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Plakat-Aktion Israelhass und Judenhass lassen sich nicht trennen

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Wie in jedem Jahr hängen wir rund um den 9. Oktober, dem Jahrestag des Anschlags in Halle (Saale), und den 9. November, dem Jahrestag der Novemberpogrome, in ganz Deutschland Plakate auf: Wir legen mit dieser Plakatkampagne den Finger in die Wunde und sagen: Gemeinsam müssen wir Antisemitismus stoppen, egal wo und egal wann! (Quelle: Amadeu Antonio Stiftung)

„Um dem Antisemitismus etwas zu entgegensetzen sagen wir in diesem Jahr ganz klar Stopp und sagen auch dem israelbezogenen Antisemititmus in diesem Jahr den Kampf an“ erklärt Tahera Ameer, Vorständin der Amadeu Antonio Stiftung, am 8. November in der Bundespressekonferenz. Die Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus 2022, ein Projekt des Anne Frank Zentrums und der Amadeu Antonio Stiftung, legen erneut den Finger in die Wunde. Wie in jedem Jahr hängen die Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus rund um den 9. Oktober, dem Jahrestag des Anschlags in Halle (Saale), und den 9. November, dem Jahrestag der Novemberpogrome, in ganz Deutschland Plakate auf: Sie legen mit dieser Plakatkampagne den Finger in die Wunde und sagen: Gemeinsam müssen wir Antisemitismus stoppen, egal wo und egal wann! In den vergangenen Jahren ging es auf den Plakaten schon um die Beleidigung „Du Jude“, um die Phrasendrescher und Aufarbeitungsweltmeister – in diesem Jahr geht es um Antisemitismus gegen Israel. Der zeigt sich, wenn Israel mit ganz alten, klassischen, judenfeindlichen und antisemitischen Bildern dargestellt wird. Wir erklären, was die Plakate bedeuten:

Antisemitismus zeigt sich mal versteckt, codiert und aber auch manchmal ganz offen als blanker Judenhass. Weit verbreitet ist heutzutage der israelbezogene Antisemitismus. Der zeigt sich im Reden und Denken über Israel. Dabei hängt sich viel am Nahostkonflikt auf: Daran, wer als schuldig für die Situation wahrgenommen wird oder das Recht auf das Land hat. Wir fragen uns: Wie reden wir in Deutschland über die Situation in Israel und den palästinensischen Gebieten? Wo haben antisemitische Annahmen und Bilder ihre Finger im Spiel?

Viel zu oft wird der Nahostkonflikt antisemitisch beschrieben und kommentiert. Das ist vor allem auch für Jüdinnen*Juden weltweit, und eben auch in Deutschland ein Problem. Denn unter dem Deckmantel der „Israelkritik“ werden alle Jüdinnen*Juden zur Rechenschaft für israelisches Regierungshandeln gezogen oder werden Synagogen angegriffen, wenn es in Gaza, Israel oder der Westbank zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt.

Deshalb haben sich die Aktionswochen gegen Antisemitismus  in diesem Jahr vier weit verbreitete antisemitische Annahmen über Israel vorgenommen und sagen Stopp: „Israelhass und Judenhass lassen sich nicht trennen – Gemeinsam #AntisemitismusStoppen!“. Diese Annahmen sind nämlich mehr als nur verkehrt. Sie sind antisemitisch – und hier erfahrt ihr, inwiefern!

„Ist doch das Gleiche wie damals bei …“

Das ist nicht nur verkehrt, sondern antisemitisch. Denn: Der NS-Staat war eine brutale Diktatur. Die Nazis deportierten und ermordeten die jüdische Bevölkerung Europas. Das Ziel war alle von überall zu vernichten, „das Jüdische“ aus der Welt zu schaffen. Sechs Millionen Jüdinnen*Juden, 500.000 Sinti*zze und Rom*nja haben die Nationalsozialisten in wenigen Jahren ermordet. Der Staat Israel hingegen ist eine liberale Demokratie mit Menschenrechten und ein Rechtsstaat mit einer Gewaltenteilung. Es findet vor Ort kein Genozid statt und die israelische Bevölkerung ist divers und interkulturell. Israel ist ein demokratischer Staat und kein nationalsozialistisches Regime, das auf die Vernichtung von Palästinser*innen zielt. Gaza ist weder Auschwitz noch das Warschauer Ghetto.

Wer das Handeln jüdischer Israelis gegenüber der palästinensischen Bevölkerung mit dem Handeln der Nazis gegenüber der jüdischen Bevölkerung gleichsetzt, erklärt Jüdinnen*Juden zum Bösen und verteufelt sie.

Jeder dritte Deutsche glaubt diesen Unfug. Dass diese Meinung weit verbreitet ist, macht sie nicht wahr. Aber es erfüllt einen Zweck: Die Gleichsetzung Israels mit dem Nationalsozialismus relativiert und verharmlost die Shoah. Ein Hohn für alle Ermordeten, aber auch für die Überlebenden, die sich den Staat Israel nach der Shoah mühsam aufgebaut haben. Die Gleichsetzung vollzieht eine Täter-Opfer-Umkehr, die damaligen Opfer werden zu den neuen Tätern erklärt. „Gerade sie sollten es doch besser wissen“, wird dann geraunt. So als ob Auschwitz ein Lernort wäre und kein Vernichtungslager. Die Behauptung entlastet auch von der Schuld der eigenen deutschen Vorfahren. Wenn selbst die Opfer von damals jetzt „sowas“ machen, na dann können Opa und Oma ja nicht so schlimm gewesen sein. Kein Wunder also, dass jeder dritte Deutsche diesen Behauptungen zustimmt. Die Gleichsetzung zeichnet Israel als faschistischen und undemokratischen Staat und spricht ihm so die Daseinsberechtigung ab. Das ist so viel mehr als nur verkehrt. Es ist antisemitisch.

„Ich hab ja nichts gegen Juden, aber Israel …“

Das ist nicht nur verkehrt, sondern antisemitisch. Denn: Eine Verknüpfung zwischen den Jüdinnen*Juden, die in Deutschland leben, und der israelischen Regierungspolitik schürt das antisemitische Ressentiment, „die Juden“ steckten unter einer Decke. Wer vor einer deutschen Synagoge gegen die Politik Israels demonstriert, macht Israel zur Projektionsfläche des Judenhasses. Schließlich machen nicht die Jüdinnen*Juden in Deutschland, sondern die Mitglieder der israelischen Regierung die israelische Regierungspolitik. Sicher kann man nicht leugnen, dass Israel eine Rolle auch für Jüdinnen*Juden spielt, die dort nicht leben. Es ist eine Versicherung, ein Schutzraum, für alle, die von Antisemitismus bedroht sind. Niemanden kann man deshalb kollektiv verantwortlich machen für die israelische Politik. Zu glauben, Jüdinnen*Juden hier wären irgendwie für Israel verantwortlich, ist antisemitisch.

Dass immer wieder vor deutschen Synagogen gegen Israel demonstriert wird, dass „Free Palestine“-Rufe ertönten als das antisemitische Kunstwerk „People’s Justice“ auf der documenta abgehängt wurde, dass deutsche Jüdinnen*Juden beleidigt und angegriffen werden, wenn es im Nahen Osten wieder eskaliert, zeigt, dass israelbezogener Antisemitismus keine Lappalie ist, sondern brandgefährlich und Folgen hat für Jüdinnen*Juden hier. Antisemitismus zeigt sich heute sehr oft bezogen auf Israel. Was sich „Israelkritik“ nennt, ist allzu oft eine antisemitische Verarbeitung des Nahostkonflikts. Es zeigt auch: Israelhass und Judenhass lassen sich nicht auseinanderdividieren. Im Gegenteil: sie verweisen aufeinander und tauchen zusammen auf. Wo „Israelkritik“ eine Bühne bekommt, ist offener Judenhass nicht weit. Die documenta fifteen liefert dafür etliche Beispiele.

Die Vorstellung, Jüdinnen*Juden seien Israel gegenüber loyaler als ihrem Heimatland, hat fast jede*r zweite Deutsche. Ein uraltes Ressentiment. Schon immer behauptete der Antisemitismus, Jüdinnen*Juden steckten unter einer Decke und schmiedeten im Hintergrund Pläne, um der deutschen Bevölkerung zu schaden. Das kollektive verantwortlich machen aller Jüdinnen*Juden für israelische Regierungspolitik ist davon nur eine neue Variante. Das ist so viel mehr als nur verkehrt. Es ist antisemitisch.

„From the River to the Sea“

Das ist nicht nur verkehrt, sondern antisemitisch. Denn: Wer fordert, Palästina solle vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer reichen, lehnt nicht nur eine Zwei-Staaten-Lösung ab, sondern spricht Israel das Recht ab, zu existieren. Zwischen Fluss und Meer befindet sich heute Israel, der Gazastreifen und das Westjordanland. Ein „freies Palästina“ in diesem ganzen Gebiet, wie in der Parole „From the river to sea, Palestine will be free!“ gefordert wird, würde die Auslöschung des einzigen jüdischen Staates und somit des einzigen Schutzraums für Jüdinnen*Juden bedeuten. Das ist keine harmlose Forderung.

Die Geschichte des israelisch-arabisch-palästinensisches Konflikts ist lang und kompliziert. Hinter der Parole steht die Vorstellung, Israel sei eine Kolonialmacht, die sich unrechtmäßig dieses Land angeeignet habe. Jüdinnen*Juden, so die Behauptung, würden hier nicht hingehören. Tatsächlich herrschten vor der Gründung des Staates Israel in diesem Landstrich die Briten, eine wirkliche Kolonialmacht. Man kann Israel also auch als antikoloniales Projekt lesen – und so wurde es von vielen in den ersten fast zwanzig Jahren des Landes auch verstanden. Israel ist das Land der Verfolgten, Geflüchteten und Entronnen. Mehr noch: Es ist das Land derer, die im Gebiet rund um Jerusalem, Hebron und Nazareth seit mehr als 3.000 Jahren leben. Immer lebten Jüdinnen*Juden hier. Auch vor 1948 lebten hier viele Jüdinnen*Juden, etliche mehr kamen aus Europa dazu. Die Parole ignoriert all das und baut Palästina zur verwurzelten, zur autochthonen und damit zur rechtmäßigen Einheit auf. Alles außer Palästina sei Kolonialismus. Jüdinnen*Juden hätten dort nichts zu suchen. Fakt ist: Israel is on the map to stay. Als jüdischer Staat, der den von Antisemitismus Betroffenen Schutz bietet.

Die Parole „From the river to the sea“ spielt mit einer Auslöschungsfantasie. Israel soll von der Karte getilgt werden. Entsprechende Abbildungen zirkulieren im Internet seit vielen Jahren. Das ist so viel mehr als nur verkehrt. Es ist antisemitisch.

„Israel ist an allem …“

Das ist nicht nur verkehrt, sondern antisemitisch. Denn: Wer erklärt, alleine der Staat Israel sei für die Eskalationen im israelisch-palästinensischen Konflikt und darüber hinaus für all das Leid auf der Erde verantwortlich, knüpft an den Judenhass früherer Tage an. Seit Jahrhunderten, gar Jahrtausenden werden Jüdinnen*Juden zum Sündenbock gemacht. Ihnen wurde vorgeworfen, Katastrophen, Krankheiten, Seuchen und Kriege verursacht zu haben. Ein Beispiel ist der Vorwurf, Jüdinnen*Juden hätten im Mittelalter die Brunnen vergiftet und die Pest verursacht. „Die Juden sind unser Unglück“, schrieb Heinrich von Treitschke in einem antisemitischen Text im 19. Jahrhundert. „Israel ist unser Unglück“ steht heute auf Transparenten von Rechtsextremen.

Israel alle Schuld zuzuschieben, erfüllt einen Zweck: Man selbst kann sich auf der richtigen Seite der Geschichte wähnen, auf der Seite der Guten. Die Palästinenser*innen werden in diesem Weltbild als schwach und gut, die Israelis als übermächtig, allmächtig und böse vorgestellt und damit dämonisiert. Die Geisterfahrer*innen des guten Willens machen es sich auch zu leicht. Der Konflikt ist kompliziert, vor jedem Angriff steht ein anderer, schon lange kann es nicht mehr darum gehen, wer angefangen hat. Einseitige Schuldzuweisungen führen nirgendwohin.

Antiisraelische Ressentiments sind in Deutschland weit verbreitet. Israel hat einen schlechten Stand. Das zeigen Eskalationen wie die im Mai und Juni 2021 deutlich. Auf der Straße, aber vor allem auch in den Sozialen Medien tobte der Israelhass. Dabei reagierte Israel in dieser Zeit auf tausendfache Raketen aus dem Gazastreifen. Dennoch soll Israel an allem schuld sein. Das ist so viel mehr als nur verkehrt. Es ist antisemitisch.

 

Mehr über die Kampagne der Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus

Der Text erschien zuerst bei der Amadeu Antonio Stiftung.

 

 

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