Hagen: Wie die Ermittler dem Terrorverdächtigen auf die Spur kamen +++ Linke-Bundestagskandidatin bei AfD-Kundgebung in Paderborn attackiert +++ Internet: Facebook löscht „Querdenken“-Kanäle +++ „III. Weg“-Plakate: Grüne plakatieren zurück +++ „Ein Nazi, hochgradig narzisstisch“: Er lieferte Attila Hildmann an Anonymous aus. So schildert Kai E. die spektakuläre Aktion.
Gewalt und Bedrohung
Hagen: Wie die Ermittler dem Terrorverdächtigen auf die Spur kamen
Ein 16-jähriger Syrer soll einen Anschlag auf eine Synagoge geplant haben. Die Behörden reagierten schnell. (…) Es war ein Lehrstück internationaler Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten. Und doch zeigt der Fall einmal mehr, wie abhängig Deutschland in Sicherheitsfragen weiterhin von mächtigen Diensten befreundeter Länder ist. Am Mittwochnachmittag, wenige Stunden vor Beginn der Feierlichkeiten zum jüdischen Feiertag Jom Kippur, gab der Partnerdienst seine Erkenntnisse über eine überwachte Kommunikation im Internet an den Bundesnachrichtendienst (BND) weiter. Ein mutmaßlicher Islamist, so die Warnung, kommuniziere mit einem Chatpartner über einen Sprengstoffanschlag. Tatort, Täter, Tatzeit – die Informationen waren Sicherheitskreisen zufolge so detailliert, wie es nur selten der Fall sei. Der BND teilte den Hinweis umgehend mit allen relevanten Behörden. Bereits kurze Zeit später sicherte ein Großaufgebot der Polizei die Synagoge, Sprengstoffspürhunde durchkämmten das Gelände. Die Spur führte in der Nacht zu dem 16-jährigen Syrer, der mit seinem Vater und zwei Brüdern in einer Wohnung im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses in der Hagener Innenstadt lebt. Rund eineinhalb Stunden nach seiner Festnahme vor dem Hagener Bahnhof am Morgen stürmte ein Spezialeinsatzkommando die Wohnung.
- https://www.spiegel.de/panorama/justiz/synagoge-in-hagen-wie-die-ermittler-dem-terrorverdaechtigen-auf-die-spur-kamen-a-ac44aa59-b2c0-4e36-94a9-cffa3e247f04
- https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-09/synagoge-hagen-terroranschlag-polizei-ermittlung-islamismus-jugendlicher-syrer-faq?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
Nach Bekanntwerden möglicher Anschlagspläne auf die Synagoge in Hagen hat der Islamverband Ditib Solidarität und Mitgefühl mit „unseren jüdischen Glaubensgeschwistern“ geäußert. „Ein Anschlag auf eine Synagoge ist ein Anschlag auf ein Gotteshaus und damit ein Anschlag auf die gesamte Gesellschaft“, erklärte die Türkisch-Islamische Union (Ditib) am Donnerstag in Köln. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Gewalttat angedroht, geplant oder tatsächlich verübt worden sei. Die Ditib sei „solidarisch mit jeder Glaubensgemeinschaft, die sich in einer solchen Bedrohungslage befindet“, erklärte der größte Moscheeverband in Deutschland, der eng mit der türkischen Religionsbehörde verbunden ist.
Antisemitismus-Beauftragte dankt Polizei in Hagen
Nordrhein-Westfalens Antisemitismus-Beauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat der Polizei und den Behörden „für das schnelle Erkennen“ der Bedrohungslage an der Synagoge in Hagen und ihr Handeln gedankt.
https://www.wz.de/nrw/antisemitismus-beauftragte-dankt-polizei-in-hagen_aid-62799379
Linke-Bundestagskandidatin bei AfD-Kundgebung in Paderborn attackiert
Nach den Demos in Paderborn rund um den Besuch des rechtsextremen AfD-Politikers Björn Höcke gestern Nachmittag ist die Paderborner Politikerin Martina Schu im Krankenhaus gelandet. Nach eigener Aussage wurde die 56-Jährige gestern gezielt von einem Teilnehmer der AfD-Kundgebung attackiert. Obwohl drei Polizisten in der Nähe standen, ging der kräftige Mann direkt auf sie zu, so Schu. In seinem Gesicht konnte sie wohl sehen, dass er sie als Linke-Bundestagskandidatin erkannt hat. Er soll sie körperlich bedrängt und dann ihren Kopf mit dem Ellenbogen zurückgeschleudert haben. Schu musste ins Krankenhaus, die Ärzte stellten dort ein Hals-Wirbel-Trauma fest.
Rechtsextremismus und Rechtspopulismus
Internet: Facebook löscht „Querdenken“-Kanäle
In einem beispiellosen Schritt hat Facebook etwa 150 Kanäle der „Querdenken“-Bewegung gelöscht. Diese seien für eine „koordinierte Schädigung der Gesellschaft“ verantwortlich, verbreiteten Falschinformationen und stifteten zur Gewalt an. Facebook hat knapp 150 Konten und Gruppen auf seinen Plattformen gelöscht, die der Internetkonzern der umstrittenen „Querdenker“-Bewegung zuordnet. Es sei weltweit die erste gezielte Aktion, die sich gegen eine Gruppierung richte, die eine „koordinierte Schädigung der Gesellschaft“ (Coordinated Social Harm) hervorrufe, erklärte Facebook-Sicherheitsmanager Nathaniel Gleicher. Betroffen seien auch die Accounts von „Querdenken“-Gründer Michael Ballweg. Die Aktion richtet sich gegen „Querdenker“ auf Facebook selbst und Instagram. Nicht betroffen ist der Chatdienst WhatsApp, der ebenfalls zum Facebook-Konzern gehört. Facebook-Manager Gleicher warf den „Querdenkern“ vor, in koordinierter Weise wiederholt gegen die Standards von Facebook verstoßen haben. „Hierzu zählen die Veröffentlichung von gesundheitsbezogenen Falschinformationen, Hassrede und Anstiftung zur Gewalt.“
https://www.tagesschau.de/inland/facebook-querdenken-101.html
„III. Weg“-Plakate: Grüne plakatieren zurück – und wollen Auflage des Gerichts unmöglich machen
Das Gerichtsurteil aus Chemnitz zu Plakaten mit der Aufschrift „Hängt die Grünen“ haben nicht nur die Grünen mit Unverständnis aufgenommen. Sie plakatieren Protest. Die Grünen wollen es der Partei „III. Weg“ schwer machen: Am Mittwochabend starteten sie in Zwickau eine Aktion unter dem Motto „Demokrat*innen nicht hängen lassen“ und verteilten Wahlwerbung der Grünen. Sie wollen damit ein Zeichen gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Chemnitz setzen, die sich um Plakate der rechtsextremen Splitterpartei mit der Aufschrift „Hängt die Grünen“ dreht. Am Dienstag hatte das Gesicht entschieden, dass die Wahlplakate des „III. Wegs“ mit diesem Slogan in Zwickau trotz eines Verbots der Stadt bleiben dürfen. Eine Auflage: Die Plakate der Partei müssen 100 Meter von Wahlwerbung der Grünen entfernt sein. Genau diesen Punkt wollen die Grünen in der sächsischen Stadt nun unmöglich machen, indem so viele Plakate wie möglich gehängt werden. Online werden dafür Aushänge mit der Aufschrift „Dieses Plakat hält die umliegenden 100M nazifrei“ verbreitet.
- https://www.merkur.de/politik/iii-weg-plakate-chemnitz-zwickau-partei-gruene-gegenschlag-auflage-gericht-bundestagswahl-90985236.html
- https://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/int/202109/16/615867.html
- https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_90809006/-haengt-die-gruenen-plakate-unmut-ueber-urteil-waechst.html
Wahlumfrage Mecklenburg-Vorpommern: Auch Anhänger anderer Parteien unterstützen AfD-Positionen zu Migrationspolitik
Laut einer Umfrage finden es fast 40 Prozent der Anhänger von CDU, Linken und SPD in Mecklenburg-Vorpommern für richtig, wenn, wie die AfD es fordert, weniger Ausländer und Flüchtlinge „ins Land gelassen“ würden. Bei den unter 44-jährigen ist es insgesamt sogar knapp mehr als die Hälfte, die dies verlangt. Auch in den anderen ostdeutschen Flächenländern wird der migrationskritische Kurs der AfD laut infratest dimap ähnlich unterstützt. Gleichzeitig wirft allerdings auch eine große Mehrheit von 70 Prozent der Befragten der AfD vor, sich nicht ausreichend von rechtsextremen Positionen abzugrenzen. Und 68 Prozent der Wahlberechtigten sehen es kritisch, wenn die AfD in Mecklenburg-Vorpommern an der Regierung beteiligt wäre.
AfD-Spendenskandal schlimmer als gedacht? Enthüllungen drängen rechte Partei an die Wand
Zwischen den Jahren 2016 und 2018, soll die AfD illegale Spenden im Wert von mehreren Millionen Euro erhalten haben. Kurz vor der Bundestagswahl 2021 wurden nun neue Recherchen zu diesem Skandal veröffentlicht. Der Spenden-Skandal könnte weitaus größer sein als bisher angenommen.(…) In den aktuellen Recherchen konnten interne Dokumente des Dienstleistungsunternehmens Ströer, über die die fragliche Plakatwerbung umgesetzt wurde, eingesehen werden. Insgesamt belaufen sich die Buchungen mit AfD-Bezug bei dem Unternehmen auf 3,5 Millionen Euro, wie Correctiv.org berichtet. Davon wird die AfD bei Aufträgen mit einem Volumen von drei Millionen Euro als „Direktkunde“ angegeben. Die Beteuerungen der AfD, nichts mit den Plakaten zu tun zu haben, wirkt vor diesem Hintergrund nur noch schwer haltbar.
Bewaffnet vom Lübcke-Mörder
Ehemaliger Arbeitskollege des Neonazis Stephan Ernst zu Bewährungsstrafe verurteilt: Auf dem Stuhl, der an diesem Donnerstagmorgen im Kasseler Amtsgericht die Anklagebank ersetzt, sitzt der 50-Jährige wie ein viel zu groß geratener Schuljunge. Den Blick zu Boden gerichtet, knetet der massige Mann die Hände im Schoß, bei jedem Satz überschlägt sich vor Aufregung seine Stimme. „Ich möchte alles sagen, was Sie mich fragen wollen“, erklärt Jens L. gleich zu Beginn. (…) Es geht um Nazidevotionalien: Bücher, Orden, Dolche. Vor allem aber geht es um Waffen. Viele Waffen. Jens L. steht vor Gericht, weil er sich von Stephan Ernst, dem Kasseler Neonazi und Mörder des CDU-Politikers Walter Lübcke, hat bewaffnen lassen. Am Ende wird ihn das Schöffengericht wegen etlicher Verstöße gegen das Waffengesetz zu einer sehr glimpflichen Bewährungsstrafe von zwölf Monaten verurteilen. Als Bewährungsauflage muss der Mann 2000 Euro zahlen.
Internet
Anonymous schlägt wieder zu und knöpft sich den Lieblings-Webhoster der Rechtsextremen vor
Das Hacker-Kollektiv Anonymous hat den umstrittenen Webhosting-Provider Epik gehackt. Das US-Unternehmen unterstützt rechtskonservative bis rechtsextreme Online-Plattformen wie Parler, Gab und 8Chan. Mitglieder des Hacker-Kollektivs Anonymous haben offenbar gewaltige Mengen an Daten des Webhosting-Providers und Domain-Name-Registrars Epik gestohlen. Die Hacker haben laut Eigenaussage «die gesamte Kunden- und Transaktionsdatenbank des US-Unternehmens Epik erbeutet, die rudimentäre Verschlüsselung entfernt und die Daten im Klartext veröffentlicht», schreibt das deutsche Techportal Heise.Das US-Unternehmen Epik (nicht zu verwechseln mit der Spielefirma Epic) bietet als sogenannter «bulletproof hoster» vor allem Firmen und Organisationen aus der rechten Szene Internetleistungen an. «Dieser Datensatz ist alles, was benötigt wird, um die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse und die Verwaltung der faschistischen Seite des Internets nachzuvollziehen», schreiben die Hacker.
„Ein Nazi, hochgradig narzisstisch“: Er lieferte Attila Hildmann an Anonymous aus. So schildert Kai E. die spektakuläre Aktion
Dem Hacker-Kollektiv „Anonymous“ ist es gelungen, die digitale Infrastruktur des in die Türkei geflüchteten Querdenker-Idols Attila Hildmann zu kapern. In einem Zoom-Chat erzählt Whistleblower Kai E., wie er das schaffte.
- https://www.stern.de/politik/attila-hildmann–ehemaliger-vertrauter-nennt-ihn-narzisstischen-nazi-30746176.html
- https://www.focus.de/politik/deutschland/seit-februar-abgetaucht-insider-offenbart-wie-attila-hildmann-vor-den-deutschen-behoerden-fluechtete_id_24156950.html
Staatsanwaltschaft wertet neue Informationen zu Hildmann aus
Nachdem mehrere Internet-Kanäle des rechtsradikalen Kochbuch-Autors Attila Hildmann gehackt worden sind, hat sich erneut die Berliner Staatsanwaltschaft eingeschaltet. „Wir gehen sämtlichen Informationen, die sich aus den Veröffentlichungen der letzten Tage ergeben haben, nach“, twitterte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag und fügte hinzu, sie könne „aus ermittlungstaktischen Gründen derzeit keine weiteren Informationen“ zu diesem Komplex veröffentlichen.
TikTok ist eine der beliebtesten Social-Media-Apps bei jungen Menschen. Politische Videos können sich dort rasant verbreiten – auch mit Falschinformationen. Das liegt am Algorithmus, wie Recherchen von BR und dem ARD-Magazin Kontraste zeigen.
Internationales
Schweiz: Nach homophoben Angriffen auf Journalistin: Syndicom fordert Konsequenzen für Rechtsextremisten
Eine Journalistin der «Tribune de Genève» ist kürzlich Ziel homophober Angriffe des rechtsextremen Holocaust-Leugners Alain Soral und seiner Community geworden. Bisher wurde er dafür nicht zur Verantwortung gezogen. Dies fordert nun aber die Gewerkschaft Syndicom. «Diese inakzeptablen Machenschaften müssen unbedingt rechtlich belangt werden», heisst es in der Stellungnahme von Syndicom am Donnerstag. Doch was genau ist geschehen? In einem Video hat sich Soral diffamierend und angriffig über die Journalistin und die LGBTQ+-Gemeinschaft geäussert, nachdem sie einen Text über die Verbreitung der Ideen des Essayisten in der Schweiz geschrieben hatte. Darauf folgten auch homophobe persönliche Angriffe der Bewunderer Sorals.
Griechenland: Beispielloser Rassismusvorfall stellt griechischen Premierminister auf die Probe
Ein Abgeordneter der regierenden konservativen Partei Neue Demokratie (EVP) hat für Aufruhr in der griechischen Politik gesorgt. Er twitterte einen Artikel, in dem eine Liste mit Namen von „ausländischen“ minderjährigen Kindern in einem Kindergarten veröffentlicht wurde. Ziel des Artikels war es zu zeigen, dass Ausländer die griechischen Schulen übernähmen. Aus rechtlicher Sicht eskalierte der Fall am Donnerstag (16. September), als sich ein Staatsanwalt einschaltete. Politisch steht Premierminister Kyriakos Mitsotakis nun in einer Sackgasse. Er wird beschuldigt, rechtsextremen Wählern zugeneigt zu sein, weil er bisher nicht bereit ist, den Abgeordneten zu entlassen. Die Staatsanwaltschaft erster Instanz hat eine Voruntersuchung eingeleitet, um zu klären, wie und durch wen die undichte Stelle zustande kam.
Gegenstrategien
Forstrock in Jamel: Kein Camping, keine Workshops, 3G
Nach einer Corona-Pause im vergangenen Jahr findet das diesjährige Festival Jamel rockt den Förster mit einigen Abstrichen statt. 450 Tickets habe man für die Konzerte am Freitag und Samstag verkauft, die erste Marge sei hierbei innerhalb von zwei Minuten vergriffen gewesen, sagt die Organisatorin Birgit Lohmeyer, die mit der inzwischen bundesweit bekannten Veranstaltung ein Zeichen für zivilgesellschaftliches Engagement gegen Neonazis setzen will.
Wegen der Pandemie sind in diesem Jahr weniger Gäste zugelassen, es gilt zudem die sogenannte 3G-Regel. Besucher müssen also geimpft, genesen oder getestet sein.
«SoliNet» will Betroffene von «Hate Speech» stärken
Allein gegen Hunderte – diesem Gefühl bei einem Shitstorm im Internet will eine neue Beratungsstelle gegen Hass und Gewalt entgegenwirken, die am Donnerstag ihre Arbeit aufgenommen hat. Rheinland-Pfalz sei eines der ersten Bundesländer, das ein solches spezifisches Beratungsangebot habe, sagte Familienministerin Katharina Binz (Grüne) zum Start von «SoliNet». Die Einrichtung soll die Betroffenen psychosozial beraten und persönliche Handlungsspielräume aufzeigen.
Mit Blut, Kot und Glitzer gegen den „Marsch für das Leben“
Zwei Bündnisse gehen am Wochenende für die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen auf die Straße. Vertreterinnen erklären die Hintergründe.