonsten freiwillig sei.

Polizeipräsident weist Kritik zurück

Einen Kritikpunkt wies Glietsch jedoch scharf zurück: Dass Beamte nicht immer völlig frei von eigenen Vorurteilen an die Ermittlungen herangingen. Opferberater sehen das anders: „Wenn das Opfer zu einer Gruppe gehört, die bei Polizisten mit dem Stigma vermeintlicher Straftäter behaftet sind, dann spielt das mitunter durchaus eine Rolle für die Beamten bei der Beurteilung der Tat“, sagte Seyb. Darunter fallen Punks, Antifa-Aktivisten oder auch Migranten aus afrikanischen Staaten.

Wie zum Beispiel in der Berliner Hasenheide. Die Tatsache, dass dort Drogendealer afrikanischer Herkunft gefasst würden, dürfe nicht zu Vorurteilen und flächendeckenden Personalkontrollen für alle nicht-deutscher Herkunft führen, mahnte Seyb. „Die These, dass Polizisten nach der Hautfarbe entscheiden, ob jemand eine Straftat begeht oder nicht, ist absolut falsch“, nahm Glietsch seine Beamten in Schutz. Opferberater berichten anderes: Dass Polizisten nach einem rassistischen Angriff zunächst die Personalien der Verletzten überprüfen und die Täter unterdessen genügend Zeit haben zu flüchten. Oder dass ein Polizist, der die Schilderung eines von Rechtsextremen verletzten Punks kommentiert: „Schau dich doch mal an, wie du aussiehst. Ist doch kein Wunder, dass die dich angreifen.“

Ein weiteres Problem ist die Finanzierung von Opferberatungen. Einige SPD-Politiker wollen dafür eine Bundesstiftung schaffen, die die Arbeit der aktuellen Förderprogramme „Vielfalt tut gut“ und „kompetent.für Demokratie“ fortsetzen soll. 150 Millionen Euro hat Niels Annen vom SPD-Parteivorstand dafür als Anfangskapital im Visier. Doch bislang sperrten sich weite Teil der CDU/CSU-Fraktion gegen das Vorhaben, sagte Annen am Rande der Konferenz.

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