Von Haidy Damm
Die Sonne brennt auf den Rosa-Luxemburg-Platz vor der Berliner Volksbühne. Es ist so heiß, dass sich die Besucher am Rand in den Schatten flüchten. Rund 100 Anwohner und Interessierte sind gekommen, um die Einweihung der Containerausstellung in der Rosenthaler Straße zu feiern. Dort, in der Nummer 18, hat im Februar 2008, ein Thor-Steinar-Laden eröffnet. Schnell sei den Anwohner klar gewesen, welche Provokation dieser Laden sei, sagt Andre Glasmacher, einer der Initiatoren der Ausstellung. „Es war wirklich der Schock, der uns zusammengeführt hat.?
Klage gegen fristlose Kündigung
Noch im gleichen Monat startete die Initiative, unterstützt von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR), des Berliner Beauftragten für Integration und Migration und der Amadeu-Antonio-Stiftung. Ladeninhaber hängten Plakate in ihre Fenster, mit denen sie über „Thor Steinar? aufklären, Protestmails wurden an den Hauseigentümer versandt. Unbekannte bewarfen den Tønsberg-Ladenimmer wieder mit Farbbeuteln und warfen die Scheiben ein. All diese Proteste führten dazu, dass der Hauseigentümer dem Betreiber des Ladens, der Protex AG, fristlos kündigte. Allerdings läuft der Mietvertrag über drei Jahre, die Protex AG hat gegen die Kündigung geklagt. Das Landgericht Berlin wird voraussichtlich Ende September darüber verhandeln.
Ausstellung in Containern
Solange sollen auch die Container rund um den Laden stehen bleiben. Auf dem ersten Container wird über die Geschichte des Nationalsozialismus und die systematische Vertreibung jüdischen Lebens berichtet, insbesondere auch im „Scheunenviertel? rund um den heutigen Rosa-Luxemburg-Platz. „Wir wollen zeigen, was passiert, wenn diejenigen die Regierung übernehmen, die diese Zeit verherrlichen?, sagt Glasmacher beim Ausstellungsrundgang. „Das ist vielleicht ein bisschen Holzhammerpädagogik, aber irgendwie müssen die Leute eben verstehen.?
Der zweite Container steht direkt vor dem Laden. Dort hat sich auch die meiste Polizei positioniert, die rund um das Fest verteilt ist. Der „Protestcontainer? ist als Wandzeitung konzipiert, auf der Protest gegen Rechtsextremismus Platz finden soll. Vor dem Laden entsteht ein kleiner Tumult, die Verkäuferinnen wollen einen Journalisten daran hindern, Fotos vom Laden zu machen. Demonstrativ bleiben sie vor der Tür stehen. Für diesen Container hat das Projekt bisher nur eine Genehmigung für einen Monat, Glasmacher hofft, dass das Bezirksamt weitere erteilt.
Der dritte Container an der Ecke Memhardtstraße setzt sich mit Kleidercodes und versteckter Bildersymbolik der „Rechten neuer Kleider? auseinander. Hier wurden schon in der ersten Nacht Plakate heruntergerissen, die ersetzten sind noch frisch vom Kleber. Glasmacher ist bewusst: „Das wird immer wieder passieren. So ist das, wenn man keine Argumente hat.? Im Unterschied zu anderen Marken, die nur übers Internet bestellt werden können, versucht die bei der extremen Rechten so beliebte Marke „Thor-Steinar? mit Läden wie dem Tønsberg ihre Marke in der Mitte der Gesellschaft zu etablieren. Die Rosenthaler Straße mit ihren kleinen Modeläden zieht überwiegend Touristen an, auch die will die Initiative erreichen.
Keine Arztbehandlung für „Sturm 18“-T-Shirt Träger
Zurück auf dem Platz sammeln sich immer mehr Besucher, besonders die Plätze unter den Sonnenschirmen sind beliebt. Dort sitzt auch Frank Rauhut. Der Arzt aus Königs Wusterhausen (Brandenburg) ist für das dortige „Bündnis gegen Rechts? zur Eröffnung gekommen. In der brandenburgischen Kleinstadt hat die Firma Mediatex ihren Sitz, die die Marke „Thor Steinar? vertreibt. Der 66-Jährige führt seine ganz eigenen Auseinandersetzung mit den Modelabeln der extremen Rechten. „Ich konnte es nicht mehr ertragen, Leuten gegenüber zu sitzen, die Sprüche wie ‚Deutschland ist größer als die Bundesrepublik‘ auf ihren T-Shirts haben.? Vor zwei Jahren handelte er. Seitdem hängt ein T-Shirt in seiner Praxis: „Sturm 18? steht darauf und „Rache für 45?. Darunter hat der Hausarzt geschrieben: „Wer so erscheint wird nicht behandelt.?
Neben seiner individuellen Zivilcourage engagiert Rauhut sich im Bürgerbündnis gegen Rechts. In Königs Wusterhausen hat sich seit Jahren eine ? auch militante – Neonaziszene etabliert. Sein Engagement bringt ihm oft Ärger ein. „Vor zwei Wochen haben etwa 90 Neonazis die Stadt regelrecht überfallen. Sie zogen mit Sprechchören durch die Straßen.? Rauhut war zufällig vor Ort. Als er auf einem Parkplatz aus dem Auto stieg, sprach ihn Polizisten an. Man wisse ja, dass er „etwas gegen die habe“, zitiert er die Beamten. Sie erteileten ihm einen Platzverweis und drohten mit Ingewahrsamnahme, falls er dagegen verstoße. „Da gefriert einem doch jedes Lächeln,? sagt er.
„Das hier wird keine No-go-Area“
Anna Delia Papenberg ist auch in der Anwohnerinitiative aktiv. Auch sie zieht eine Verbindungslinie zwischen der Geschichte des Viertels und der aktuellen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus. „Rosa Luxemburg wurde 1919 von Freikorps ermordet, die wenig später in die SS eintraten. An diesem Platz stand bis 1933 die Zentrale der KPD, der Kiez war von jüdischem Leben geprägt. Allein wegen seiner Geschichte ist ein solcher Laden hier eine Provokation,? sagt die Jurastudentin. „Das hier wird keine ?No-Go-Area?, das ist unser Kiez.? Im Juli plant die Initiative die Verlegung von „Stolpersteinen? zum Gedenken an sieben jüdische Bewohner und Bewohnerinnen – in der Rosa-Luxemburg-Straße Nummer 18.
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