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Pegida, quo vadis? Heute München

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Protest gegen "Pegida München" gab es anfangs sehr stark, aber auch später beständig. Foto vom 02. November 2015. (Quelle: Flickr.com / Creative Commons CC by-sa 2.0 / Ilias Bartollini)

Aus diesem Grund traf sich Bastian Flossmann sich mit Robert Andreasch (Mitarbeiter des a.i.d.a.-e.v./Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e. V.) zum Interview, um Hintergründe und Spezifika der Münchner Gidas zu erfragen. 

Wie lange ist Pegida München jetzt schon auf der Straße?

Seit Januar 2015, mit einer leichten Verzögerung zum sächsischen „Original“, finden jeden Montag, bis auf wenige Ausnahmen, Aufmärsche von „Pegida-München“ statt, bis jetzt sind es 56. Diese wurden noch bis vor kurzem von bis zu 400 Teilnehmer_innen besucht. Dabei fällt auf, dass sich die Zusammensetzung der Teilnehmenden anfangs quer durch alle gesellschaftlichen Schichten und Geschlechter zog, nur Kinder waren fast nicht vertreten. Mittlerweile verschieben sich die Verhältnisse der Zusammensetzung der Demonstrationsteilnehmer_innen stark. Es dominiert vor allem ein Typus, der des älteren Mannes, 50+, mit Zug zur Rente und gesellschaftlich abgehängt.

Zusätzlich zu den wöchentlichen Märschen veranstaltet „Pegida“ seit einiger Zeit fünf mal pro Woche, auf zentralen Münchner Plätzen, Kundgebungen, die sogenannten „Muezzin Rufe“. Bei diesen Kundgebungen werden mehrmals stündlich die Gebete eines Muezzins imitiert, um gegen einen eventuellen Moscheebau in München zu protestieren. 

Wie wichtig waren beziehungsweise sind Soziale Netzwerke für Pegida-München?

Zur Vorbereitung und Organisation der „Pegida“-Aufmärsche dienten Soziale Netzwerke wie Facebook, welche nach wie vor Hauptinformationsquelle der Bewegung darstellen. Darüber hinaus wurde die Facebookseite „Pegida-Bayern“ geschaffen, ganz eindeutig von den Initiator_innen von „Pegida-München“. Es handelt sich dabei um eine anonyme Domain und dementsprechend wird um ein vielfaches heftiger gehetzt, da keine Strafverfolgung befürchtet wird. 

Spielen bei den Märschen und Kundgebungen auch die schon vor „Pegida“ bekannten Münchner Nazi-Akteure eine Rolle?

Ja, die lokale Naziszene ist von Beginn an integraler Bestandteil der „Pegida“-Aufmärsche in München. Sie wurden sogar teilweise in die Ordner_innen-Strukturen integriert. Sie dürfen sowohl schwarz-weiß-rote Fahnen tragen als auch eigene Transparente. Darüber hinaus fällt auf, dass bekannte Münchner Nazis immer wieder Transparente und Schilder von „Pegida“tragen. Es gibt keine Bemühungen seitens „Pegida-München“, den Nazis durch Verbot ihrer Symboliken Einhalt zu gebieten, noch sich anderweitig von ihnen zu distanzieren.

Wie eingebunden und akzeptiert Nazis tatsächlich bei „Pegida-München“ sind, lässt sich anhand zweier Beispiele konkretisieren: Im März 2016 marschierten Mitglieder der ultrarechten Kaderpartei „Der Dritte Weg“ mit einem deutlich kenntlichen Fronttransparent auf den Auftakt-Kundgebungsort von „Pegida“ zu – und wurden mit Applaus begrüßt. „Der III. Weg“ ist ein Auffangbecken der im Jahr 2014 verbotenen Kameradschaft „Freies Netz Süd“. Darüber hinaus nimmt die „Identitäre Bewegung“ in unregelmäßigen Abständen an den „Pegida“-Aufmärschen in München teil. Ist dies der Fall kommt es gewissermaßen zu einer quasi Übernahme der Demonstration durch die „Identitäre Bewegung“, welche dann durch ein weiteres Fronttranparent, Seitentransparente, Fahnen sowie eigenen Sprechchören erheblich auf die Außenwirkung der Demonstration einwirken.

Desweiteren wurde das typische „Pegida“-Fronttransparent am 25.04.2016 ausgetauscht und statt einem Hakenkreuz wird dort nun das Symbol der CDU und SPD in den Mülleimer geworfen.

Letztlich ist dies aber auch nur ein weiterer Anhaltspunkt, der offenlegt, dass die seit 25.04.2016 geführten internen Debatten hinfällig sind, die um die Frage geführt wurden, ob die starke Beteiligung der Münchner Naziszene zum großen Verlust an Teilnehmer_innen bei den Pegida-Aufmärschen in München führte. Nazis sind von Anfang an dabei und sind tolerierter, wenn nicht sogar akzeptierter Teil von „Pegida München“. 

Welche Rolle spielt die Afd im Zusammenhang mit „Pegida-München“?

Wahrnehmbar spielt die AfD keine Rolle. Dennoch, und das ist eine Besonderheit im bundesweiten Vergleich, gab es schon mindestens 3 Gastbeiträge von Rednern, welche sich klar als AfD-Mitglieder zu erkennen gaben. Dabei wurde auch das AfD-Logo an die Videowand des Lautsprecherwagens projiziert. Außerdem gibt es selbstverständlich zahlreiche Überschneidungen des Publikums bei „Pegida“und AfD-Veranstaltungen in München. 

Wer redet denn bei den Märschen in München und was wird thematisiert?

Es gibt nur eine kleine Auswahl an Redner_innen, denn scheinbar herrscht in München ein chronischer Redner_innen-Mangel, in dessen Folge sich ein Konzept durchgesetzt hat, das eben keine benötigt. Es werden Videos eingespielt und diese werden dann meist von Heinz Meyer kommentiert. Er ist einer der wenigen, der fast zu jeder Demonstration spricht. Dazu kommen Maria Frank, „Doro“ und die erst vor einigen Wochen scheinbar aus dem Organisationsteam geschasste  Birgit Weissmann. Also auch hier eine relative Gleichverteilung der Redeanteile, abgesehen von Heinz Meyer, zwischen Frauen und Männern.

Die Themenschwerpunkte sind aus neurechter Perspektive weitestgehend klassisch besetzt und dementsprechend zwischen völkischem Rassismus, sogenannter „Systemkritik“, Lügenpresse, Antiislamismus, Verschwörungstheorien, „frühkindlicher Sexualisierung“ und „Genderwahn“ zu verorten. Dabei sind die Inhalte der Reden vor allem eins: wirr und bisweilen konträr zum Selbstverständnis der Pegida-Bewegung. Letzteres verdeutlicht sich, wenn beispielsweise Heinz Meyer zur 25-minütigen Brandrede zur Emanzipation der Frau ausholt.

Das beliebte Konzept der bundesweiten Besuche und Gastreden von Lutz Bachmann und Co. will in München nicht so recht funktionieren. Bachmann geht, wahrscheinlich aufgrund von internen Unstimmigkeiten, lieber zu der weit kleineren und unbedeutenderen „Pegida-Nürnberg„. 

Welche Rolle spielen Frauen hinsichtlich der Organisation und Aufgabenverteilung bei den Märschen und Kundgebungen vor Ort?

Hier ist Birgit Weissmann zu nennen, welche zu den ersten Organisator_innen zählt, langzeitige Anmelderin, Rednerin und Versammlungsleiterin der „Pegida“-Aufmärsche war, aber seit einiger Zeit wohl nicht mehr dabei ist. Es bleibt abzuwarten, welche Rolle Frauen im Organisationsteam nach dem Ausscheiden von Birgit Weissmann spielen werden. Auffällig ist das es seit dem Wegfall der Doppelspitze Weissmann Meyer zu einer „Kompetenzakkumulation“ zugunsten Heinz Meyers kommt und er mehr oder minder den Führer von „Pegida-München“ mimt.

Bei den Kundgebungen und Infoständen hilft immer Maria W., dazu kommen zwei Frauen, die Spenden einsammeln.

In den Ordner_innen-Strukturen sind fast ausschließlich Männer, auch die Verteilung der Aufgaben innerhalb des Organisationsteams sind sehr geschlechtsspezifisch aufgeteilt. Die Traversen, die Tonanlage, die Videoleinwand wird von Männern aufgebaut und bedient, auch der LKW wird von Männern gefahren und das Angreifen von Journalisten ist selbstverständlich Männersache. Das Geldeinsammeln, Flyer verteilen und Fahnen zusammenlegen, ist dann eher die Angelegenheit der Frauen. 

(Wie) wird bei den Aufmärschen Geschlecht inszeniert, beziehungsweise wie werden die Teilnehmer_innen auf geschlechtlicher Ebene angesprochen?

Es werden ein paar Schilder getragen mit Anti-Gender-Parolen wie „Genderwahn stoppen“ und es wird gegen eine vermeintliche „Frühsexualisierung“ zu Felde gezogen. Eher selten sind homophobe Äußerungen. Vor allem werden aber massenhaft Anti-Gender-Flugblätter der „Jungen Freiheit“ verteilt. Geschlecht ist allgegenwärtiger Teil der Politik, die dort gemacht wird, nicht erst seit Januar 2016. Die deutsche Frau, die vor dem migrantischen Mann geschützt werden muss, spielt hier eine immer wiederkehrende Rolle. Die Inszenierung einer Kämpferattidüde, welche dem deutschen Mann zugeschrieben werden könnte, bleibt indes aus.

Bitte gib uns zum Ende des Interviews noch eine Zusammenfassung und Einschätzung der Gegenproteste in München.

Die Gegenproteste lassen sich gut in drei Phasen unterteilen. Zunächst veranstalteten Kulturschaffende der Stadt München zur ersten „Pegida“-Veranstaltung einen sehr großen allumfassenden Protest mit allem drum und dran, zum Beispiel Konzerten und anderen Kunst- und Kulturveranstaltungen, an denen sich bis zu 20.000 Menschen beteiligten. Nach zwei Veranstaltungen dieser Art war das öffentliche Interesse scheinbar um einiges geringer und es folgte die zweite Phase. Diese ist gekennzeichnet durch das massive Schrumpfen der Teilnehmer_innen-Zahlen und dem Hängenbleiben der Protestorganisation an antifaschistischen Gruppen. Durch die massive polizeiliche Repression gegenüber antifaschistischen Aktivist_innen und die nicht endenden faschistischen Aufmärsche kam es fast zum Erliegen der Gegenaktivitäten. Dann um den 9.November 2015 herum begann die dritte Phase mit der ersten erfolgreichen Blockade der Faschist_innen. Seit dem sind wieder mehr Menschen an den Gegenprotesten beteiligt und es ist ein deutlicher Anstieg an Gegenaktivitäten aller Art zu verzeichnen.

 

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