Mit Juliane Zeller, die als engagierte Frankfurterin bei den Protesten gegen die Frankfurter „Gidas“ dabei war, sprach Simone Rafael.
Gibt es regelmäßige Aufmärsche von der Gida-Bewegung vor Ort?
Im Oktober 2014 gab es den ersten Versuch, solche Demonstrationen auch in Frankfurt durchzuführen: „Fragida“. „Fragida“ entstand im Umfeld der Wählervereinigung „Bürger für Frankfurt (BFF)“ und der AfD, erhielt allerdings so viel Gegenwind von der örtlichen Zivilgesellschaft („NoFragida“), dass „Fragida“ niemals versuchte, auf die Straße zu gehen.
Das tat erstmals „Pegida Frankfurt“ unter Heidi Mund im Dezember 2014. Zu „Pegida Frankfurt“ kamen rund 100 Menschen, bei der Gegendemonstration waren 16.500 Menschen. „Pegida Frankfurt“ wurde sofort blockiert und konnte keinen Meter laufen. Das blieb auch bei den folgenden „Pegida Frankfurt“-Terminen so. „Pegida Frankfurt“ demonstrierte wöchentlich, bis zum März 2015.
Dann hat Lutz Bachmann Heidi Mund das Recht entzogen, ihre Veranstaltungen weiter unter „Pegida“-Label zu machen. Das hat Mund allerdings nicht entmutigt – sie nannt die Veranstaltungen nun „Freie Bürger für Deutschland“. Es war aber die gleiche traurige Truppe. Die demonstrierte bis Mitte Juni 2015.
Dann gab es dann noch einen etwas anderen, weil an die Hooligan-Szene gerichteten Versuch, Rassismus auf die Straße zu bringen: Die „Widerstand Ost/West“-Demonstration der jungen Rechts-Aktivistin Ester Seitz. Aber auch hier kamen statt der anvisierten 1.000 „Patrioten“ nur 186 Teilnehmende,unter anderem aus den Reihen der „Berserker Pforzheim“, und wieder 5.000 Gegendemonstrant_innen, die blockiert haben – diesmal auch mit Unterstützung der Frankfurter Fußball Fanszene. Danach war es mit dem Demonstrationen vorbei. Wobei es faktisch ja eh keine waren, denn maximal sind die Pegidisten einmal im Gitter herum gelaufen.
Wer demonstriert dort?
Da liefen im Schnitt so 30 bis 40 Personen auf, vielleicht ein Drittel Frauen. Ich vermute, dass so viele Frauen dabei waren, weil die Organisatiorin und Anmelderin Heidi Mund eben auch eine Frau ist. Hauptsächlich waren es ältere Menschen, nur ein oder zwei Jugendliche waren dabei. Insgesamt wirkten die Teilnehmenden wie die Trinkerhäuschen-Kioskszene. Bei der letzten Demonstration am 17.06.2015 waren die „Freien Bürger für Deutschland“ gerade noch 18 Personen. Eine davon war natürlich Heidi Mund, die auf der Straße saß und weinte. Sie hätte vermutlich immer weiter demonstriert, hatte aber das Geld für Lautsprecherwagen und Demo-Infrastruktur nicht mehr. Sie kündigte stattdessen Video-Botschaften auf Youtube an. Dort ist sie allerdings nicht gerade aktiv.
Wer meldet die Demos an?
Angemeldet wurden die Demonstrationen von „Pegida Frankfurt“ und den „Freien Bürgern für Deutschland“ von Heidi Mund und ihrem Mann Mathias. Sie sind evangelikale Christen. Heidi Mund ist schon vorher mit islamfeindlichen Aktionen in der Öffentlichkeit aufgefallen, insofern war sie keine überraschende Akteurin in Frankfurt.
Spielte die lokale Naziszene eine Rolle bei den Demos?
Der bekannte NPD-Kader Stefan Jagsch, ehemaliger Landesvorsitzender der NPD Hessen, war bei Demonstrationen dabei – kam allerdings nicht mehr, seitdem Heidi Mund sich des öfteren in einer Israel-Flagge gehüllt hatte und Israel zum Bollwerk gegen die Islamisierung erklärt hatte. Das gefiel offenbar der NPD Frankfurt nicht. AfD-Mitglieder waren auch bei den Demos, traten aber auch nicht als AfD in Erscheinung.
Gibt es eine Abgrenzung zur Nazi-Szene vor Ort und wenn ja wie erfolgt diese?
Heidi Mund hat sich immer auf die Position zurückgezogen, sie wolle keine NPD oder Nazis auf der Veranstaltung, aber sie erkenne die Menschen auch nicht. Das ist aber wenig glaubwürdig, in Frankfurt sind die lokalen Neonazis recht bekannt, es gibt ja nicht sehr viele.
Wer hat geredet?
Heidi Mund hat immer gesprochen, dazu hat sie „prominente“ Islamhasser als Redner eingeladen wie Michael Stürzenberger aus München und den Hass-Blogger „Michael Mannheimer“. Auch Ester Seitz hat gesprochen.
Welche Themen werden dort in Reden, auf Plakaten benannt?
Das zentrale Thema war Islamhass. Das zweitbeliebteste waren die „linksgrünversifften Rotfaschisten“, also alle Menschen, die nicht bei „Pegida Frankfurt“ waren. Aber auch Homo- und Transfeindlichkeit war ein Thema. Da haben die Gegendemonstrant_innen junge Männer auf ihre Schulter gehoben, die sich geküsst haben. Heidi Mund stand in ihrem Gitterkäfig und hatte keine gute Laune.
Welche “Lösungsstrategien” werden propagiert, welches Gesellschaftsbild?
Keine Lösungsstrategien. Ansonsten ist Heidi Mund wie gesagt aus einem evangelikalen Umfeld, dass heißt, sie propagiert ein striktes, anti-modernes Familienbild und Bild der Welt. Allerdings ist sie strikt pro-israelisch – aus Islamhass, der in ihrem Weltbild der Motor zu sein scheint. Speziell ist, dass sie sich von Gott berufen fühlt und auch gern einmal erzählt, wie sie mit Jesus über Themen spricht. Deshalb war es auch den Kirchen sehr wichtig, sich hier zu positionieren.
Spielen Soziale Netzwerke eine Rolle, und wenn ja, welche?
Ja,ohne die Mobilisierung in den Sozialen Netzwerken hätte es sicher nicht einmal diese kleinen Demonstrationen gegeben. Bei „Facebook“ gibt es „Pegida Rhein-Main“ und die „Freien Bürger für Deutschland“. Hier wurde mobilisiert und organisiert. Außerdem gab es online noch „Fragida“ und „Pegida Hessen“.
Alle Demonstrationen wurden von Frauen organisiert. Haben die in der Rechtsaußen-Szene in Frankfurt generell viel zu sagen?
Nein, das war eher überraschend. Normalerweise sind es hier Männer, die die rechtsxtreme Szene bestimmen – NPD-Kader Daniel Lachmann, oder Kai König aus dem Kameradschaftsumfeld der „Nationalen Sozialisten Rhein-Main (NSRM)“.
Wie sichtbar sind Frauen?
Bei „Pegida Frankfurt“ waren es vielleicht ein Drittel der Teilnehmenden. Neben Heidi Mund und Ester Seitz kannten man noch „Christine“ – die ist angeblich bei Ausschreitungen im März von einem Stein am Kopf getroffen worden und kam fortan nur noch mit Fahrradhelm zur Demonstration.
Gab es geschlechtsspezifische Ansprache?
Vor allem ging es eben um Islamhass – innerhalb dessen gab es etwa Auslassungen darüber, wie frauenfeindlich der Islam sei.
Gibt es Gegenprotest? Wer organisiert sie?
Die Gegenproteste waren sehr breit aufgestellt – Islamfeindlichkeit und Rassismus passen einfach nicht zum Selbstverständnis vieler Menschen in einer international orientierten Stadt wie Frankfurt. Da waren Schüler_innen und Student_innen dabei, Geschäftsleute, Gewerkschafter_innen, aber auch Banker_innen oder Passant_innen, die sich spontan angeschlossen haben. Ich war vorher auch noch nie auf einer Demonstration, aber das Thema war mir wichtig. Bei den Protesten waren Antifa-Bündnisse dabei, die Anti-Nazi-Koordination (ANK), das bürgerlicher „Römerberg-Bündnis“ – und alle demonstrierten zusammen, mit dem klaren Ziel: Blockade. „Pegida Frankfurt“ sollte keinen Meter laufen. Auch die Kirchen, vor deren Türen die Pegida-Treffen stattfanden, waren bei den Protesten dabei, hingen Anti-Rassismus-Banner an ihre Fassaden. Hans-Christoph Stoodt , der ehemalige Pfarrer der Katharinenkirche in Frankfurt, hat sich auch mit einem Megaphon neben die „Pegida“-Kundgebung gestellt und lautstark über sie aufgeklärt. Weil die Ablehnung der „Pegida“-Positionen hier so umfassend Konsens ist, zog sie sich vom linken bis ins konservative Lager, und niemand hielt diese Menschen für „besorgte Bürger“, sondern für die Rechtspopulist_innen und Islamfeind_innen, die sie sind. Schön war: Nach jeder „Pegida“-Gegendemonstration – die ja vor allem eine Blockade war – gab es eine Spontandemonstration durch die Frankfurter Innenstadt mit dem Tenor: „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda!“ Da haben sich immer viele Passant_innen spontan angeschlossen.
„Pegida“ ist in Frankfurt Geschichte. Hatten die Aufmärsche Folgen? Was machen die Leute jetzt?
Sie sind immer noch die verschwindend kleine Minderheit, die sie vorher schon waren – ohne jeglichen Einfluss auf die Stadtgesellschaft.
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