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Presseschau … 22.03.2021

 Vorfall in Halle: Kenianer in der Straßenbahn niedergestochen +++In Lehrte droht Mann jungen Flüchtlingen mit Messer +++ Hakenkreuze in Bahnhof in St. Egidien geschmiert +++ CDU-Redner warnt auf „Querdenken“-Demo vor Impfungen +++ Oberbürgermeister zeigt sich „fassungslos“ nach Corona-Demo in Kassel +++ Saisonstart in Kassel bei „Querdenkern“ vor Finale in Berlin +++ Querdenken-Demonstration in Kassel: „Der demonstrierende Wanderzirkus“ +++ Polizei hielt sich bei Demo in Kassel zurück, um „Verletzte auf allen Seiten“ zu verhindern +++ „NSU 2.0“: Ermittlungen weiter „gegen Unbekannt“ +++ Woher kommt der Rassismus gegen Asiat*innen in Deutschland? +++ Rassismus in der Klassikbranche +++ BVB-Profi Bellingham rassistisch beleidigt +++ Demos am Sonnabend in Berlin: 120 Festnahmen +++ Hessen prüft Kostenerstattung für bedrohte Anwältin Başay-Yıldız +++ Umgang mit Reichskriegsflagge +++ Der strammrechte AfD-Flügel dominiert den Parteitag in Frankfurt (Oder) +++ Brandenburger AfD: Gauland Spitzenkandidat für den Bundestag +++ AfD-Vizekreischef in Chemnitz verlässt die Partei +++ Die Verschwörungsmärchen, die Ovalmedia verbreitet +++ „Nicht länger als fünf Minuten mit Verschwörungsgläubigen reden“ +++ Mahnmal für Opfer rechtsextremistischer Gewalt in Dormagen (NRW) eingeweiht

Vorfälle und Übergriffe

Vorfall in Halle: Kenianer in der Straßenbahn niedergestochen

Am Samstagabend ist ein Mann in einer Straßenbahn in Halle (Saale) niedergestochen und schwer verletzt worden. Ereignet hat sich der Vorfall gegen 22 Uhr in einer Bahn der Linie 2 in Richtung Beesen. Der 35-jährige Mann aus Kenia kam zur ambulanten Behandlung in ein Krankenhaus. Später wurde die Polizei verständigt. Es wurden Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung aufgenommen.

In Lehrte droht Mann jungen Flüchtlingen mit Messer

In Lehrte (bei Hannover) hat ein 47-jähriger alkoholisierter Lehrter zwei junge Flüchtlinge an der Bushaltestelle Parkstraße fremdenfeindlich beschimpft und die beiden jungen Männer mit einem Messer bedroht.

Hakenkreuze in Bahnhof in St. Egidien geschmiert

Unbekannte Täter haben Hakenkreuze in eine Bahnhofsunterführung in St. Egidien im Landkreis Zwickau geschmiert. Eines der verbotenen Nazi-Zeichen an einer Wand habe eine Größe von zwei mal drei Metern gehabt, teilte die Polizei am Sonntag mit. Auf einem Schaukasten fand sich noch ein kleineres Hakenkreuz. Zudem hätten der oder die Täter noch zwei unleserliche Zeichen hinterlassen. Die schwarzen Schmierereien wurden am Samstag entdeckt.

„Querdenken“-Demonstration in Kassel

CDU-Redner warnt auf „Querdenken“-Demo vor Impfungen

Bei der „Querdenken“-Demo in Kassel hat ein CDU-Mitglied für Aufsehen gesorgt. Der frühere Vertraute von Wolfgang Schäuble machte mit einer religiös-fundamentalistischen Rede Stimmung gegen das Impfen. Das Frankfurter Parteimitglied Martin Heipertz vom rechten Rand hat bei der Kundgebung von Corona-Leugnern in Kassel gesprochen. Der Politiker selbst verbreitete ein Foto und den Inhalt seiner Rede. Darin erklärte er, dass er gegen Covid-19-Impfungen sei. Begründung: Die Impfstoffe beruhten letztlich auf Abtreibungen.

Oberbürgermeister zeigt sich „fassungslos“ nach Corona-Demo in Kassel

Kassels Oberbürgermeister Geselle ist nach den Ausschreitungen bei der Demo gegen Corona-Maßnahmen „wütend und fassungslos“. Doch auch die Taktik der Polizei steht in der Kritik. Das Geschehene empfinde er als „Schlag ins Gesicht meiner Stadt“, es mache ihn „wütend und fassungslos“. Das zumeist defensive Verhalten der Polizei, die mehrere verbotene Demonstrationszüge und Versammlungen nicht auflöste, verteidigte Geselle jedoch. Angesichts der „zahlenmäßigen Unterlegenheit der Einsatzkräfte“ sei die Deeskalationsstrategie richtig gewesen. Die Polizei rechtfertigte ihr Vorgehen am Samstag damit, dass sie keine Verletzten in Kauf nehmen wollte.

Saisonstart bei „Querdenkern“ vor Finale in Berlin

Während in Kassel 20.000 „Querdenker“ die City eroberten, trafen sich in Berlin nur ein paar hundert Rechtsextreme zum Anti-Corona-Protest. Dabei will man auf dem Höhepunkt einer Demotour im Wahljahr auf der politischen Bühne der Hauptstadt wieder groß raus kommen. Über Wochen, ja über Monate, haben sie sich im vergangenen Jahr auf dem Pariser Platz versammelt: Ein paar Dutzend Rechtsextremisten, Aktivisten der Berliner „Merkel muss weg“-Demonstrationen, darunter Reichsbürger mit ihrem Protest in Zeiten der Pandemie. Ohne die Wannen der Berliner Polizei an ihrer Seite wäre diese „Patriotic Opposition Europe“, so der Name dieser Gruppe, wohl niemandem aufgefallen. Ein paar der üblichen Statisten in der Hauptstadtkulisse vor dem Brandenburger Tor eben, wo gefühlt immer irgendjemand sein Freiheitsrecht wahrnimmt.

„Der demonstrierende Wanderzirkus“

Bei einer „Querdenker-Demonstration“ in Kassel ist es zu massiven Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Die örtlichen Einsatzkräfte seien durch die angereisten Teilnehmer überfordert gewesen, sagt Journalist Olaf Sundermeyer. Mehr als 20.000 Menschen nahmen laut Polizei an den Protesten teil. Viele Teilnehmer hielten sich nicht an die Auflage, Mund- und Nasenschutz zu tragen. Obwohl nur zwei Versammlungen an der Peripherie unter strengen Auflagen und geringerer Teilnehmerzahl erlaubt waren, zogen die Teilnehmer auch durch die Innenstadt. Dort war eigentlich nur Gegenprotest zugelassen.

Polizei hielt sich bei Demo zurück, um „Verletzte auf allen Seiten“ zu verhindern

Tausende sind am Samstag dem Aufruf von Corona-Leugnern gefolgt, in Kassel gegen die staatlichen Maßnahmen zu demonstrieren. Die Polizei konnte die Versammlungsauflagen gegen die Masse nicht immer durchsetzen. Jetzt begründen die Beamten ihr Handeln. Viele Teilnehmer hielten sich nicht an die Auflage, Mund- und Nasenschutz zu tragen. Während eines illegalen Demonstrationszuges durch die Innenstadt kam es am Mittag zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten und mit der Polizei.

Prozesse und Urteile

„NSU 2.0“: Ermittlungen weiter „gegen Unbekannt“

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) hat am Donnerstag versichert, dass wegen der Serie von Morddrohungen mit der Signatur „NSU 2.0“ immer noch mit Hochdruck ermittelt wird. „Jeder noch so kleine Ansatzpunkt wird akribisch verfolgt – Zeugen wurden befragt, Hausdurchsuchungen durchgeführt, Terabytes an Daten sichergestellt und ausgewertet – und das ist nur ein Ausschnitt unserer Maßnahmen“, erklärte Beuth anlässlich einer Debatte im Landtag. Es ging um Konsequenzen aus der „NSU-2.0-Affäre“, die seit dem ersten Schreiben dieser Art im August 2018 kein Ende nimmt und nicht zuletzt ein Polizeiskandal ist.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Woher kommt der Rassismus gegen Asiat*innen in Deutschland?

Asiatisch aussehenden Menschen wird in Deutschland nicht erst seit der Pandemie mit Vorurteilen und Stereotypen begegnet. Die Krise hat das noch verstärkt. „Hey Asiate, was machst du hier?“ Mehrfach wurde Student Zacky, der aus Indonesien stammt, in Berlin auf offener Straße beleidigt. Einmal wurde er sogar angerempelt und geschlagen. Auch die Studentin Puspa, ebenfalls aus Indonesien, berichtet von rassistischen Erfahrungen. In der Silvesternacht habe jemand sogar einen Feuerwerkskörper nach ihr geworfen, erzählt sie. Aufgrund früherer Erlebnisse ist sie sich „ziemlich sicher“, dass dies geschah, weil sie einen Hijab trug.

Rassismus in der Klassikbranche

Manchmal ist es nur ein subtiler Witz, manchmal offener Rassismus. Wie sieht es mit Rassismus in der klassischen Musikbranche aus? Anna Bineta Diouf hat in Hannover studiert und arbeitet in Annaberg-Buchholz als Opernsängerin. Ihre Mutter ist Deutsche, ihr Vater Senegalese. Rassismus begegne ihr vor allem in subtiler Form, sagt sie. Oft handele es sich dabei um bestimmte Vorstellungen, wie eine schwarze Sängerin zu sein habe: „rassig, erotisch oder ursprünglich,“ so Diouf.

BVB-Profi Bellingham rassistisch beleidigt

Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund hat rassistische Beschimpfungen gegen seinen Profi Jude Bellingham in sozialen Netzwerken verurteilt. Der 17 Jahre alte Engländer hatte rassistische Emojis, die ihm nach dem 2:2 beim 1. FC Köln geschickt worden waren, auf Instagram mit dem Hinweis „Nur ein weiterer Tag in sozialen Medien…“ versehen. „Rassismus ist keine Meinung!“, twitterte der BVB daraufhin. „Wir verurteilen die rassistischen Kommentare gegen Jude Bellingham.“

Rechtsextremismus

Demos am Sonnabend in Berlin: 120 Festnahmen

Im Berliner Regierungsviertel gingen Rechtsextreme auf die Straße, es gab Gegenproteste. Grund für die Festnahmen waren meist Verstöße gegen Corona-Regeln. Die Berliner Polizei hat auf den Demonstrationen am Sonnabend 120 Menschen vorläufig festgenommen. Das teilte die Behörde am Sonntag in einer Pressemitteilung mit. Die Polizei nannte nur eine Gesamtzahl, erklärte aber nicht, auf welche Demonstrationen sich die vorläufigen Festnahmen verteilten.

Hessen prüft Kostenerstattung für bedrohte Anwältin Başay-Yıldız

Rechtsanwältin Başay-Yıldız erhielt mehrmals Drohschreiben vom „NSU 2.0“. Ihre Daten wurden von Polizeicomputern abgerufen. Auf Anraten der Behörden erhöhte sie die Schutzmaßnahmen an ihrer Wohnung. Eine Kostenerstattung lehnte das Land aber ab. Nach öffentlicher Empörung rudert Innenminister Beuth zurück: Kostenübernahme werde geprüft.

Umgang mit Reichskriegsflagge

Söder kündigte ein Verbot an, bislang gibt es aber nur Handlungsanweisungen an die Polizei. Flagge zeigen durch ein Flaggenverbot – das war die Ankündigung von Markus Söder beim CSU-Parteitag im September. Es ging um die Reichskriegsflagge, die bei Kundgebungen gegen die Corona-Maßnahmen häufiger auffiel und die von „Reichsbürgern“ und Extremisten geschwenkt wurde. Er werde anordnen, sagte der Ministerpräsident, die Flagge in Bayern zu verbieten. Mit der zeige man nämlich „klare Ablehnung und auch Distanz zu unserer Demokratie“ – „wir lassen unsere freiheitliche Demokratie nicht von Rechtsradikalen kapern“. Tenor: zügiges Verbot. Ein halbes Jahr später ist dies nicht geschehen, ein Verbot steht nicht mehr an; dafür gibt es eine Praxisanweisung für Beamte.

AfD

Der strammrechte AfD-Flügel dominiert den Parteitag in Frankfurt (Oder)

Wo steht Brandenburgs AfD nach der Kalbitz-Affäre, Beobachtung durch den Verfassungsschutz und Niederlagen im Bund? Der Parteitag in Frankfurt (Oder) zeigt: Die Radikalisierung geht weiter.

Brandenburger AfD: Gauland Spitzenkandidat für den Bundestag

AfD-Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland ist erneut der Spitzenkandidat der Brandenburger AfD für die Bundestagswahl. Der Ehrenvorsitzende des AfD-Landesverbands wurde am Samstag auf dem Landesparteitag in Frankfurt (Oder) mit großer Mehrheit auf Platz 1 der Landesliste gewählt. Der 80-Jährige war bereits bei der Bundestagswahl 2017 Spitzenkandidat der Landespartei.

AfD-Vizekreischef in Chemnitz verlässt die Partei

Sven Bader, seit 2013 aktiv für die AfD und in vielen ihrer Gremien aktiv, hat seinen Austritt aus der Partei erklärt. Er werde dem Stadtrat als Fraktionsloser weiter angehören, sagte er am Freitag der „Freien Presse“. In einem zweiseitigen Austrittsschreiben legte Bader seine enttäuschten politischen Hoffnungen dar. So sei die vielbeschworene Einheit einer „Vielfalt von Strömungen“ in der AfD nicht gegeben, die politischen Lösungsansätze seien viel zu unterschiedlich, die völlige Dominanz des „Flügels“ etwa durch die Listenaufstellung im Februar offensichtlich geworden.

Verschwörungserzählungen

Die Verschwörungsmärchen, die Ovalmedia verbreitet

Die Berliner Filmfirma Ovalmedia steht in der Kritik. Hier dokumentieren wir, warum die Vorwürfe berechtigt sind. Am 5. März berichtete der Tagesspiegel über die Aktivitäten der Berliner Filmfirma Ovalmedia. Seitdem wird in der Szene der Coronaverharmloser und Impfgegner dazu mobilisiert, gegen den Artikel vorzugehen. Angeblich sei dieser „üble Verleumdung“. Es heißt auch, der Tagesspiegel stecke mit Geheimdiensten unter einer Decke. Oder habe, je nach Theorie, eine konzertierte Aktion mit Wikipedia unter dem Dach einer sogenannten „Transatlantifa“ durchgeführt.

„Nicht länger als fünf Minuten mit Verschwörungsgläubigen reden“

Seit einem Jahr verkleiden sie sich als Echsen, um Querdenker und Verschwörungsgläubige lächerlich zu machen. Was bringt das und wie reagiert die Polizei? Wo immer in Berlin Coronaskeptiker:innen aufmarschieren, sind auch die Echsenmenschen nicht weit. Unter dem bunten Kunststoff stecken allerdings keine Pandemieleugner:innen, sondern Gegendemonstrant:innen. Einer von ihnen ist nun bereit, über seine Erfahrungen der vergangenen Monate, über verstörende Begegnungen und Momente der Hoffnung zu berichten. Aus Sicherheitsgründen möchte er hier nur Beni genannt werden.

Initiativen und Erinnerungskultur

Mahnmal für Opfer rechtsextremistischer Gewalt in Dormagen (NRW) eingeweiht

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Rassismus am 21. März hat Bürgermeister Erik Lierenfeld heute gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Integrationsrates der Stadt Dormagen, Mehmet Güneysu, eine neue Gedenkstätte eingeweiht. Mit einem Mahnmal im nördlichen Bereich des Parks an der Haberlandstraße erinnert die Stadt Dormagen an die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und alle weiteren Opfer rechtsextremistischer Gewalt.

 

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Querdenken aktuell Würgegriff und Polonaise gegen die Pandemie

In München wird Polonaise getanzt, in Dresden werden Polizisten attackiert: Am Samstag fanden unter dem Motto „Es reicht!“ bundesweit Demonstrationen aus dem „Querdenken“-Spektrum gegen Infektionsschutzmaßnahmen statt. Es kam zu Angriffen gegen Presse und antisemitischer Hetze.

Von|
2021-03-20 Belltower.News_Header

Rezension Über die strategische Radikalisierung der AfD

Im Superwahljahr 2021 veröffentlichen die beiden Journalistinnen Katja Bauer und Maria Fiedler ihr Buch Die Methode AfD. Der Kampf der Rechten: Im Parlament, auf der Straße – und gegen sich selbst. Kenntnisreich und schonungslos legt das Buch die Machtkämpfe und Strategien der Partei offen.

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