Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Polizeiproblem „Insta-Cop“ in Beziehung mit Neonazi 

Von|
Symbolbild (Quelle: Flickr / kris krüg / CC BY-SA 2.0)

Sogenannte „Insta-Cops“ teilen ihren dienstlichen Alltag und geben auch mal den ein oder anderen privaten Einblick in das Leben von Polizeibeamt*innen. Sie nehmen ihre Follower*innen mit auf Streife, geben Einblicke in Trainingseinheiten und erzählen von Einsätzen. Die Repräsentation der Polizei auf der Social-Media-Plattform Instagram durch einzelne, ausgewählte Polizist*innen soll den Polizeidienst als sympathisch, offen, politisch neutral und Bürger*innen zugewandt präsentieren. Im Gegensatz zu privaten Profilen von Polizeibeamt*innen, sind diese Accounts offiziell Teil der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei und fungieren somit als offizielles Sprachrohr der jeweiligen Polizeidienststelle.

Das Landespolizeipräsidium Niedersachsen richtete 2017 die Strategische Koordinierungsstelle „Soziale Medien“ ein. Ein Jahr später wurde Instagram offiziell durch einen Erlass des Innenministeriums für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei freigegeben. 2019 gingen dann die ersten Profile der niedersächsischen „Insta-Cops” online. Darunter auch das Profil der Polizeikommissarin Anna Jendrny. Die 29-Jährige teilte bis vor kurzem ihren Alltag als Polizeidiensthundeführerin mit ihrem Diensthund Kenai. Vor dem Streifenwagen, beim Spaziergang im Wald, Tipps für den Urlaub mit Hund oder Spielen mit dem Privathund Bronson: Die Posts vermitteln den knapp 8.500 Follower*innen einen sympathischen Auftritt.

Screenshot vom mittlerweile gelöschten Profil der Kommissarin.

Leider wurde dieses scheinbar vorbildlich und perfekte Bild der Kommissarin nun von den Ergebnissen einer Recherche des Recherchekollektivs Ostwestfalen getrübt. Denn die 29-Jährige ist mit einem seit vielen Jahre bekannten Neonazi zusammen. Jendrnys Partner, Jannik Rohlfing ist seit über zwölf Jahren Teil der regionalen Neonazi-Szene. Der 32-Jährige nahm in der Vergangenheit nicht nur an rechtsextremen Demonstrationen teil, sondern übernahm auch die Rolle als Ordner bei einem Großaufmarsch in Bad Nenndorf 2014. 2010 war Rohlfing an einem gewalttätigen Angriff auf die Kneipe „Hamburger Hof“ in Minden (NRW) beteiligt. Vermummte Neonazis stürmten damals die Kneipe, zerstörten die Einrichtung und brüllten Parolen. Eine Person wurde verletzt, andere konnten fliehen oder sich verstecken. Im folgenden Gerichtsprozess gab Rohlfing laut Recherchekollektiv Ostwestfalen an, den linken Gästen der Kneipe „einen Denkzettel verpassen“ zu wollen. Im Herbst 2014 war Rohlfing an der Gründung des Stützpunktes „Hermannsland“ der rechtsextremen Kleinstpartei „Der III. Weg“ beteiligt. Das Umfeld Rohlfings verteilte damals rassistische Flyer und hetzte gezielt gegen Geflüchtete, woraufhin es laut Recherchekollektiv mehrere Angriffe auf Geflüchtetenunterkünfte in der Region gab.

Zwar ist es in den letzten Jahren eher ruhiger um den Neonazi geworden, doch von einem Ausstieg kann nicht die Rede sein. Bilder auf seinem privaten Instagram-Profil zeigen den gelernten Zimmermann und Restaurator beim Kampfsporttraining, dazu der Hashtag „Leben heißt Kampf“. Das kommentiert Dirk F., Mitglied der rechtsextremen „Mindener Jungs“: „Maschine !!!“. Seit 2018 organisiert diese Gruppe Konzerte der rechtsextremen Szene. Zuletzt im Mai 2022 mit der Band Oidoxie, die als Aushängeschild der verbotenen Neonazi-Organisation Combat 18 gilt. Die aktive Verbindung zu Kadern der „Mindener Jungs“ wird auch durch Kommentare und Gefällt-mir-Angaben anderer Mitglieder deutlich. Einen „schönen Urlaub“ wird unter einem Bild gewünscht, auf dem Rohlfing ein T-Shirt der rechtsextremen Szene-Band „Überzeugungstäter“ trägt. Andere Bilder zeigen ihn in Kleidung der rechtsextremen Musiklabels „OPOS-Records“ (kurz für „One People One Struggle, deutsch „Ein Volk, ein Kampf“) und der IB-Kleidungsmarke „Phalanx Europa“.

Polizeikommissarin und Insta-Cop Anna Jendrny lebt mit Rohlfing zusammen. Sie kümmern sich gemeinsam um den Privathund Bronson und auch Diensthund Kenai lebt im gemeinsamen Haushalt und ist beim Urlaub des Paares dabei. Ein Sprecher der Polizeidirektion Hannover teilte der taz mit, dass „sofort eine intensive Überprüfung“ eingeleitet wurde. „Sollte sich der Verdacht eines Fehlverhaltens bestätigen“, so der Sprecher weiter, „wird sofort ein dienst- und gegebenenfalls auch strafrechtliches Verfahren eingeleitet, von deren Ergebnis gegebenenfalls weitere Maßnahmen abhängen.“ Denn die Frage, die sich stellt ist, ob Jendrny angesichts der engen Verbindung zu Rohlfing dazu in der Lage ist, ihren Dienst als Polizeikommissarin neutral auszuüben. Als Beamtin unterliegt Jendrny dem Mäßigungsgebot. Dieses gibt vor, dass sich Beamt*innen durch „ihr gesamtes Verhalten inner- und außerdienstlich zur freiheitlichen demokratischen Grundverordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten“. Diese sogenannte Verfassungstreuepflicht fordert, dass sich Beamt*innen „eindeutig von Gruppen und Bestrebung distanziert, die Bundesrepublik Deutschland, ihre verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen oder diffamieren“. Die Disziplinarmaßnahmen, die einem entsprechendem Fehlverhalten folgen könnten sind vielfältig und beinhalten Verweis, Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung oder die Entfernung aus dem Dienst.

Im letzten Jahr urteilte das Verwaltungsgericht Potsdam in einem vergleichbaren Fall. Obwohl sich der Polizeipräsident damals für die Entfernung aus dem Dienst entschied, urteilte das Gericht, dass eine Brandenburger Polizistin mit bewiesenen Kontakten in die rechtsextreme Szene nicht aus dem Dienst entlassen werden dürfe. Das Ergebnis der polizeilichen Überprüfung im Fall Jendrny bleibt zwar noch abzuwarten, doch das von der Kommissarin betriebene Instagram-Profil der Polizei Hannover wurde inzwischen „bis auf Weiteres gesperrt“. Auch die öffentlich sichtbare Biografie auf Rohlfings Profil wurde entfernt und alle geteilten Beiträge gelöscht. In einem Beitrag des NDR wird berichtet, dass das Innenministerium in einer Pressekonferenz bezüglich dem aktuellen Stand der Ermittlungen betonte, dass es bisher keine Hinweise darauf gäbe, dass Jendrny sich „etwas zu Schulden kommen lassen hat“.

Berichte von Polizeigewalt, Racial Profiling oder die Aufdeckung rechtsextremer Chatgruppen weisen immer wieder auf ein strukturelles Problem innerhalb der Behörde hin. Auch dieser Fall reiht sich in die bittere Liste von Umständen ein, die ein vertrauensvolles Verhältnis mit der Polizei für viele Menschen unmöglich machen. Unabhängig von einem offiziellen Befund eines Fehlverhaltens der Kommissarin steht jetzt schon fest, dass die Idee einer Stärkung dieses Vertrauens mittels einer sympathischen Repräsentation auf Social Media, durch diesen Skandal nicht nur weit verfehlt, sondern wohl eher weiter geschädigt wurde. Eine Polizeikommissarin in einer Liebesbeziehung und ein Diensthund im gemeinsamen Haushalt mit einem Neonazi sind eine Grenzüberschreitung, die von der Polizei Hannover als solche erkannt und behandelt werden muss.

Foto oben: Flickr / kris krüg / CC BY-SA 2.0

Weiterlesen

house-g5fb130d6c_1920.jpg artur

Schwarze Sonne Neonazis posieren am Jahrestag des Anschlags vor Ulmer Synagoge

Am 5. Juni provozierten Neonazis aus dem Umfeld der Partei „Neue Stärke“ mit einer Schwarzen Sonne vor der Synagoge in Ulm – am Jahrestag des Anschlags auf das Gebäude. Es war eine Machtdemonstration, die hoffentlich Folgen hat: Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen.

Von|
Eine Plattform der