Mit dem Journalisten und Sprecher des „Bündnisses gegen Rechts Braunschweig“, David Janzen, sprach Jan Riebe über „Bragida“.
Finden in Braunschweig noch Demonstrationen von „Bragida“ statt?
Ja, „Bragida“ gibt es noch. Inzwischen haben über 60 solcher „Spaziergänge“ stattgefunden. Allerdings hat sich der Charakter deutlich verändert. Der erste „Sparziergang“ von „Bragida“ im Januar 2015 war zugleich auch der größte. Es kamen rund 450 Anhänger_innen, aber auch nahezu 10.000 Gegendemonstrant_innen. Aufgrund der Masse der Gegendemonstrant_Innen konnten Sie keinen Aufzug durchführen und nur eine Kundgebung abhalten. Beim 2. Mal waren es nur noch 320 Personen, die sich an der „Bragida“-Kundgebung beteiligten, auch hier gab es wieder Massenblockaden. Danach pendelte sich die Teilnehmer_innenzahl recht bald auf rund 60 Personen ein. Mal waren es ein bisschen über hundert, mal nur 30. Ab dem Sommer 2015 waren es dann meist nur zwischen 20 und 40 Personen, mit leicht abnehmender Tendenz. Bis heute gibt es aber immer noch Gegenproteste von deutlich mehr Menschen, zuletzt waren es immer so zwischen 60 und 120 Menschen, die jeden Montag gegen die Auftritte von BRAGIDA protestieren.
Und wer demonstriert dort?
Das Spektrum der Personen bei „Bragida“ hat sich im Laufe der anderthalb Jahre durch das Schrumpfen verändert. Anfangs waren auch viele Jüngere dabei. Also eher so rechtsorientierte Jugendliche, die nicht in Strukturen eingebunden waren. Außerdem viele Personen aus den Mischszenen von subkulturellen orientierten Neonazis, Rockern, Hooligans mit Überschneidungen zu Sicherheitsfirmen. Es gab da auf der einen Seite viele, die zwar diffuse rechte, nationalistische und rassistische Einstellung haben, aber vorher meist nicht politisch aktiv waren. Dann waren da Personen aus der organisierten rechten Szene, und auch Menschen aus rechtspopulistische oder rechtskonservativen Gruppierungen und Parteien.
Bei der ersten Versammlung von „Bragida“ war etwa der bekannte Rechtsextreme Dieter Riefling da, oder der NPD-Ratsherr Friedrich Preuß aus Helmstedt, außerdem Aktivisten der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten (JN)“, der Partei „Die Rechte“, dazu ehemalige Aktivisten der verbotenen Gruppierung „Besseres Hannover“ und „HoGeSa“-Anhänger aus ganz Niedersachsen, außerdem auch Anhänger der AfD. Es war zunächst ein ziemliches Sammelsurium von Leuten, deren Klammer vor allem der antimuslimischen Rassismus war.
Den organisierten Neonazi-Gruppen ist es in Braunschweig zuvor nie gelungen, über ihre direkten Anhänger hinaus ein sympathisierendes Umfeld auf die Straße zu bringen. Das Neue und Gefährliche war also, dass hier tatsächlich nicht nur die klassische rechte Szene auftrat, sondern auch Menschen, die zuvor nie zu politischen Aktionen zu mobilisieren waren. Im Unterschied zu Dresden war das Bild aber weniger von gutbürgerlichen Personen geprägt. Die ersten „Spaziergänge“ erinnerten mehr an “HoGeSa“-Versammlungen oder Neonaziaufmärsche und waren auch von einer sehr aggressiven Stimmung getragen.
Inzwischen sind bei „Bragida“ ja nur noch 20-30 Teilnehmer_innen und meist sind das immer die gleichen Gestalten. Jetzt wird das Bild eher von Menschen im Rentenalter geprägt, die jüngeren Rechten kommen nur noch vereinzelt. Weibliche Teilnehmende machen aktuell rund ein Drittel aus. Damit sind sie inzwischen stärker wahrnehmbar als zu den „Hoch-Zeiten“ von „Bragida“. Nach außen hin, ist das Erscheinungsbild jetzt eher „bürgerlich“, vom Inhalt ist das Ganze aber immer noch geprägt vom Hass gegen Linke, Muslime, Flüchtlinge, demokratische Politiker_innen und Journalist_innen geprägt. Es fallen immer wieder Schlagwörter der Neuen Rechten, der Identitären Bewegung, der Reichsbürger oder auch der Neonazis.
Stimmt es, dass Lutz Bachmann die Demonstrationen anmeldet?
Die Anmelder haben mehrmals gewechselt. Prominentester Anmelder war für einige Wochen tatsächlich Lutz Bachmann persönlich. „Bragida“ sah sich von der Polizei und der Versammlungsbehörde wohl nicht genug ernst genommen, daher hoffte man, mit einem Lutz Bachmann als Anmelder mehr Respekt zu bekommen. Sonst war er nicht vor Ort, denn nur der Versammlungsleiter hat die Pflicht, zu erscheinen. Einmal trat Bachmann auch als Redner auf, aber auch das brachte kaum Zulauf. Es kamen trotz diesem prominenten Redner nur 120 Teilnehmer_innen. Bei der Gegenkundgebung des „Bündnisses gegen Rechts“ waren dagegen 1.200 Menschen. Ab da war eigentlich klar, dass „Bragida“ gescheitert ist und bis auf einen kleinen Kern von Anhänger_innen keine Anziehungskraft mehr entfalten würde.
Interessant ist, dass einer der Organisatoren der ersten geplanten Versammlung zunächst aus der Rocker-Szene kam. Da gibt es vermutlich direkte Kontakte zu Siegfried Däbritz von „PEGIDA“ in Dresden. Dann wurde die Anmeldung wieder zurückgezogen, wohl auch auf Druck der Behörden.
Danach trat mit Sebastian Rinke aus dem Harz ein Anmelder auf, der kurz davor noch in der AfD war. Es gab da aber Streit über die Anmeldung und die AfD distanzierte sich davon. Dann war Annegret H. Anmelderin, die flog aber bei „Bragida“ raus, weil sie wohl allzu sehr für eine deutliche Abgrenzung zu Neonazis und gewalttätigen Hooligans eintrat. Heute wirbt sie für die AfD.
Danach trat Mirko W. als Anmelder auf, der zeigte etwa bei Facebook deutliche Sympathien für “HoGeSa“. Später wechselten die Anmelder immer mal wieder, es waren aber, mit Ausnahme von Sebastian Rinke, immer Personen, die vorher noch nicht durch politische Aktivitäten aufgefallen waren. Eine Konstante bei „Bragida“ ist Tina Müller, sie fungiert seit Beginn an als Sprecherin und ist neben den Anmeldern fast immer die Versammlungsleiterin. Sie ist sozusagen das Gesicht und „offizielle“ Sprachrohr von „Bragida“.
Spielt die lokale Naziszene eine Rolle bei den Demos?
Ja, aber dazu muss vorab gesagt werden, dass die regionale organisierte Neonaziszene eher sehr klein ist. Zu Beginn von „Bragida“ war vor allem die Partei „Die Rechte“ noch aktiv, die so aus 20-30 Mitglieder in der Region bestand. Nach internen Querelen existiert der „Kreisverband Braunschweiger Land“ aber nicht mehr. Derzeit ist der „JN Stützpunkt Braunschweig“ mit rund 15 Mitgliedern die einzig öffentlich wahrnehmbare neonazistische Struktur in der Stadt. Die Versammlungen von „Bragida“ zogen aber vor allem auch Neonazis aus der ganzen Region und darüber hinaus an. Diese waren damit zusammen mit „HaGida“ in Hannover ein Kristallisationspunkt der eher zersplitterten Neonazi-Szene in Niedersachsen, die zuletzt selbst kaum mehr Aufmärsche mit einer größeren Zahl von Teilnehmer_innen durchführen konnte. Da gab es auch direkte Querverbindungen ins Orga-Team von „Bragida“. Der Sohn von Tina Müller etwa war zusammen mit Aktivisten der Neonazi-Szene bei „HoGeSa“ in Hannover und nahm auch an einem „Kennenlerntreffen“ der Partei „Die Rechte“ teil. Der Impuls zur Gründung von „Bragida“ ging zum einen von Personen aus, die zuvor zu den “HoGeSa“-Versammlungen mobilisiert hatten. Dabei scheinen sich Kontakte zu Neonazis von „Die Rechte“ ergeben zu haben, es gab auch Kontakte von einigen Personen zu Siegfried Däbritz aus Dresden. Eine Zeitlang waren auch die rechten Hooligans der “HoGeSa“-Abspaltung von „Gemeinsam Stark Deutschland“ sehr sichtbar mit Transparenten bei “BraGida“. Die kamen dann aber meist aus anderen Städten, teilweise sogar aus anderen Bundesländern angereist. Viele davon waren dann auch immer wieder bei „HaGida“ in Hannover zu sehen. Überhaupt zogen die „Spaziergänge“ vor allem Personen aus der Umgebung an, also eher aus den ländlichen Regionen und Kleinstädten. Was auffällig war: dass die organisierte Rechte sich weitgehend zurückhielt, was etwa eigene Transparente, Symbole oder Fahnen anging. Die waren zwar mit dabei, stellten z.B. auch Ordner oder durften reden, aber nach außen wurde versucht, das nicht allzu deutlich zu machen.
Die Naziszene war also anfänglich durchaus präsent. Gab es Abgrenzungsversuche zur Nazi-Szene durch das Orga-Team von „Bragida“?
Ja, „Bragida“ hat sich immer dann von den Neonazis distanziert, wenn deren Teilnahme in der Öffentlichkeit thematisiert wurden. Konsequenzen hatte das aber keine. Auch nach Einschätzung der Polizei war ja der überwiegende Teil der Teilnehmer_innen bei „Bragida“ lange Zeit eindeutig der „rechtsextremen Szene“ oder dem rechten Hooliganspektrum zuzurechnen. Dementsprechend waren die Abgrenzungen eher taktischer Natur. Man wollte nach außen weiter den Anschein einer „Bürgerbewegung“ aufrechterhalten, konnte oder wollte die Neonazis und die rechten Hools, die von Tina Müller gerne als „unsere Sportjungs“ bezeichnet wurden, aber weiterhin mit dabei haben. Annegret H., die am Anfang neben Müller als Sprecherin auftrat, sagt, sie wäre aus dem Orga-Team gedrängt worden, weil sie sehr vehement gegen eine Zusammenarbeit mit und Duldung von Neonazis eingetreten wäre.
Die Trennungslinie verläuft dort, wo Neonazis allzu offen auftreten oder versuchten, die Versammlungen zu übernehmen. So durfte etwa bei einer Kundgebung im Herbst letzten Jahres Johannes Welge sprechen, der damals bei der Partei „Die Rechte“ in Hildesheim aktiv war. Es ist schwer vorstellbar, dass die Organisator_innen nicht wussten, wen sie sich eingeladen hatten. Als dieser aber in der Rede ausführte, er sei „überzeugter Nationalsozialist“, entzog Tina Müller ihm das Wort. Vorher gab es aber Applaus für seine Rede.
Ein anderes Mal versuchten Personen aus dem Spektrum der NPD-Nachwuchsorganisation „Junge Nationaldemokraten“ und der Partei „Die Rechte“, die BRAGIDA-Versammlung quasi zu übernehmen. Nachdem ihr Redner entgegen vorherigen Absprachen nicht sprechen durfte, entrollten sie demonstrativ Fahnen in den Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot heraus und forderten die anderen Teilnehmer_innen auf, sich ihnen anzuschließen und einen spontanen Aufmarsch durchzuführen. Dies misslang allerdings und das Dutzend bekannter Neonazis blieb unter sich, während man bei „Bragida“ betonte, ihre Farben seien „Schwarz-Rot-Gold“. Ab da war die organisierte Neonazi-Szene nur noch vereinzelt mit dabei. Für die Neonazis gibt es da auch nichts mehr zu gewinnen. Anfänglich konnten die Nazis die “Bragida“-Versammlungen ja noch nutzen, um im direkten Kontakt vor allem jüngere Teilnehmer_innen anzusprechen und neue Kontakte zu knüpfen. Es nehmen aber weiterhin auch organisierte Neonazis teil.
Anfang des Jahres trugen zwei Anhänger der JN das Fronttransparent. Als kurze Zeit später einer der beiden beschuldigt wurde, zwei Schüler angegriffen zu haben und dabei dem einen den Kiefer doppelt gebrochen zu haben, distanzierte sich Tina Müller auf einer der nächsten Versammlungen öffentlich von den beiden und sagte, man wolle die „JN“ dort nicht mehr sehen. Als die beiden ein paar Monate später wieder dort auftauchten, wurden sie von anderen Teilnehmern freundschaftlich und mit Handschlag begrüßt, durften dann aber offensichtlich nicht an der Versammlung teilnehmen. Auch inhaltlich gab und gibt es aber jede Menge Überschneidungen zu extrem Rechten und auch neonazistischen Positionen.
Spielt die AfD eine Rolle? Wenn ja, hat die sich verändert?
Die AfD spielt eine geringe Rolle. Anfänglich war „Bragida“ zu sehr von der Hools- und Nazi-Szene dominiert. Das widersprach dem bürgerlichen Auftreten der AfD. Jetzt ist „Bragida“ auf 30 Personen zusammenschrumpft und daher viel zu erfolglos, als dass die AfD sich hier einbringen würde. Natürlich nimmt da auch das eine oder andere AfD-Mitglied teil, aber es gibt kaum eine direkte öffentliche Bezugnahme der AfD zu „Bragida“. Das liegt aber auch daran, dass „Bragida“ einfach kein Erfolgsmodell ist. Eine zu große Nähe könnte da eher abschreckend für manch potentiellen Wähler der AfD sein. In den Redebeiträgen bei „Bragida“ wird sich aber durchaus immer wieder positiv auf die AfD bezogen.
Wer redet? Welche Themen werden dort in Reden, auf Plakaten benannt?
Auch bei „Bragida“ traten die „Stars“ der „Pegida“-Szene auf, wie Tatjana Festerling, Lutz Bachmann, Ignaz Bearth, Edwin Wagensveld oder Michael Mannheimer. Auch die ehemalige NPD-Funktionärin Sigrid Schüßler trat auf, sowie die ebenfalls bei „Pegida“-Demonstrationen tourenden Redner Sebastiano Graziani, Victor Seibel und Curd Schuhmacher (aka „Volxtribun“). Sie bedienen hier die gleichen Themen wie bei anderen „Pegida“-Ablegern. Daneben gab es immer wieder ein „offenes Mikro“ oder Redner_innen von vor Ort sprechen. Da fließen dann auch mal lokale Themen ein. Inzwischen sind es eine Handvoll Leute, die mehr oder weniger jedes Mal reden und oft auch fast dasselbe sagen. Insgesamt wird immer sehr viel geredet, oft dauern die Reden über eine Stunde, während der eigentliche „Spaziergang“ nur sehr kurz geht. Zuhörer_innen gibt es aber außer den wenigen Teilnehmer_innen eigentlich keine und so wird sich vor allem auch direkt an den Gegendemonstrant_innen abgearbeitet und diese dann beschimpft und beleidigt. Neben dem anfänglichen Hauptthema, die angeblich drohende „Islamisierung“ geriet auch in Braunschweig das Thema Flüchtlinge schnell in den Vordergrund. Ansonsten gibt es da ein buntes Sammelsurium an Themen und Positionen, die von der „BRD GmbH“, dem „Volkstod“, über „Chemtrails“, „GEZ Gebühren“, sinkenden Renten bis hin zu hohen „Hundesteuern“ alles abdecken, was es so an Themen der „Wutbürger“ gibt.
Welche “Lösungsstrategien” werden propagiert, welches Gesellschaftsbild?
Es gab keine Lösungsstrategien, nur klassische Schuldzuweisungen, wie auch auf anderen „Pegida“-Aufmärschen: Schuld sind die Geflüchteten, der Islam, die Lügenpresse, die Gutmenschen. Aber auch hier ergießt man sich in Verschwörungstheorien. So beispielsweise, dass die Geflüchteten gezielt durch Merkel nach Deutschland gebracht worden seien, um den „Volkstod“ herbeizubringen, oder immer wieder in der Behauptung, die Gegendemonstrant_innen seien alle bezahlt. Eigentlich geht es meist darum, dass irgendetwas „Weg muss …“: Merkel, die EU, Flüchtlinge, Lügenpresse, Gegendemonstrant_innen etc. und man sich endlich einen „Volksaufstand“ herbeiwünscht.
Spielen Soziale Netzwerke eine Rolle, und wenn ja, welche?
Soziale Netzwerke haben eine, wenn nicht die zentrale Rolle bei der Mobilisierung gespielt. Hierüber lief die Vernetzung und Mobilisierung. Andere Methoden wie die eigene Webseite oder Infostände in der Stadt waren wenig erfolgreich. Innerhalb eines Monats erzielte die Facebook-Seite von „Bragida“ 5.000 „Gefällt mir“-Klicks. Wenn man sich diese jedoch näher angeguckt hat, so kam ein Großteil davon nicht aus der Region, sondern von „Pegida“-Fans fernab von Braunschweig, viele auch aus Dresden. So war von vornherein klar, dass das Mobilisierungspotential in Braunschweig für „Bragida“ viel kleiner war als ein flüchtiger Blick auf die Facebook-Seite dies hätte vermuten lassen. Zu unterschätzen ist aber nicht, wie hier gezielt in den sozialen Netzwerken versucht wird, entsprechende Stimmungen zu schüren, damit ist man durchaus erfolgreich.
Wie kommt das Thema in pädagogischen Feldern an und wie wird es bearbeitet?
„Bragida“ war anfänglich ein großes Thema in der Stadt. Nahezu 300 Organisationen und Personen unterschrieben den Aufruf zum Protest gegen „Bragida“. Selbst die CDU rief dazu auf, gegen „Bragida“ auf die Straße zu gehen. Ungefähr 10.000 Menschen demonstrierten gegen den ersten „Sparziergang“. So war es auch in den Schulen ein großes Thema. In der Stadt hat es zu einer verstärkten Debatte über die Integration von Muslimen und auch Geflüchteten geführt. „Bragida“ hatte eine Art ungewollten Katalysatoreffekt. Muslime sind seitdem viel stärker im öffentlichen Leben wahrnehmbar und es gibt zahlreiche Initiativen und Projekte, die sich um geflüchtete Menschen kümmern.
Tina Müller ist als Sprecherin eine der Führungsfiguren von „Bragida“. Wie sichtbar sind Frauen generell bei „Bragida“?
Bis nach der ersten Versammlung von „Bragida“ weigerten sich die Organisatoren, mit der Presse zu sprechen und blieben anonym. Dann traten Tina Müller, Annegret H. und eine weitere Frau gemeinsam als Sprecherinnen nach außen. Davon blieb dann nur Tina Müller als „offizielle“ Sprecherin. Damit ist das Bild von „Bragida“ deutlich stärker durch Frauen geprägt, als dies etwa bei „Pegida“ der Fall ist. Frauen waren auch als Ordnerinnen mit in die Organisation eingebunden, trugen das Fronttransparent mit oder traten als Rednerinnen auf.
Gegen den ersten Sparziergang gingen 10.000 Personen auf die Straße. Wie wurde so eine breite Mobilisierung bewerkstelligt?
In Braunschweig gab es von Beginn an ein breites Spektrum an Gegenprotesten. Das reichte von der Antifa bis zur CDU. Die CDU unterzeichnete zwar nicht den Aufruf zur Gegendemonstration, da ihr darunter wohl zu viele linke Gruppen waren. Sie rief aber dazu auf, sich an Gegenprotesten zu beteiligen. Wir haben mit dem „Bündnis gegen Rechts“ hier ein Bündnis, das seit über 15 Jahre existiert und wo sehr unterschiedliche Gruppen zusammenarbeiten. Da ist natürlich viel an Vertrauen und Akzeptanz über die Jahre entstanden. Als „Bragida“ anfing, da gab es ja schon die beunruhigenden Bilder aus Dresden, wo es ja Montag für Montag immer mehr Menschen „Pegida“ folgten.
Da gab es diese Stimmung unter vielen in der Stadt, so etwas wie in Dresden dürfen wir hier erst gar nicht entstehen lassen. Dadurch da der Gegenprotest zu Beginn sehr groß und deutlich breiter, als wir das als „Bündnis gegen Rechts“ etwa von den Protesten gegen Neonaziaufmärsche in der Stadt kennen. Da waren nie mehr als 5.000 bis 6.000 Menschen. Die Teilnehmendenzahl von „Bragida“ ging dann ja auch schnell zurück. „Bragida“ beklagte sich auch, in der Stadt ein Anti-“Bragida“ Klima herrsche – eine durchaus richtige Einschätzung. Dies führte dazu, dass viele sich nicht öffentlich zu „Bragida“ bekennen wollten, obwohl vielleicht deutlich mehr Menschen auch hier gewisse Positionen von „Pegida“ teilen. Auch der wöchentliche Turnus der „Sparziergänge“ hat „Bragida“ wohl eher geschadet. Man muss schon sehr überzeugt oder stur sein, wenn man jeden Montag auf die Straße geht, dabei immer gleiche Reden hört und eigentlich feststellen müsste, dass immer weniger Anhänger_innen zusammenkommen und kaum jemand erreicht wird. Selbst bekannte Redner wie Lutz Bachmann zogen ja kaum mehr Teilnehmende an.
„Bragida“ ist personell stark geschrumpft. Die rechte Hool- wie Naziszene hat sich zurückgezogen. War „Bragida“ also ein kompletter Misserfolg für die rechte Szene?
Rassistische, islamfeindliche, extrem rechte und neonazistische Positionen gab es natürlich auch schon vorher. Aber diese waren nicht so sichtbar und kaum so öffentlich präsent, wie jetzt. Es gibt jetzt deutlich mehr Menschen, die entsprechende Positionen offen äußern, insbesondere natürlich in den sozialen Netzwerken. Profitiert hat in Ansätzen zumindest die rechtsextreme Szene, die Neonazis. Sie konnten unter den jungen Teilnehmenden von „Bragida“ Leute für sich gewinnen. Zudem verschwinden die Grenzen zwischen dem neonazistischen Spektrum und der eher „bürgerlichen“ extremen Rechten und Rechtspopulisten. Aktuell hat das noch nicht so sichtbare Folgen, könnte sich aber in Zukunft positiv für die rechte Szene auswirken.
Dennoch sind viele aus der rechten Szene frustriert zurückgeblieben. Nazis beschweren sich, dass „niemand mehr den Arsch hochkriegt“. Auch Protest gegen Geflüchtete verlaufen aus ihrer Sicht für sie kläglich. Es gab mehrere Versuche, Bürgerwehren zu gründen, die allesamt im Anfangsstadium, meist schon als rein virtuelle Facebook-Gruppen, gescheitert sind. Mit Beginn von „Bragida“ sind allerdings die behördlich registrierten Zahlen rechter Straf- und Gewalttaten sprunghaft in der Stadt angestiegen, ein Trend, der sich weiter fortsetzt. Man merkt ein deutlich aggressiveres Auftreten der Neonazis. Die fühlen sich natürlich bestärkt, weil ihre Themen inzwischen auch bis in die Mitte der Gesellschaft diskutierbar geworden sind.
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