Gil Ofarim: Antisemitismus-Vorfall in Leipziger Hotel +++ Neonazis solidarisieren sich mit ehemaliger KZ-Sekretärin +++ Whatsapp-Gruppe bei der Polizei: Hitler-Video am „virtuellen Stammtisch“ nicht strafbar +++ Gedenkstätte Auschwitz antisemitisch beschmiert +++ Vater von Hanau-Attentäter wegen Beleidigungsvorwürfen vor Gericht
Vorfälle, Ermittlungen und Prozesse
Vater von Hanau-Attentäter wegen Beleidigungsvorwürfen vor Gericht
Hanau: Der Vater des Attentäters von Hanau muss sich an diesem Mittwoch (9.00 Uhr) wegen des Vorwurfs der Beleidigung am Amtsgericht Hanau verantworten. Es geht um Äußerungen in einer Anzeige sowie zwei Schreiben an Behörden. Das öffentliche Interesse an der Verhandlung ist groß, zahlreiche Pressevertreter haben sich angekündigt, deshalb wurde sie vorsorglich in den Congress Park Hanau verlegt. Nach Angaben des Gerichts wirft die Staatsanwaltschaft dem Mann vor, im Januar 2021 in einer Strafanzeige mehrere Menschen als »wilde Fremde« bezeichnet zu haben. Diese hätten zuvor in der Nähe seines Wohnhauses eine Versammlung unter dem Motto »Wir warten nicht auf einen neuen rassistischen Anschlag« abgehalten. Unter den Teilnehmern der Kundgebung seien auch mehrere Angehörige der Anschlagsopfer gewesen.
Erneut Vorfall mit rassistischen Hintergrund in Erfurter Straßenbahn
Montagnachmittag kam es in einer Straßenbahn Linie 6 in Erfurt zu einer körperlichen Auseinandersetzung. Ein 48-jähriger Mann stieg um 14.35 Uhr am Anger in die Tram ein. Als er sich hinsetzen wollte, wurde er von einem 50-jährigen Fahrgast ausländerfeindlich beleidigt, teilt die Polizei in einer Meldung mit. Der Geschädigte ging daraufhin zum Fahrer, der die Bahn am Fischmarkt anhielt. Als der Täter aussteigen wollte, stellte sich ihm der Geschädigte in den Weg. Der Täter versuchte daraufhin, den 48-Jährigen zu schlagen. Eine Streifenbesatzung wurde auf das Geschehen aufmerksam und trennte die beiden Männer, heißt es in der Meldung weiter.
Gedenkstätte Auschwitz antisemitisch beschmiert
Mehrere historische Gebäude der NS-Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau sind mit antisemitischen Parolen beschmiert worden. Die Gedenkstätte machte den Vorfall am Dienstag über Twitter publik. Es handele sich um einen „abscheulichen Angriff auf das Symbol einer der größten Tragödien der Menschheitsgeschichte und einen extrem schmerzhaften Schlag gegen das Gedenken an all die Opfer“, die im größten deutschen Vernichtungslager im Zweiten Weltkrieg starben. Neun hölzerne Baracken seien mit Parolen auf Englisch und Deutsch besprüht worden, hieß es. Einige davon nähmen Bezug auf Bibelpassagen, die häufig von Antisemiten zitiert würden, andere leugneten den Holocaust, also die systematische Ermordung von Millionen Jüdinnen und Juden durch die Nationalsozialisten. Die Polizei sei eingeschaltet worden, Aufnahmen von Überwachungskameras würden ausgewertet und die Schmierereien vor der Entfernung graphologisch untersucht, teilte die Gedenkstätte weiter mit.
WhatsApp-Gruppe bei der Polizei: Hitler-Video am „virtuellen Stammtisch“ nicht strafbar
In Alsfeld ist ein früherer Polizist verurteilt worden, weil er Polizeiinterna weitergab und Waffen nicht sorgfältig verwahrte. Wegen der Verbreitung eines Videos, in dem das Konterfei Adolf Hitlers zu sehen war, wird er dagegen nicht bestraft. Zehn Freunde waren Teil der WhatsApp-Gruppe. Man kannte sich seit vielen Jahren schon, hat auch immer wieder gemeinsam gefeiert, als „Clique“ haben sie sich gefühlt. Am 18. Februar 2018, um 22.23 Uhr, stellte Fabian G. ein Video in den Gruppenchat. Zu sehen war das Konterfei von Adolf Hitler. Das Video sollte den Eindruck hinterlassen, als würde der Diktator eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. War das ein „dummer Joke“, wie es der Verteidiger von Fabian G. nun erklärt? Oder ging es dem Angeklagten um die Verbreitung von rechtsextremistischer Propaganda?
Unbekannte beschmieren Schilder mit Hakenkreuzen
Münstertal: Unbekannte haben bei Münstertal (Kreis Breisgau/Hochschwarzwald) mehrere rechtsextreme Schmierereien angebracht. Unter anderem malten sie mit schwarzer Lackfarbe Hakenkreuze auf ein Klimaschutzaktionsschild und das Schild einer Metzgerei, wie die Polizei am Dienstag mitteilte.
Rechtsextremismus
Verfassungsschutzbericht: Deutlich mehr Rechtsextremisten in Sachsen
Der Rechtsextremismus bleibt in Sachsen weiterhin ein gesellschaftliches Problem. Wie aus dem aktuellen Verfassungsschutzbericht hervorgeht, stieg die Zahl der Rechtsextremisten im vergangenen Jahr im Freistaat auf 4.800. Im Vorjahr 2019 waren es noch 3.400 Personen. Der starke Anstieg sei damit zu erklären, dass die rechtsextreme Sammelbewegung der AfD „Der Flügel“ mit 1.400 Mitgliedern vom Verfassungsschutz in Bund und Ländern beobachtet wird.
Neonazis solidarisieren sich mit ehemaliger KZ-Sekretärin
Rechtsextremisten werben im Internet für „Solidarität“ mit der einstigen Schreibkraft im Konzentrationslager Stutthof bei Danzig. In einem in rechtsextremen Kreisen verbreiteten Aufruf wird Irmgard F. als „Rebellin von Itzehoe“ gefeiert. „Sie ist 96 Jahre alt, aber sie bietet dem Polit-Tribunal mutig die Stirn“, heißt es dort. Außerdem rufen die Verfasser dazu auf, am nächsten Verhandlungstag Mitte Oktober den Prozess zu besuchen. Weil die 96-Jährige vor dem Prozessbeginn am Landgericht Itzehoe geflohen war, saß sie zwischenzeitlich in Untersuchungshaft. Inzwischen wurde sie aus der U-Haft entlassen.
Rasanter Aufstieg eines Provokateurs mit rechtsextremen Ansichten
Paris: Er ist kein Präsidentschaftskandidat, er vertritt keine Partei, er will ausländische Vornamen in Frankreich verbieten – und er kommt in Umfragen auf 15 Prozent: Der Publizist Eric Zemmour ist die Überraschung im französischen Vorwahlkampf für die Präsidentschaftswahl im April 2022. Manche halten ihn für ein Medienphänomen, das bis zur Wahl wieder abflauen wird. Doch eines hat Zemmour schon geschafft, noch bevor er sich zum Kandidaten erklärt hat: Die rechtspopulistische Politikerin Marine Le Pen, die sich ihres Platzes in der Stichwahl gegen Präsident Emmanuel Macron so gut wie sicher war, bekommt allmählich Panik.
Antisemitismus
EU-Kommission will Jüdinnen und Juden besser schützen
Die EU-Kommission will stärker gegen Antisemitismus vorgehen und jüdisches Leben in Europa mehr fördern. Hierzu stellte die Behörde in Straßburg eine Strategie zur Bekämpfung von Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens vor. „Heute verpflichten wir uns, jüdisches Leben in Europa in all seiner Vielfalt zu fördern“, sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU). Kommissionsvizepräsident Margaritis Schinas sagte, man schulde diese Strategie jenen, „die im Holocaust ums Leben gekommen sind, wir sind es den Überlebenden schuldig, und wir sind es künftigen Generationen schuldig“.“Es gibt eine wachsende und besorgniserregende Tendenz von antisemitischen Angriffen und Ansichten in der ganzen Europäischen Union“, sagte Schinas im Europäischen Parlament und erinnerte an den antisemitischen Anschlag in Halle am 9. Oktober 2019, als ein Rechtsextremer zwei Menschen erschoss, nachdem er erfolglos versucht hatte, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur bewaffnet in die Synagoge der Stadt einzudringen.
- https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-10/antisemitismus-eu-kommission-strategie-schutz-juedisches-leben-kampf
- https://www.juedische-allgemeine.de/politik/unvereinbar-mit-allem-wofuer-die-eu-steht/
Nach Antisemitismus-Vorfall: UEFA ermittelt gegen Union Berlin
Wie der europäische Fußball-Verband am Dienstag mitteilte, hat er eine disziplinarische Untersuchung eingeleitet. Diese betreffen „potenzielle diskriminierende Vorfälle“, die sich beim Gruppenspiel des Bundesligisten in der Europa Conference League gegen Maccabi Haifa (3:0) abgespielt haben sollen. In einem Fan-Block des Berliner Olympiastadions war es Augenzeugen und Betroffenen zufolge zu antisemitischen Beleidigungen und Angriffen auf Anhänger des israelischen Klubs gekommen. Der Berliner Polizei zufolge wurden die Maccabi-Fans „verbal provoziert, bedroht und mit Bier beworfen“. Die Opfer berichteten zudem von dem Versuch der Täter, eine Israel-Flagge anzuzünden. Der Staatsschutz des Berliner Landeskriminalamts ermittelt unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Union verurteilte die Vorfälle im Nachgang scharf und arbeitet gemeinsam mit der Polizei an einer Aufarbeitung.
Gil Ofarim: Antisemitismus-Vorfall in Leipziger Hotel
Der Sänger Gil Ofarim berichtet bei Instagram von einem antisemitischen Vorfall in einem Leipziger Hotel. Der Zentralrat der Juden zeigt sich bestürzt. Auch das Hotel reagiert. Dort habe ihn ein Mitarbeiter aufgefordert, seine Kette mit einem Davidstern einzupacken, berichtete Ofarim in einem am Dienstag veröffentlichten Video bei Instagram. Dann dürfe er einchecken. Zuvor sei am Hotelempfang wegen technischer Probleme eine lange Schlange entstanden. Ofarim sagte, er habe sich eingereiht – mit seiner Davidstern-Kette um den Hals. „Das steht mir zu. Mache ich schon mein Leben lang“, sagte Ofarim im Video. Immer wieder seien Personen vorgezogen worden. Als er nach 15 Minuten an der Reihe gewesen sei, habe er gefragt, was das solle. Der Hotelmitarbeiter habe ihm die Antwort gegeben: „Um die Schlange zu entzerren“, dabei habe Ofarim ja selbst darin gestanden.
- https://www.fr.de/politik/gil-ofarim-antisemitismus-vorfall-in-leipziger-hotel-zr-91033507.html
- https://www.sueddeutsche.de/politik/extremismus-leipzig-gil-ofarim-antisemitismus-vorfall-in-leipziger-hotel-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-211005-99-492867
- https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/packen-sie-ihren-stern-ein-solidaritaetskundgebung-mit-musiker-gil-ofarim-nach-antisemitismus-vorfall/27679792.html
AfD
AfD-Politiker könnte als Richter nach Sachsen zurückkehren
Dresden: Der AfD-Politiker Jens Maier hat seine Wiederwahl in den Bundestag verpasst. Nun könnte er als Richter nach Sachsen zurückkehren – zuletzt war er am Landgericht Dresden tätig. Maier wird vom sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestuft. Wie die „Leipziger Volkszeitung“ berichtet, hatte Jens Maier den Wiedereinzug in den Bundestag trotz einer Topplatzierung auf der AfD-Landesliste verpasst. Für den AfD-Politiker kam dies überraschend, wie er im Gespräch mit der „Leipziger Volkszeitung“ sagt.
Spenden ins Nichts? Ein Kinderschutz-Phantom geht um in der AfD
Bei einem „Kinderschutzkongress“ spenden AfD-Abgeordnete für eine Kinderschutzinitiative, über die sie nichts wissen oder nichts sagen. Fäden zieht ein Mann, den die AfD vor einem „Mädchenkongress“ rausgeworfen hatte.
„Querdenken“ und Verschwörungserzählungen
Impfbetrug: Ein Mediziner aus Wemding hat offenbar Hunderte falsche Impfzertifikate ausgestellt und womöglich unwirksame Spritzen verabreicht
Bereits Mitte Juli dieses Jahres waren erste Hinweise aufgetaucht, dass ein Hausarzt im schwäbischen Wemding im Kreis Donau-Ries womöglich Impfbescheinigungen ausstellt, ohne seine Patienten tatsächlich gegen Corona immunisiert zu haben. Am Dienstag machten Behördenvertreter in Donauwörth erstmals konkrete Angaben zu ihren bisherigen Erkenntnissen – und die sind erschütternd. Wie Landrat Stefan Rößle (CSU) nach der Pressekonferenz am Telefon erklärte, habe die Sichtung der von der Kriminalpolizei beschlagnahmten Unterlagen ergeben, dass mutmaßlich mehrere hundert Patienten des Arztes falsch ausgestellte Impfbescheinigungen erhalten haben. Darunter waren Personen, die offenbar ganz bewusst gar keinen Wert darauf gelegt hatten, Impfstoff zu erhalten. Aber eben auch viele Menschen, die guten Glaubens zu dem Wemdinger Allgemeinmediziner gegangen waren, um sich impfen zu lassen.
Trotz Demo-Verbot: 150 „Querdenker“ protestieren in Stuttgart
Trotz eines Verbots haben am Wochenende rund 150 Anhängerinnen und Anhänger der umstrittenen „Querdenken“-Bewegung in Stuttgart demonstriert. Das Verbot hielt rund 150 Anhänger der „Querdenken“-Bewegung nicht vom demonstrieren ab. Die Polizei sprach rund 70 Platzverweise aus und beschlagnahmte Fackeln und Plakate, wie das Innenministerium am Montag mitteilte.
Morddrohungen wegen Corona-Maßnahmen: „Wir kriegen dich, du Schwein!“
Ein Wirt aus Ottensen erhält Morddrohungen, weil er nur noch Geimpfte und Genesene bedient. Radikalisiert sich die Impfgegner-Szene in der Stadt?
Zivilgesellschaft und Gegenstrategien
Studie zu Rassismus in Institutionen gestartet
Berlin: Eine vom Bundesinnenministerium geförderte Studie zu Rassismus in staatlichen Institutionen wurde Anfang Oktober begonnen, wie das Ministerium am vergangenen Freitag mitteilte. Demnach wird mit dem Start der Untersuchung ein Beschluss des »Kabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus« vom Mai dieses Jahres umgesetzt. Das Gremium war nach dem rassistischen Anschlag von Hanau im Februar 2020 eingerichtet worden.
Nach Antisemitismus-Vorfall: Hotel irritiert mit Banner
Das Leipziger Hotel Westin hat nach Antisemitismusvorwürfen des Musikers Gil Ofarim reagiert. Zwei Mitarbeiter seien beurlaubt worden, das bestätigte die stellvertretende Hotelmanagerin Antje Reichstein gegenüber der taz. „Wir sind ein weltoffenes Hotel und lehnen jede Form von Intoleranz, Diskriminierung und Antisemitismus auf das Schärfste ab. Deshalb sind wir über die unerträglichen Vorwürfe von Herrn Ofarim besorgt und alarmiert. Antisemitismus ist nicht entschuldbar und wird in unserem Hotel nicht geduldet!“, heißt ist in Reichsteins Stellungnahme. „Während wir weiter versuchen mit Herrn Ofarim persönlich in Kontakt zu treten, um den Vorfall vollständig aufzuklären, haben wir die betreffenden Mitarbeiter beurlaubt.“ Nachdem der Vorfall am Dienstag großes Aufsehen erregt hatte, hatten sich am Abend hunderte Menschen zu einer Solidaritätskundgebung vor dem dem Hotel versammelt, zu der das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ aufgerufen hatte. „Wir solidarisieren uns mit allen Jüdinnen und Juden, denen das in Deutschland immer noch viel zu häufig passiert“, sagte Irena Rudolph-Kokot von „Leipzig nimmt Platz“ bei der Kundgebung. An der Kundgebung nahmen auch Mitarbeiter*innen des Hotels teil. Sie hielten vor dem Hoteleingang ein Banner hoch, auf dem die Flagge Israels zu sehen war. Abgebildet war aber auch ein Halbmond mit Stern.
Ukraine: Gedenkstätte veröffentlicht Täter-Namen
80 Jahre nach dem Massaker an Juden in Kiew hat die Babyn-Jar-Gedenkstätte eine erste Liste mit 159 Beteiligten an dem von Deutschen in der Ukraine verübten Verbrechen veröffentlicht. »Einige waren Schützen, andere holten die Juden aus ihren Häusern, andere nahmen ihre Habseligkeiten und ihr Gepäck«, sagte der Leiter des akademischen Beirats der Holocaust-Gedenkstätte, Patrick Desbois. Die Täter seien aus ganz Deutschland und anderen von Hitler-Deutschland besetzten Ländern gekommen. Nur einige Offiziere wurden der Gedenkstätte zufolge nach Ende des Zweiten Weltkriegs verurteilt. »Die große Mehrzahl kehrte zu einem normalen Leben nach dem Krieg zurück«, hieß es in der Mitteilung. Historiker vermuten, dass niemand der Beteiligten mehr am Leben ist.