In der extrem rechten Sphäre sind Frauen als Wortführerinnen eher eine Seltenheit. Und wenn Frauen dann doch mal in der ersten Reihe stehen und was zu sagen haben, sind sie meist jung und hübsch, möglichst antifeministisch und wirken eher niedlich als dominant, die Rollenverteilung in der rechtsextremen Szene ist schließlich klar.
Eine neue weibliche Lichtgestalt am rechtsextremen Horizont scheint die Wahlkölnerin Lisa Licentia zu sein. Mit bürgerlichem Namen heißt sie Lisa H. Licentia ist eine (ehemalige) Aktivistin der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB). Eigenen Angaben nach war sie eine der führenden weiblichen Köpfe des IB-Projekts „120db“. Die Kampagne „120 Dezibel“ richtete sich angeblich gegen sexualisierte Gewalt gegen Frauen, tatsächlich ging es hier darum, Menschen mit Migrationshintergrund pauschal zu Tätern zu machen. Ein klassischer Fall von rechtsextremer Propaganda eben: unter Bezugnahme auf angebliche Frauenrechte wird rechtsextreme Ideologie verbreitet.
Eine IB-Aussteigerin, die sich nicht von der rechten Szene gelöst hat
Im Juni 2019 verkündete Licentia schließlich ihren Ausstieg aus der „Identitären Bewegung“. Sie begründete damals in einem Video mit weiteren rechtsalternativen YouTubern und Chauvinisten, dass Männer in der IB die Frauengruppe „plattmachen“ würden. Auf Geheiß von Daniel Fiß, IB-Bundesleiter, sei die Kampagne „120db“ aufgelöst worden. In einem Interview von Dezember 2019 mit einem rechten FPÖ-nahen Magazin aus Österreich, berichtet sie außerdem davon, dass sie als alleinerziehende Mutter von drei Kindern nie ganz akzeptiert worden sei. Außerdem habe es wohl einigen Führungs-Kadern der IB nicht gepasst, dass sie die Tochter eines muslimischen Migranten ist.
„Man hätte sich abgesprochen, dass man mich nicht weiter pushen solle, da es genug ‘deutsche Mädels‘ gibt, die man in der Öffentlichkeit plazieren (sic!) könnte. Und man sei ja schließlich die Bewegung ohne Migrationshintergrund.“ (Lisa Licentia, 2019)
„Die IB ist eine Marke und sonst nichts.“
Sie kritisiert, dass Frauen in der IB quasi wie Kanonenfutter verpulvert werden. Die Kader würden gerne weibliche Aktivistinnen vorschicken, um selber unbeobachtet und unsanktioniert vor den Behörden zu bleiben.
„Die IB ist eben in Wahrheit keine Bewegung für die breite Bevölkerung, sondern war von Beginn an als ‘elitärer‘ Kreis konzipiert.“ (Lisa Licentia, 2019)
Vielleicht verließ sie das sinkende Boot IB auch einfach, weil sie frühzeitig erkannte, dass die IB auf ihr Ende zusteuert und eine Karriere in diesem Dunstkreis beinahe aussichtslos ist. Mittlerweile hat selbst Götz Kubitschek, Mentor der IB, öffentlich eingeräumt, dass die Bewegung gescheitert ist. Im Interview kritisiert Licentia zudem, dass die „Identitäre Bewegung“ zu einer kommerziellen Marke verkommen ist. Den Führungsköpfen gehe es nur um Gewinne und um ihre eigene Absicherung. Mit der IB hat es sich die gebürtig aus Unterfranken stammende eindeutig verscherzt.
Cleverer Schachzug
Ende April 2019 startete sie dann ihren YouTube-Kanal mit ihren ersten Videos. Es soll hier um „alternative“ Demoberichterstattung gehen, da klassische Nachrichtenformate die deutsche Bevölkerung durch ihre Falschberichterstattung permanent anlügen würden. Das dieses Konzept erfolgversprechend ist, zeigte bereits der extrem rechte YouTuber Henryk Stöckl. Zu jener Zeit hatte Licentia noch nicht mit den rechtsextremen „Identitären“ gebrochen. Gleich ihr erstes Video vom 27. April wurde vom Kopf der deutschsprachigen „Identitären Bewegung“, Martin Sellner, in seinem 37.000 starken Leser*innen Telegram-Kanal, empfohlen.
Zwei Wochen YouTuberin und schon auf die „Konferenz der freien Medien“ der AfD eingeladen
Knapp zwei Wochen nachdem die Aktivistin ihre „Medien-Karriere“ auf YouTube gestartet hat, wurde sie bereits zur „Konferenz der freien Medien“ der AfD im Bundestag eingeladen. Vielleicht ist die Einladung aber auch Ausdruck davon, wie sehr der rechtsalternativen Medienlandschaft junge, weibliche Gesichter fehlen. In jedem Fall aber zeugt die Einladung von der engen Vernetzung zwischen AfD und „Identitärer Bewegung“.
An diesem Tag versammelte sich die geballte extrem rechte Medienlandschaft Deutschlands im Regierungsviertel. Mit dabei: Compact, Philosophia Perennis, PINews, Opposition 24, Deutschland Kurier, Die Unbestechlichen, kla.tv, Okzident Media, Arcadimagazin, Ein Prozent und unter anderem die Youtuber Hyperion, Oliver Flesch und Miró Wolfsfeld von UNBLOGD.
Nach dem Bruch mit der IB übt Licentia heftige Kritik an der „Bewegung“
Als dann im Juni 2019 der Bruch mit der IB folgte, hatte Licentia bereits eine bemerkenswerte Followerschaft aufbauen können – auch dank der vorrausgegangenen Unterstützung der IB. Licentia hat allerdings schnell eine neue Heimat gefunden. Ihr neuer Förderer, so scheint es, ist Oliver Flesch, ein Deutscher, auf Mallorca lebender YouTuber, „Journalist“, Blogger, Buchautor und sexistischer Männerrechtler. Mit der Seite „19vierundachtzig“ hat er 2019 eine YouTube-Alternative ins Leben gerufen. Auch Licentias Videos sind hier eingebunden.
Wie viele ihrer „rechtsalternativen“ YouTube-Kolleg*innen sticht Lisa Licentia thematisch durch nichts hervor. Es scheint, als wäre ihr einziges Markenzeichen ihr Weiblichkeit und ihr Dasein als Mutter. In ihren Videos geht es um angebliche „Undercover“-Reportagen von linken Demonstrationen. So filmte sie beispielsweise vom Protestcamp im Hambacher Forst und von einer „unteilbar“-Demo in Dresden. Angeblich zeigt sie hier Bilder, die klassische Medien absichtlich verbergen würden. Welche Bilder das sein sollen? Wissen wir nicht. Sie zeigt in ihren „Undercover“-Videos linke Aktivist*innen und Gesprächsfetzen ihrer Unterhaltungen, meistens gefilmt mit einer wackeligen Kamera auf Hüftebene. In anderen Videos auf ihrem Kanal gibt sie vor einer weißen Wand ihre Meinung über das aktuelle politische Geschehen zum Besten. Inhaltlich gehen es in ihren Videos um Hetze gegen den Islam, gegen Migrant*innen, linke Aktivist*innen und Politiker*innen. Doch mögen die Videos auch noch so plump und naiv seien, bisher wurden sie allein auf YouTube insgesamt über 1,7 Millionen mal geklickt, ihren Kanal haben über 32.000 User*innen abonniert.
Warum ihre Videos so gut funktionieren, darüber können wir nur spekulieren. Für viele ihrer Zuschauer*innen wirkt ihre klassische Weiblichkeit bestimmt reizend. Ihr Auftreten ist weniger lasziv, sondern eher naiv und klassisch „fraulich“. Schaut man sich auf dem Instagram-Account der hübschen Rothaarigen um, kommentieren beinahe ausschließlich Männer ihre Bilder.
Propaganda für die rechtsradikale AfD
Neben ihren „Undercover-Filmen“ berichtet Lisa H., die nach eigenen Angaben ein Abendgymnasium in Köln besucht, ansonsten von ihrer „patriotischen Teilnahme“ an AfD-Kundgebungen und Naziaufmärschen.
Im Juli veröffentlichte Licentia ein Werbe-Video mit dem MdL der AfD im Düsseldorfer Landtag, Roger Beckamp, auf ihrem Kanal. Es geht darum, dass in Deutschland bei den Themen Islam, Einwanderung und Patriotismus keine Meinungsfreiheit mehr herrsche. Paradox, denn genau in diesem Video reden die beiden genau darüber. Sie zeichnen das Bild eines islamischen Deutschlands.
Ist Lisa H. aka Licentia Mitglied bei der Jungen Union?
Man könnte nun annehmen, dass Lisa H der AfD nahesteht. Das stimmt sicherlich auch. Ende 2019 erzählte die gelernte Einzelhandelskauffrau jedoch, dass sie Mitglied bei der Jungen Union sei. Mitte Januar antwortete die JU Köln, angesprochen auf ihre rechtsextreme Parteifreundin, ein Mitglied mit dem Namen Lisa H. oder Lisa Licentia sei ihnen nicht bekannt. Man werde den Fall jedoch weiter prüfen. Lisa H. twitterte daraufhin, sie habe ihre Mitgliedskarte zerschnitten. Vielleicht denkt sie, damit hätte sie ihre Mitgliedschaft bei der JU beendet.